Pfaffenhofen
"Am Anfang ist es frustrierend"

Trotz eines schwierigen Starts hat Graffiti-Künstler Andreas Dill nun seine erste Ausstellung

13.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:57 Uhr
Der Graffiti-Künstler Andreas "Care" Dill in seinem Atelier (oben). Das untere Bild zeigt eines seiner Werke, die im Haus der Begegnung zu sehen sind - für Dill eher untypisch mit großem Schriftzug. −Foto: Wenisch

Pfaffenhofen (PK) Andreas Dill hat derzeit in Pfaffenhofen seine erste Ausstellung. Eigentlich ist der Graffiti-Sprayer aber ein echter Straßenkünstler, der stellenweise auch das Stadtbild prägt. Ein Porträt.

Mehr als sieben Meter Breite und über zwei Meter Höhe messen zwei der Werke von Andreas "Care" Dill. Insgesamt sind vier Bilder des Künstlers in der Ausstellung "Who Cares" in der Städtischen Galerie im Haus der Begegnung zu sehen und doch nehmen sie beinahe die komplette Wandfläche des Ausstellungsraums ein. Und trotzdem sagt Dill: "Das ist ein Kompromiss."

Denn meistens sind die Flächen, auf denen Dill sich mit seiner Kunst verewigt, noch deutlich größer. Dill ist Grafitti-Sprayer und "hauptsächlich auf der Straße unterwegs". Die aktuelle Ausstellung im Haus der Begegnung, die noch bis 2. Dezember zu sehen ist, ist seine erste Solo-Schau. Das Gesicht der Stadt Pfaffenhofen hat er aber dennoch schon an vielen Stellen mitgeprägt. Am Bahnhof etwa sind Comic-Figuren von ihm zu sehen, am Jugendzentrum Atlantis oder auch in der Skatehalle und an der Unterführung in Richtung Eberstetten, hat er Hand angelegt.

Für die Ausstellung hat Dill seine Werke auf Pressspanplatten gesprayt und diese zusammengeschraubt. Auf einer noch kleineren Fläche hätte er nicht arbeiten wollen, denn: "Wenn es noch kleiner wäre, müsste ich mich verbiegen. Ich mag es gerne luftig", sagt der 32-Jährige.

Angefangen mit Graffiti hat Dill im Alter von 15 oder 16 Jahren. "Ich habe auch davor schon immer gerne rumgekritzelt und habe mir das auch durch schlechte Kunstnoten nicht madig machen lassen", sagt er. Um sich aber mal an der Spraydose auszuprobieren, hat es einen Anstoß durch den großen Bruder gebraucht. Auch Ausflüge zur Werkstatt seines Vaters in München waren für Dill Schlüsselerlebnisse. Zum einen, weil der dort einen Graffiti-Künstler engagiert hatte, um die Tiefgarage und mehrere Seitenwände zu besprayen. Und zum anderen, weil Dill schon bei der Zugfahrt zum Hauptbahnhof alles sehen konnte, was die Graffiti-Szene ausmacht. "Auf dem Weg nach München sieht man, was geht", sagt er. Seitdem habe er begonnen, sich auf Graffiti zu fokussieren und Workshops zu besuchen.

Wobei sich Andreas Dill dennoch nicht als typischen Graffiti-Künstler sieht. Denn kennzeichnend für die Szene seien vor allem Schriftzüge, "es geht ja darum, deinen Namen zu verbreiten", sagt der Pfaffenhofener. Sein Pseudonym "Care" sei allerdings recht selten zu sehen. Der Grund: Zehn Jahre lang hat Dill vorwiegend mit einer drei- oder vierköpfigen Crew gesprayt und er war für die Schriftzüge einfach nicht zuständig. Er habe sich auf Comic-Figuren - in der Szene-Sprache Characters - konzentriert, erklärt er. Aus dem Wort Characters entstand letztlich auch sein Pseudonym. Seit einigen Jahren versucht sich Dill dennoch wieder an Schriftzügen - ohne dass diese eine besondere Bedeutung haben müssen. "Mir muss einfach nur die Buchstabenfolge gefallen", sagt er.

Heute hilft Dill auch jungen Sprayern beim Einstieg in die Kunst - auch weil sein eigener Start alles andere als leicht war. "Die ersten fünf Jahre waren für mich die härtesten. Am Anfang ist es echt frustrierend, weil es nie so klappt, wie man es sich eigentlich vorstellt", sagt er. Am schwierigsten sei es, eine wirklich kontrollierte Linie mit der Spraydose zu ziehen. "Wenn die aber nicht sitzt, merkt man das bei Figuren." Ein weiteres Manko ist für Dill, die richtige Farbauswahl zu treffen - er hat eine Rot-Grün-Schwäche. Die Frage, ob er wie viele andere mit illegalen Sprayaktionen begonnen habe, beantwortet Dill mit einem süffisantem Lächeln: "Nie!"

Für Nachwuchstalente veranstaltet er nun gemeinsam mit der Stadtjugendpflege jedes Jahr im Frühling Workshops, bei denen er den jungen Künstlern Tricks und Kniffe beibringt. Pfaffenhofen sieht er in Sachen Graffiti sehr gut aufgestellt. So gelinge es der Stadt nicht nur, namhafte Künstler aus anderen Regionen für Großprojekte wie am Bahnhof zu gewinnen. In der Stadt gebe es auch deutlich mehr legale Flächen, als in anderen Städten. Im Rahmen des Projekts Be Inspired können sich junge Sprayer etwa an der Krankenhausunterführung oder an der Unterführung in Niederscheyern ausprobieren. Dabei soll der Nachwuchs nicht nur das Sprayen lernen, sondern auch die Regeln der Szene: "In Pfaffenhofen ist das ja sehr gemütlich", wenn man aber in München den Falschen überspraye, könne es richtig Probleme geben. "Auch sowas zu erfahren, gehört dazu", sagt Dill. Beruflich arbeitet Dill als Statistiker im Großhandel mit klaren Strukturen. Als Gegensatz zu seinem künstlerischen Schaffen will er das aber nicht verstanden wissen: "Auch Statistik kann sehr kreativ sein, wenn man seine Tabellen aufbaut und designt. Meine Tabellen sind vielleicht etwas bunter, als die von anderen", sagt er schmunzelnd. So wie auch seine Werke auf der Straße.

Daniel Wenisch