Neuburg
Rückkehr zu neuen Aufgaben

Taktisches Luftwaffengeschwader 74 aus Neuburg beendet Mission im Baltikum - Kommandoübergabe am Montag

03.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:32 Uhr
Einsatz über dem Baltikum: Die Neuburger Eurofighter und die Soldaten des Luftwaffengeschwaders 74 kehren in den nächsten Tagen nach und nach in die Heimat zurück. −Foto: Luftwaffe

Neuburg/Ämari (DK) Die Soldaten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 kehren in den nächsten Tagen sukzessive aus dem Baltikum zurück nach Neuburg. Offiziell endet die viermonatige Beteiligung an der Natio-Mission am kommenden Montag mit der Übergabe an den Schwesterverband aus Ostfriesland.

Der Großteil der Neuburger Soldatinnen und Soldaten ist am späten Donnerstagabend in der Heimat eingetroffen. Ein französisches Transportflugzeug hatte sie am Nachmittag vom Flugplatz im estnischen Ämari nach Nürnberg geflogen. Von dort brachten Busse die Heimkehrer nach Neuburg. Der Rest des Kontingents aus Oberbayern wird laut Oberstleutnant Siegfried Beck, stellvertretender Kommodore des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74, bis Samstag beziehungsweise Mittwoch folgen. Dazu zählt auch Oberstleutnant Sören Richter, der in den vergangenen zwei Monaten das Kommando über die deutschen Soldaten in Estland hatte. Er wird diese Aufgabe am Montag offiziell an Oberstleutnant Gordon Schnitger übergeben - und damit an das Taktische Luftwaffengeschwader 71.

Der Verband aus dem niedersächsischen Wittmund sichert in Deutschland gemeinsam mit dem Neuburger Geschwader den Luftraum. Diese Aufgabe haben die Piloten nun auch im Baltikum. Hintergrund ist das sogenannte verstärkte Air Policing, eine Nato-Mission. Dabei geht es darum, den Luftraum über Estland, Lettland und Litauen zu überwachen und zu sichern. Probleme bereiten den Soldaten vor allem russische Maschinen, die ohne aktivierten Transponder oder Flugplan zwischen dem russischen Festland und der Exklave Kaliningrad unterwegs sind, dabei zivile Flugzeuge gefährden und gelegentlich auch den estnischen Luftraum verletzen. Bei dieser Aufgabe wechseln sich die Nato-Staaten seit 2004 ab, für die deutsche Luftwaffe ist es die neunte Beteiligung. Neben den Flugzeugen im estnischen Ämari waren zuletzt belgische Kampfflugzeuge vom Typ F-16 im litauischen ?iauliai im Einsatz. Deren Aufgabe hat nun ein polnischer Verband übernommen.

Für das Neuburger Geschwader ist die Mission im Baltikum- übrigens die fünfte Teilnahme - aus Sicht von Oberstleutnant Beck reibungslos gelaufen. "Es hat alles hervorragend funktioniert", sagt der Vize-Kommodore. "Wir mussten keine der Maschinen austauschen." Und auch in Neuburg habe es durch den Aufenthalt der Soldaten in Estland keine Probleme gegeben - "obwohl es natürlich einen leichten Personalmangel und dadurch eine gewisse Zusatzbelastung gab". Denn in Neuburg verlief während der viermonatigen Mission alles ganz normal weiter - inklusive der Sicherung des deutschen Luftraums und mehrerer dabei auftretender Alarmstarts.

Wann genau die Eurofighter auf den Flugplatz beim Neuburger Stadtteil Zell zurückkehren, ist noch offen. Schon jetzt sind einige Maschinen anderer Verbände als Teil der Alarmrotte im Baltikum eingesetzt. "Die werden nun nach und nach ausgetauscht", erklärt Beck. Die Ersatzmaschine für den Einsatz werde bereits vom Verband in Wittmund gestellt.

Der Vize-Kommodore bestätigt mit seiner Bilanz zum Einsatz in Ämari die Einschätzung der dortigen Führungskräfte. Erst kurz vor Weihnachten hatte sich Kontingentchef Sören Richter im Gespräch mit unserer Zeitung positiv zum Ablauf geäußert. Seiner Ansicht nach verlief die Mission für den Neuburger Verband, der dazu auch zahlreiche Soldaten aus anderen Einheiten zugeteilt bekam, völlig problemlos. Arbeitsreich waren die insgesamt vier Monate, die er sich mit Oberstleutnant Swen Jacob an der Spitze teilte, allerdings durchaus.

Bereits wenige Tage nach Ankunft der deutschen Soldaten erfolgte Anfang September der erste Alarmstart der Eurofighter. Dabei ging es um die Identifizierung zweier russischer Flugzeuge, die im internationalen Luftraum über der Ostsee unterwegs waren. Die Neuburger Piloten fingen zwei Militärtransporter vom Typ Iljushin IL-76 und Antonov An-26 ab.

Eine besondere Aufgabe übernahmen die Neuburger Piloten Mitte September, als sie die Maschine von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eskortierten. Das Staatsoberhaupt war nach Helsinki unterwegs und sah beim Blick aus dem Fenster über der Ostsee zwei Eurofighter vom Stützpunkt Ämari neben seinem Flugzeug.

Nur eine Woche später gab es hohen Besuch in Estland - und einen bemerkenswerten Vorfall. Parallel zur Stippvisite des stellvertretenden Generalinspekteurs der Bundeswehr, Vize-Admiral Joachim Rühle, sichteten die Piloten der Alarmrotten über der Ostsee zwei russische Langstreckenbomber vom Typ Tupolew Tu-160. Diese Überschallflugzeuge sind sogar in der Lage, Atomwaffen mit sich zu führen.

Auch eine Lebensrettung geht auf das Konto der deutschen Soldaten - und zwar im Hotel in Tallinn, in dem das deutsche Kontingent für den Dauer der Mission untergebracht war. Dort fanden drei Mitglieder des Geschwaders Ende September im Schwimmbecken eine Frau. Wie sich herausstellte, hatte die 86-jährige Finnin beim Baden einen Herzinfarkt erlitten. Die Neuburger Soldaten reagierten geistesgegenwärtig, zogen die Frau aus dem Wasser, begannen mit der Reanimierung und setzten einen Notruf ab. Mit Erfolg: Die Urlauberin erholte sich und konnte schon wenige Tage später die Heimreise antreten. Für die drei Soldaten, zwei Hauptfeldwebel und einen Oberfeldwebel, gab es im Rahmen eines Kontingentfests eine förmliche Anerkennung durch Generalmajor Walter Huhn vom Zentrum Luftoperationen. "Sie haben im entscheidenden Moment genau richtig gehandelt und so Schlimmeres verhindert", so der Offizier.

Im Laufe der weiteren Wochen folgten zahlreiche Alarmstarts, bei denen die Piloten immer wieder auf russische Flugzeuge trafen. Darunter war im Oktober auch eine Transportmaschine mit einem hochrangigen russischen Vertreter an Bord. Im November beteiligte sich das Kontingent außerdem an der multinationalen Übung "Iron Wolf" in Litauen

Unklar ist unterdessen noch, in welcher Form die Heimkehrer in Neuburg empfangen werden. Diese Frage will Oberstleutnant Beck in den nächsten Tagen mit Kontingentchef Richter klären. Möglich wäre beispielsweise ein Begrüßungsappell.

Stefan Janda