Rennertshofen
Nach dem Elfmeterschießen Entsetzen im Pfarrhaus

Pfarrer Georg Guggemos ist Bayernfan und verfolgte mit den Ministranten das Finale / Trost am Sonntag

20.05.2012 | Stand 03.12.2020, 1:28 Uhr

Die Stimmung ist im Tief: Entsetzen packt Pfarrer Georg Guggemos (links) und seine Bayern-Anhänger nach dem Ende des Elfmeterschießens. Es war dennoch denkwürdiges „Public Viewing“ im Pfarrhaus - Foto: lm

Rennertshofen (lm) Der Ton ist am Ende fast wirsch: „Schluss jetzt. Aufräumen. Die Stühle runter in die Küche.“ Noch Augenblicke zuvor war man wie 30 Freunde zusammengestanden, Schulter an Schulter eingehakt, zum FC-Bayern-Schauen im Pfarrhaus.

Mit einem Schlag oder zwei Elfmeter – der eine an den Pfosten, der andere, der falsche drin im Tor von Maaanueeel – ist alles vorbei. Auch eine der außergewöhnlichsten Pfarrhaus-Partys.

Tristesse pur, Sprachlosigkeit, Entsetzen jetzt im Rennertshofener Pfarrhof, der zuvor drei Stunden in die ultimative Bayern-Festung umfunktioniert war. Jetzt aber fehlen Pfarrer Georg Guggemos schlichtweg die Worte. Nein, zu d e m Spiel wolle / könne er nichts sagen. „Ich bin bedient.“ Der fromme Mann hadert mit seinem Fußball-Gott, der Gerechtigkeit vielleicht, jedenfalls keine Gnade kennt. Die Fußballgötter in Rot hatten’s gründlich versemmelt, nahmen weiß Gott wie viele Einladungen zum Siegen einfach nicht an. Was für eine Tortur für einen echten Fan, ein solcher bekennenderweise Georg Guggemos ist, „seit ich denken kann.“ Mit seinem Fußballfieber hat er längst die halbe Jugend im Ort angesteckt, solchen Zulauf hatte Rennertshofens Ministrantengruppe lange nicht mehr.

Praxisnahe Seelsorge mag man so was nennen, auch wenn die Fan-Seele diesmal arg gebeutelt wurde. Alles war so schön angedacht, gut vorbereitet. Ein bisschen Südkurven-Feeling wollte man zaubern, dreißig Jugendliche lud der Pfarrer in seinen kurzerhand zur Arena erklärten Wohnsitz ein. Es herrschte Zeltplatz-Stimmung unter der barocken Stuckdecke, aus dem Herrgottswinkel grüßte jetzt die Bayernfahne, die Heiligenfiguren verteilt in der guten Stube nahmen’s wohl mit Langmut. Und wer weiß, was denen im Himmel nicht alles gefällt --- nein, nein, das nun kann nicht sein, das wäre jetzt doch blanke Blasphemie.

Die große Fahne flattert im Vorgarten, Rot-weiß war der vorgeschriebene Dresscode. Das Vorskandieren hat ein Pfarrer von Berufswegen schon mal drauf. Ein Passant auf der Straße, der mithört: auf einen Pfarrhof hätte er wegen der Geräuschkulisse wohl am wenigsten getippt. 45 Minuten gibt’s denn auch fast nur einen Schlachtruf: Ein Schuss, ein Tor, die Bayern!

Aber das Tor lässt auf sich warten. Mit fortschreitender Spieldauer wird Pfarrer Guggemos nachdenklich, als befiele ihn schon so eine Ahnung. Er hatte ja vor dem Spiel sowieso auf Verlängerung, Elfmeterschießen und da ein 5:4 selbstredend für seine Bayern getippt. Immer häufiger wird jetzt ein „kämpfen und siegen“ angestimmt. Dann das erlösende Tor – und schon singen 31 glückliche Kehlen: Zieht dem Pott die Lederhose an!

Das 1:0 ändert schlagartig Text wie Melodie: „Steht auf, wenn Ihr Bayern seid.“ Und gemeint sind damit nicht allein all die, die gerade noch rumlümmelten und mit einem Schlag senkrecht stehen.

Hörte man einen Namen eine Halbzeit überhaupt nicht, klingt’s jetzt mehrfach bittgebetsähnlich: Manuel soll’s, muss es richten. „Ball weg“, „passt doch auf“, „Bloß den Ball weg“: Doch mit dem Spiel kippte die Stimmung zusehends, dr anfängliche Elan bekommt etwas Verbissenes. Das Wechselbad der Gefühle spätestens nach Robbens verschossenem Elfer trotzt sowieso jeglicher Beschreibung.

Höchstpersönlich wollte Hochwürden den Autokorso durch die Marktstraßen anführen, und wohl zu willig nur wäre seine Gemeinde ihm gefolgt. Jetzt bleiben nur die Krümel auf dem Parkett, eine Wiederholung will niemand sehen. Trost vom Pfarrer gibt es am Sonntag wieder. Jetzt ist erst mal Schluss.