Pfaffenhofen
"Alle sind für die Landwirte"

Am Glyphosat entzündet sich im Kreistag eine Debatte um ganz grundsätzliche Naturthemen

15.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:14 Uhr
Die Bienen waren Auslöser einer Kreistagsdebatte, in der sich alles um die Würdigung der Landwirtschaft drehte. −Foto: Foto: Rumpenhorst/dpa

Pfaffenhofen (PK) Um Bienen, Gutachten, Tierwohl und den Naturschutz ist es in einer intensiven Debatte gegangen, die sich der Kreistag am Montag geliefert hat. Und viel mehr um die Rolle der Landwirte an sich als um das, was eigentlich behandelt werden sollte: der Verzicht von Glyphosat auf Landkreisflächen.

Weg vom Thema, hin zu einer allgemeinen Landwirtschaftsdebatte führte das Gremium zuerst der Landtagsabgeordnete und CSU-Kreisrat Karl Straub. Er konzentrierte sich auf eine Studie, die von Landwirten und Imkern in Auftrag gegeben wurde. Laut dieser sei der Einsatz von Neonicotinoiden, die den Bienen nachweislich schaden, durch die Hopfenbauern im Landkreis für die Bienen überhaupt nicht gefährlich. Die Pflanzer würden das Mittel nämlich so früh im Jahr versprühen, dass zu dieser Zeit noch gar keine Bienen unterwegs seien. "Neonicotinoide sind generell schon schädlich. Aber nicht so wie wir sie im Landkreis einsetzen", formulierte es Straub.

Ein kleiner Exkurs also, den die übrigen Kreisräte nicht unkommentiert ließen. Reinhard Haiplik (ÖDP) begrüßte es, dass angeblich schon jetzt auf öffentlichen Flächen kein Glyphosat verwendet werde. Und er bemühte ergänzend als Positivbeispiel den Kreis Miesbach, der für sich fix festgesetzt habe, das Mittel nicht mehr zu verwenden. "Das Prädikat glyphosatfrei würde unserem Landkreis touristisch mehr helfen als weitere Gewerbegebiete", fügte Haiplik an. Dieser Vorstoß gehörte ebenso in den Bereich "Zeichen setzen" wie der Beitrag von Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker. Da Markus Käser nicht in der Sitzung war, ergriff Herker das Wort für die Sozialdemokraten. Und er gab Straubs "Pro-Landwirt-Rede" ein lautstarkes Kontra. Es gehe nicht nur um ein bisschen Glyphosat, sondern vielmehr um Bewusstseinsbildung, so Herker. Die Landwirtschaft sei in einem System, das sich im vergangenen Jahrhundert etabliert habe, gefangen - und dieses kenne keinen Weg in die Zukunft. Früher hätten mittelgroße Höfe gut gelebt. Inzwischen seien die Betriebe 100 Hektar groß, um existieren zu können. Und es sei keine gute Vision, künftig in jedem Dorf nur noch zwei oder drei Bauernhöfe mit dann vielleicht 300 Hektar zu haben. Darum brauche es ein Umdenken, das mit einem Bildungsauftrag für die Jugend einhergehe. "Die Pestizidfreiheit gehört dazu. Daher sollte man diesem Antrag zustimmen", so Herker.

Landrat Martin Wolf (CSU) reagierte betroffen auf Herkers Worte. Er bezeichnete die Leistungen der Landwirte schlichtweg als großartig. Diese würden die Regale der Supermärkte füllen und die Menschen ernähren. Ob auf ökologische oder konventionelle Weise, ob Massentierhaltung oder Tierwohl - das scheint für Wolf eher zweitrangig zu sein. Er sagte: "Die Frage nach tiergerechter Haltung wird keiner stellen, wenn es darum geht, ob er noch satt wird."

Und die Debatte ging weiter. Rudi Engelhard (CSU) regte per Zwischenruf "keine Chemie auf Landkreisflächen" an, der Stellvertretende Landrat Josef Finkenzeller (Freie Wähler) räumte ein, dass es außer Neonicotinoide kein Mittel auf dem Markt gebe, um Bodenschädlinge zu bekämpfen. Und er fügte an: "Die Forderung, darauf zu verzichten, geht an der Realität komplett vorbei."

Den Fokus zurück auf die Bedeutung der Biodiversität wollte Kerstin Schnapp (Grüne) legen. Und sie verwahrte sich zusammen mit Haiplik gegen den Vorwurf, etwas gegen Landwirte zu haben und diese "als reine Giftspritzer", so Finkenzeller, zu sehen. "Hier ist keiner gegen Landwirte", sagte Schnapp vehement. Und Haiplik ergänzte: "Es wird versucht, einen Keil zwischen die Fraktionen zu treiben. So ist es nicht - und das ist nicht fair." Als schließlich auch Martin Schmid (SPD) bekräftigte, stolz auf die Landwirte zu sein, ließ Landrat Wolf die Debatte ausklingen, der Jens Machold (CSU) zumindest Folgendes abgewinnen konnte: "In dem Punkt ist die Zeitung widerlegt: Kein Käser, aber doch eine Debatte."

Das Kernthema war übrigens schnell behandelt: Die SPD hatte - übrigens schon im vergangenen Jahr - beantragt, dass der Kreisbauhof kein Glyphosat mehr zur Unkrautvernichtung an Straßenrändern einsetzen soll. Und in dem Zug gleich noch gefordert, dieses Totalherbizid auch auf allen Landkreis- und Gemeindeflächen zu verbieten, die Umweltbildung zu intensivieren und die Bedeutung der Biodiversität zu unterstreichen. Die meisten dieser Punkte haben sich seit der Antragstellung von allein erledigt. Der Landkreis hatte zum Jahreswechsel gar keine Sondergenehmigung mehr beantragt, weiterhin Glyphosat verwenden zu können - weil er sie nicht bekommen hätte. Laut der Unteren Naturschutzbehörde wird das Mittel auf verpachteten Landkreisflächen auch nicht mehr verwendet. Und wie die einzelnen Gemeinden damit umgehen, kann der Kreistag nicht beeinflussen. "Die beurteilen das in ihrem Hoheitsgebiet allesamt selbst", meinte Kreiskämmerer Walter Reisinger. Angeblich seien die Gemeinde beim Thema Glyphosat sehr restriktiv. Bleiben noch "Biodiversität" und "Umweltbildung", wozu Reisinger nur anfügte, dass der Landkreis in beiden Feldern sehr engagiert sei - und diese Anstrengungen weiter intensivieren wolle. Dem Vorschlag stimmten die Räte einstimmig zu. Mit einem Zusatz, den Martin Wolf mit einem Schmunzeln formulierte: "Und wir sind auch alle für die Landwirte."

Patrick Ermert