Wolnzach
Ein Stück Filmgeschichte verschwindet

Brücke auf der Autobahn war in den 1950er Jahren Kulisse für einen Kinostreifen - Jetzt wird sie abgebrochen

04.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:30 Uhr
Während des Abbruchs wird die Autobahn in der Nacht auf Sonntag in diesem Bereich total gesperrt. −Foto: ddp-images, Hans Kistler

Wolnzach (WZ) In den Akten der Autobahndirektion Südbayern ist sie ganz nüchtern als "Überführungsbauwerk BW 114" geführt, die Brücke, wegen deren Abbruch an diesem Wochenende die Autobahn A93 für einige Stunden total gesperrt werden wird. Nicht nur auf den Straßenverkehr wird die kleine Brücke aus dem Jahr 1944 damit erhebliche Auswirkungen haben, auch hat sie eine ganz besondere Geschichte: Mitte der 1950er Jahre war sie Kulisse für den Film "Die goldene Brücke" von Regisseur Paul Verhoeven.

Happy End auf der Autobahn. Rennfahrer Stefan, gespielt von Paul Hubschmid, möchte es noch einmal wissen, es allen beweisen. Sich in diesen PS-starken Turbinenwagen setzen und einfach nur Gas geben. Die alte Kraft hinter dem Steuer spüren, vergessen, dass ihn ein Unfall aus der Bahn geworfen, beinahe zum Krüppel gemacht hat. Fehlende Routine und Geschwächtheit nach dem Unfall? Stefan will davon nichts hören, möchte wieder der Alte sein und es vor allem diesem Henrik Balder (Curd Jürgens) so richtig zeigen, diesem reichen Industriellen, der ihm seine schöne Frau Tima (Ruth Leuwerik) ausgespannt hat. Stefan alias Paul Hubschmid gibt Gas - nicht auf einer Rennbahn, sondern auf der Autobahn A93 zwischen Wolnzach und Mainburg. Und dort, gleich nach dieser Brücke wenige Kilometer südlich von Oberlauterbach, diesem kleinen Feldweg, den sonst nur Land- und Forstwirte befahren, kommt es zu einem Showdown der deutschen Kinogeschichte der 1950er Jahre: Ruth Leuwerik alias Tima erkennt in ihrer Angst um das waghalsige Vorhaben ihres Mannes, wo ihr wahrer Platz im Leben ist. Unter dieser unscheinbaren Brücke fallen sie sich in die Arme, der Streifen endet, wie er enden muss: mit Tränen der Rührung bei den Zuschauern und dem unvermeidlichen Filmkuss zum Schluss.

"Die goldene Brücke", heißt der Film, den kein Geringerer als der 1901 geborene und 1975 in München gestorbene Regisseur Paul Verhoeven Mitte der 1950er Jahre inszenierte. Verhoeven - übrigens Vater des Filmregisseurs Michael Verhoeven und der Schauspielerin Lis Verhoeven, Schwiegervater der Schauspieler Mario Adorf und Senta Berger - stand dazu genau dort, wo an diesem Wochenende Spezialbaufahrzeuge eben diese Brücke zu dem machen werden, was dieser alte Schwarz-Weiß-Film schon längst ist: ein Stück Geschichte.

Filmscouts hatten den Autobahnabschnitt damals entdeckt und als ideale Kulisse für die Rennszenen, die diesen Film prägen, ausgemacht. Die gerade erst fertig gestellte Autobahn zwischen Mainburg und Wolnzach bot für das Filmteam tatsächlich viele Vorteile: Sie war von München aus schnell zu erreichen und sie war vor allem verfügbar, weil eben noch nicht für den Verkehr freigegeben. Die Arbeiten für diese Autobahn hatten zwar schon 1936 begonnen und 1940, vor der kriegsbedingten Einstellung, war der 23 Kilometer lange Abschnitt zwischen dem Autobahndreieck Holledau und Elsendorf im Erd- und Brückenbau auch schon weitestgehend fertiggestellt. Nicht so allerdings die Brücke, die für die Versöhnungsszene zwischen Ruth Leuwerik und Paul Hubschmid den Rahmen bildet und deren Tage nun gezählt sind. Dieses "Überführungsbauwerk" wurde erst 1944 errichtet und ist mittlerweile so in die Jahre gekommen, dass aus Gründen der Verkehrssicherheit ein Abbruch und ein Ersatz unabwendbar ist. Dank eines Filmszenenfotos wird sie dennoch auf immer für die Nachwelt erhalten bleiben.

Die Brücke wird fallen, gesperrt wird dazu die Autobahn A93 laut Autobahndirektion am Samstag ab etwa 19.30 Uhr bis Sonntag, 14 Uhr, zwischen den Anschlussstellen Mainburg und Wolnzach - und zwar für den gesamten Verkehr in beiden Fahrtrichtungen. Ein bisschen wird es in dieser Nacht dann also wieder so sein wie damals: kein Fließverkehr, aber viel Action. Nur, dass es dieses Mal nicht Kamera- und Soundtechniker sein werden, die die leere Autobahn bevölkern, um sie zur Filmkulisse für Leuwerik, Jürgens, Hubschmid & Co. in Szene zu setzen. Etwas rabiater, aber nicht weniger kontrolliert wird es in dieser Nacht zugehen. Denn die Abbrucharbeiten folgen einem strengen Zeitplan, damit der Verkehr am Sonntagnachmittag wieder fließen kann. Im Sommer wird es noch einmal eine kurzzeitige Totalsperre geben, dann werden die Fertigbauteile der neuen Brücke eingesetzt. Die Gesamtkosten der Maßnahme werden auf 1,5 Millionen Euro geschätzt. Viel Geld, jedoch: Für das Filmteam von damals war die Autobahn als Kulisse schier unbezahlbar und die alte Brücke war genauso wie ihr Filmauftritt, nämlich einmalig.

Karin Trouboukis