Wolnzach
Ein Ruhesitz mit Blick auf Wolnzach

Historischer Cirkel hat die Geschichte der prächtigen Lipp-Villa in einem Bildband zusammengetragen

13.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:51 Uhr
Die Lipp-Villa am oberen Bildrand kurz nach ihrer Fertigstellung auf einem von der heutigen Gabelsberger Straße in Wolnzach aufgenommenen Foto aus dem Jahr 1905. −Foto: Historischer Cirkel

Wolnzach - Es ist ein einzigartiges Anwesen: Als stattliche Villa mit Blick auf Wolnzach im Jahr 1901 von Josef und Maria Lipp erbaut, war das große Haus mit riesigem Garten, Kutscherhaus und Pavillon nach dem Zweiten Weltkrieg auch Wohnung für Heimatvertriebene und Benefiziaten. Über Jahre hinweg wurde es durch die heutigen Besitzer aufwendig renoviert und bis ins Detail wieder zum Strahlen gebracht. Die Lipp-Villa am Stieglberg hat auch Rudi Pfab vom Historischen Cirkel immer schon inspiriert, jetzt hat er die Geschichte(n) dieses Hauses in einen kleinen Bildband gefasst und auch schon einen Vortrag darüber gehalten.

Da, hinter den riesigen Bäumen, zwischen wuchernden Ästen jenseits des hohen Lattenzaunes, da spitzte immer schon der Giebel hervor. Gut zu sehen vom Stieglberg aus, auch in Zeiten, als das Anwesen nach Sanierung schrie und sich lange keiner fand, der das in Angriff nehmen konnte und wollte. Nicht irgendein Giebel ist das, sondern einer mit prächtigen Holzverzierungen, die heute noch die Detailverliebtheit ihrer einstigen Erbauer schon von außen erahnen lassen. "Villa Kunterbunt". Rudi Pfabs Tochter Birgit erinnerte dieses Haus als Kind unverkennbar an Pippi Langstrumpfs Wohnhaus aus den berühmten Astrid-Lindgren-Büchern, ein Haus, das sie haben wollte. Der Papa kaufte ihr das Haus zwar nicht, war aber seit jeher nicht minder fasziniert von dem Gebäude, wie er selbst sagt: "Geheimnisvoll und rätselhaft erschien sie mir schon als kleiner Bub." Einmal hineindürfen, einmal fühlen, spüren, erleben dürfen. Genau diese Möglichkeit haben ihm die aktuellen Besitzer eröffnet - und damit die Begeisterung des Hobbyforschers beinahe überschwappen lassen. Denn was er sah, war das Ergebnis aufwendiger Restaurierungen, die von der Liebe ihrer Macher bis ins kleinste Detail erzählen. Bei seinem Besuch in der Villa wusste er das umso mehr zu schätzen, als dass er die Geschichte des Hauses zu diesem Zeitpunkt - dank vieler Rat- und Tippgeber und Helfer - bereits erforscht hatte.

"Es ist eine bewegte Geschichte", erzählte Pfab jüngst bei einem Vortrag im Gasthof Zur Post. Eine Geschichte von Liebe und Krankheit, aber auch von Dankbarkeit und Ausdauer. Lipp-Villa. So nennen die Wolnzacher das Haus - und wissen vielleicht gar nicht so genau, warum. Rudi Pfab kennt die Antwort: Das Haus wurde im Jahr 1901 von den damaligen Postbrauerei-Besitzern Josef und Maria Lipp als Altersruhesitz gebaut. Vielleicht steckte aber schon zu Bauzeiten dahinter jedoch noch viel mehr, denn Josef und Maria hatten erst heiraten dürfen, als der gestrenge und sehr dominante alte "Bräu" Otto Lipp im Alter von 69 Jahren gestorben war. Die Maria war laut Pfabs Forschungen "zu gering" gewesen. Umso größer scheinen jedoch ihre Zuneigung zueinander und auch ihre Herzen gewesen zu sein, wie Pfab weiß: Josef und Maria sollen "gute Leute" gewesen sein, Gäste, Dienstboten und Taglöhner fühlten sich bei ihnen wohl, hatten alle ihr Auskommen. Laut Pfab soll das Ehepaar nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges auch in Not Geratene unterstützt und zum Gelingen des großen Umbaus der Wolnzacher Pfarrkirche im Jahr 1912 sogar 10000 Mark gespendet haben.

"Die Ehe war kinderlos und der Verstorbene sehnte sich, der Sorgen und Mühen des ausgedehnten Geschäftsbetriebs los zu werden", sprach der damalige Wolnzacher Pfarrer Dirnberger am 6. Februar 1917; es war der Tag, an dem Josef Lipp beerdigt wurde. Auch der Geistliche scheint gewusst zu haben, warum gerade dieses Haus seinem Erbauer so viel bedeutete: "Er erbaute eine Villa, umgab sie mit herrlichem Garten, verkaufte sein Geschäft und hoffte so, eine lange Reihe sorgloser Jahre zu gewinnen." Doch nur 16 Jahre wohnte Josef Lipp mit seiner Maria in seinem Traumhaus, im Alter von nur 54 Jahren starb er am 4. Februar 1917.

Maria überlebte ihn um 30 Jahre und verkaufte die Villa im September 1921 an den Hüller Gastwirt und Gutsbesitzer Michael Felsl - für 250000 Mark. Auch Michael Felsl und seine Frau Katharina verbindet eine bewegende Geschichte. Bis zum Verkauf an die Gesellschaft für Hopfenforschung waren sie die Eigentümer des heutigen Hüller Hopfengutes und sind auch die Erbauer der dortigen Kapelle: Errichtet hatte sie die Familie im Jahr 1909 aus Dankbarkeit für Katharinas Heilung von einem schweren Beinleiden. 1921 kauften die Felsls die Wolnzacher Villa, Michael Felsl lebte dort bis zu seinem Tod 1932, Katharina starb 1951. Zuvor schon war Tochter Katharina Geberl mit ihrem Mann Josef eingezogen, sie vermieteten später Räume an Wolnzacher Benefiziaten wie Alois Kreuzer, Leo Cohnen, Franz Xaver Kappenberger und Josef Huber.

Während der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg zogen zudem Familien in die Villa ein, auch das Kutscherhaus im weitläufigen Garten bot Wohnung für Familien.

Anfang der 1990er Jahre begannen Renovierungen, die von den heutigen Besitzern bis ins Detail vollendet wurden. Die Begeisterung sprudelt aus Rudi Pfab, wenn er diese Details beschreibt, kleines Beispiel: "Es gibt im Haus fünf historische Kachelöfen, die alle saniert wurden und wieder beheizt werden können." Der privaten Initiative der Besitzer über Jahre hinweg sei es zu verdanken, dass die "Villa Kunterbunt" wieder strahlt.

WZ


 

Karin Trouboukis