Pfaffenhofen
Alles "unverbindlich und unkonkret"

Der Grünen-Abgeordnete Johannes Becher nimmt den Koalitionsvertrag unter die Lupe

06.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:05 Uhr
  −Foto: Wolfgang Kollmeyer, Kollmeyer, Wolfgang, Rohrbach

Pfaffenhofen (wok) Zu seinem ersten Besuch kam der neu gewählte Landtagsabgeordnete der Grünen aus dem Kreis Freising, Johannes Becher (kleines Foto), nach Pfaffenhofen, um über seine neue Rolle im Maximilianeum zu berichten.

Zudem befasste sich Becher kritisch mit dem Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern.

Johannes Becher aus Moosburg ist einer der 38 grünen Mandatsträger im Landtag. Die Fraktionsstärke der Grünen erhöhte sich von früher elf auf jetzt 38, damit sind sie stärkste Oppositionspartei. Die FDP hat elf Mandate, SPD und AfD je 22, wobei Becher die der AfD als "22 zu viel im Landtag" einstufte. Der Vorteil der Grünen sei jetzt, bei der Rednerliste immer gleich nach der Regierung sprechen zu können. Becher sitzt im Ausschuss für kommunale Fragen/ innere Sicherheit/Sport sowie im Ausschuss für Arbeit/Soziales/Jugend/Familie. Er ist bei den Grünen neben dem Bereich Freising und Pfaffenhofen auch für den Kreis Erding als Betreuungsabgeordneter zuständig.

Ministerpräsident Markus Söder hatte erklärt, die im Wahlkampf versprochene Stabilität sei gegeben, aber es gebe kein reines "Weiter so" und Bayern könne "grüner werden ohne die Grünen". Ob dem wirklich so ist, dazu bezog Becher anhand der zehn Wahlkampfpunkte der Grünen im Vergleich mit dem 60-seitigen Koalitionsvertrag Stellung, der nach seiner Meinung keine Veränderung der bisherigen Politik bringe, sondern eben ein "Weiter so".

Ein wichtiger Punkt sei die 3. Startbahn am Flughafen München, die auch von der FW bekämpft worden sei. Jetzt lege der Koalitionsvertrag die weitere Planung für diese Legislaturperiode auf Eis, doch nach Bechers Einschätzung besteht nach abgeschlossenem Planfeststellungsverfahren Baurecht für die 3. Startbahn und eine Planung sei deshalb nicht weiter erforderlich. Außerdem könne laut Konsortialvertrag der Flughafen GmbH von jedem Partner die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft gefordert werden, die auch umgesetzt werden müsse. Da sich aber München weigere, könne einer der anderen Partner, wie etwa das Bundesverkehrsministerium, eine solche Forderung erheben. Dann würde in der AG nicht mehr das Prinzip der Einstimmigkeit gelten, sondern die Mehrheitsentscheidung und die 3. Startbahn könne dann trotzdem gebaut werden. Hier hätten die Freien Wähler ihre Chance vertan, obwohl sie im Landkreis Erding einen Stimmenanteil von 20 Prozent gehabt hatten.

Becher kritisierte, dass der Koalitionsvertrag viele unverbindlichen Floskeln enthalte, selten konkrete Regelungen. So soll der Pflanzenschutzmittel-Einsatz reduziert werden, ohne konkret zu sagen wie stark oder bis wann. Auch die Aussagen für eine familienfreundliche und flexible Arbeitswelt seien nicht konkretisiert, ebenso wenig familiengerechte Berufe oder eine menschlich gestaltete Digitalisierung der Arbeitswelt.

Auch die schon vor kurzem groß gefeierte Kostenbefreiung der Kinderbetreuung sei nur dann gültig, wenn die Kindertagesstätten-Gebühren bei unter 100 Euro liegen würden, was selten der Fall sei.

Beim Flächenverbrauch werde Bayern eine "Richtgröße" anstreben von täglich fünf Hektar, wobei eine Richtgröße etwas anderes sei als eine Höchstgrenze. Die Grünen hatten in der letzten Legislatur ein Klimaschutzgesetz eingefordert, das aber von der CSU abgelehnt worden sei, jetzt soll es aber ein solches Gesetz geben und der Klimaschutz Verfassungsrang bekommen. Die Treibhausgasemissionen sollten bis 2050 auf unter zwei Tonnen je Einwohner reduziert werden: "Wer von den heutigen Politikern ist dann noch in der Verantwortung? ", so Becher.

Auch die Förderung der Windkraft bei der weiterhin gültigen bayerischen Rechtslage (H10) sei eine leere Floskel, da weitere Windräder bei der jetzigen H10-Regelung gar nicht mehr möglich seien. Die FW wollten eigentlich die H10-Regelung kippen, was im Koalitionsvertrag nicht erfolgt sei. Außerdem gebe es im Koalitionsvertrag keine Aussage über die Stilllegung von Kohlekraftwerken, zu den Stromtrassen, zu den Alt-Atomkraftwerken und deren Zwischenlagern.

Und bei den "Beauftragten" der Landesregierung hätten sich die Freien Wähler von der CSU einfangen lassen, kritisierte Becher, obwohl sie in der letzten Legislaturperiode gegen die Ernennung der Beauftragten geklagt hatten. Bechers Fazit: "Alles unverbindlich, unkonkret und freiwillig", was im Koalitionsvertrag steht - teilweise versehen mit "grünen Überschriften". Foto: Kollmeyer