Neuburg
Schöpfungsgeschichten und reine Musik

Neuburger Schlosskapelle bietet prächtige Kulisse für Konzertreihe "Klingendes Denkmal"

23.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:37 Uhr
Mit faszinierenden Lichtspielen sowie technischen Raffinessen begeisterte Komponist Andreas Rüsinger mit seinem Ensemble in der Neuburger Schlosskapelle. −Foto: Budke

Neuburg (hbu) Überraschenderweise hatten nur knapp zwanzig Besucher am Samstagabend den Weg in die Neuburger Schlosskapelle gefunden - was dort geboten wurde, war musikalischer Hochgenuss und hätte weit mehr Zuhörer verdient.

So hatte die Veranstaltung im Rahmen der Reihe "Klingendes Denkmal" das besondere Flair eines Wohnzimmer-Konzertes und das Ensemble um Ausnahme-Komponist Alexander Rüsinger belohnte den minutenlangen Applaus mit einer Zugabe.

Trotz eines krankheitsbedingten Ausfalls brillierte das Ensemble mit den professionellen Sängern Gitti Rüsinger, Antonia Streitenberger, Carina Poleschinski, Alexander Krüger und Jörg Tremmel sowie Astrid Haas, die kurzfristig das Programm gelernt hatte und so die entstandene Lücke füllen konnte. Komponist und Initiator der Reihe "Klingendes Denkmal", Andreas Rüsinger, gelang es, mittels des Arrangements von "reinen Stimmungen", Gesang, Lesungen und Licht, das Publikum vom ersten Augenblick an zu begeistern. Was im Rahmen dieser Reihe geboten wird, ist vielmehr als ein schlichtes Konzert mit eigenen Werken Rüsingers und Stücken bekannter Komponisten unter anderem aus der Region. Es ist ein Gesamterlebnis, das Ohren, Augen und Gefühle in besonderem Maße anspricht.

Schon der Beginn der Aufführung ist ungewöhnlich: Das Ensemble steht nicht frontal vor dem Publikum, sondern hat sich in den Sitzreihen verteilt. Von dort startet Alex Krüger mit einer ersten Lesung aus der Schöpfungsgeschichte, denn unter diesem Thema steht das Gesamtkonzept dieses Abends. Geräusche wie leises Ploppen, Pfeifen, Türöffnen und Nachahmung von Wind - wiederum von unterschiedlichen Plätzen aus den Bankreihen - sind ein musikalisches Intro, das eine Art Surround-Effekt entstehen lässt. Die Lichteffekte greifen die Musik auf und setzen den ganzen Abend über die Malereien in der Schlosskapelle immer wieder in Szene, manchmal in strahlendem, sonnigem Gelb, manchmal in mystischem Blau oder kühlem, nüchternen Grau. Genauso wechseln auch die Standorte der Sängerinnen und Sänger von eben noch aus dem Publikum heraus, geballt in der Mitte, an den Außenwänden stehend oder klassisch frontal. Die Stimmen sind beeindruckend klar, voller Kraft und Tiefgründigkeit in ihrer jeweiligen Tonlage. Auch in den Lesungen, die zwischen den Liedern immer wieder die Schöpfungsgeschichte darstellen, bestechen die Darsteller mit schauspielerischer Ausdrucksstärke. Andreas Rüsinger hat das Konzept nicht auf biblische Verse aus dem Johannes-Evangelium beschränkt, sondern zu hören sind zum Beispiel auch Geschichten aus der griechischen Mythologie, aus Indien, dem Nordgermanischen oder nach Ying und Yang.

Das, was das Konzert jedoch zu einem Hochgenuss macht, ist die technische Besonderheit, die Rüsinger für diese Konzertreihe nutzt: Mittels eines Computers kann er bis zu 400 verschiedene Stimmungen vornehmen und diese innerhalb von Sekundenbruchteilen über ein Fußpedal umsetzten. Am Resonanzboden des Flügels ist ein sogenannter Transducer eingebaut, der diese elektronischen Schwingungen an das Instrument überträgt. Im Flyer zum "Klingenden Denkmal" heißt es, die "Reine Musik", die Rüsinger anstrebt, sei für die Ohren das, was HD für die Augen ist. Tatsächlich rekomponiert Rüsinger die Stücke der Komponisten quasi, indem er die abwechselnden Stimmungen mittels der Technik wieder herausarbeitet, die aufgrund der Temperierung der Tasteninstrumente nicht umsetzbar waren. Das ist schon rein von der spielerischen Seite her eine Herausforderung, denn der Komponist muss nun nicht nur die Tasten des Flügels beherrschen, sondern daneben auch den Computer im Auge behalten und das entsprechende zusätzliche Fußpedal bedienen. Der Aufwand ist lohnenswert, denn selbst wenn längst nicht jeder die Feinheiten der unterschiedlichen Stimmungen heraushören mag, so entsteht doch insgesamt ein viel intensiverer Ausdruck der Musik, der unweigerlich jeden Zuhörer - ob regelmäßiger Konzertbesucher oder Zufallsinteressierter - berührt und begeistert.