Neuburg
Und dann wurde es still

In einem Buch beleuchten Neuburg, Sète und Jeseník die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg in der Heimat

07.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:53 Uhr
Katrin Kretzmann
Die berühmte Aussicht auf die Neuburger Residenz kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. −Foto: Stadtarchiv Neuburg

Neuburg (DK) 100 Jahre sind seit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 vergangen. Mit der Situation danach in Neuburg sowie in den Partnerstädten Jeseník und Sète haben sich die dortigen Archivare, darunter Barbara Zeitelhack, beschäftigt - von gemeinsamer Trauer bis hin zu unterschiedlichen politischen Verhältnissen. Morgen Abend wird das Werk "Ende und Anfang" im Kongregationssaal vorgestellt.

Es war die Nacht auf den 8. November 1918, als Kurt Eisner den Freistaat ausrief und im Anschluss zum ersten Ministerpräsidenten von Bayern gewählt wurde. "Die Dynastie Wittelsbach ist abgesetzt", sagte Eisner vor 100 Jahren in München. Drei Tage später, am 11. November 1918, endete für das Deutsche Kaiserreich im Wald von Compiège bei Paris der Erste Weltkrieg. Was folgte, war ein einschneidender Wandel, der auch im damals rund 9000 Einwohner großen Neuburg sowie in seinen Partnerstädten, dem französischen Sète sowie dem tschechischen Jeseník, spürbar war. Das Ende des Ersten Weltkriegs haben Neuburgs Stadtarchivleiterin Barbara Zeitelhack und ihre Kollegen aus Frankreich und Tschechien zum Anlass genommen, die Situation in den drei Städte in den ersten Jahren danach zu untersuchen. Ergebnis ist das dreisprachige Buch mit dem deutschen Titel "Ende und Anfang - Drei europäische Städte in den Jahren 1918 - 1920". In Sète und Jeseník wurde das knapp 200 Seiten dicke Werk bereits vorgestellt, morgen ist die Präsentation dann im Neuburger Kongregationssaal.

Im Frühjahr des vergangenen Jahres sei die Idee zum Buch bei einem Gespräch über die Bedeutung von Städtepartnerschaften, auch in Verbindung mit Jahrestagen und Jubiläen, entstanden, sagt Zeitelhack. "Die Städte sind mit Neuburg zwar als Partnerstädte verbunden, aber trotzdem weiß man eigentlich nichts über die Geschichte dort", sagt die Archivleiterin. Dann habe man den Schwerpunkt auf die Situation in den ersten beiden Jahren nach Kriegsende gelegt. Obwohl sich Zeitelhack und ihre französische Kollegin Catherine Lopez-Dréau vom Sèter-Stadtarchiv sowie Bohumila Tinzovà vom Kreisarchiv in Jeseník nicht kannten, habe die Zusammenarbeit dank viel E-Mail-Kontakt sowie Übersetzern wunderbar funktioniert, "wobei es schwierig war, diese zu finden, da es Muttersprachler sein müssen" - ein entscheidender Faktor, denn sowohl der Beitrag über Neuburg als auch über Sète und Jeseník ist auf deutsch, französisch und tschechisch zu lesen. Nach den letzten Korrekturen und Feinarbeiten wurde das Buch dann schließlich diesen September in einer Auflage von 1000 Exemplaren gedruckt.

Obwohl laut Zeitelhack in allen drei Städten Elend, Hunger und Trauer um die Kriegsopfer herrschten, war die Situation dennoch unterschiedlich. So seien die Menschen in Neuburg damals der Räterepublik, die nach der Ausrufung zum Freistaat eingeführt, aber nach kurzer Zeit scheiterte, eher skeptisch und reserviert gegenübergestanden. "Es kam die Sehnsucht nach Monarchie, den alten Zeiten und der Garnisonsstadt auf", erzählt Zeitelhack. "Dadurch, dass die Garnison abgezogen wurde, war es wirtschaftlich schwer, weil sie einfach ein Nachfrager für Handel, Gewerbe und Mietwohnungen war." Die durch die Novemberrevolution 1918 folgende Teilhabe der Bevölkerung an der Politik, habe bei den Menschen auch keine Freude oder Stolz ausgelöst, im Gegenteil. "Das ist wirklich sehr auffällig, denn zuvor konnten nur diejenigen mit Besitz, also zehn bis 15 Prozent der Einwohner, die Politik in der Stadt mitbestimmen."

Obwohl die Franzosen auf der Gewinnerseite waren und eine politische Stabilität im Land herrschte, sei die wirtschaftliche Lage desaströs gewesen, "mindestens genauso schwierig, wie bei uns". In Tschechien und somit auch in Jeseník sei nach dem Ende des Krieges der lang ersehnte Traum von einem eigenen Staat zwar zunächst erfüllt worden, danach aber schnell in bürgerkriegsähnliche Zustände übergegangen. "Die deutsche Bevölkerungsmehrheit war nicht damit einverstanden, weil sie ein Großdeutschland wollte." Es sei eine Zeit gewesen, die stark von Gewalt und massiven Versorgungsproblemen geprägt war. "Jeseník war immer ein Kur- und Ferienort, also eine Einnahmequelle, die verloren ging." Es seien lang anhaltende, instabile Verhältnisse gewesen.

Umrahmt von einer Gedenkveranstaltung wird das Buch morgen ab 19.30 Uhr im Neuburger Kongregationssaal vorgestellt. Auf dem Rahmenprogramm stehen dabei Worte von Oberbürgermeister Bernhard Gmehling sowie eine Lesung des Spiegel-Autors Volker Weidermann aus seinem Werk "Träumer - Als Dichter die Macht übernahmen". Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung von Kozue Sato an der Querflöte sowie Yukihiro Shiotsubo am Klavier. Der Eintritt zur Vorstellung ist frei, um Anmeldung wird unter Telefon (08431) 55394 oder per E-Mail an stadtarchiv@neuburg-donau.de gebeten.

Das Buch ist für acht Euro bei der Präsentation sowie im Bücherturm, in den Buchhandlungen in der Stadt sowie in der Touristinfo erhältlich.

Katrin Kretzmann