Neuburg
Raum für kreatives Potenzial

Am Neuburger Descartes-Gymnasium beginnt die Suche nach einer optimalen Lernlandschaft

06.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:05 Uhr
Moderne Pädagogik braucht nicht nur Klassenräume, sondern muss nach der "idealen Schule" suchen - so wie hier diese offene Lernlandschaft. Das Neuburger Descartes-Gymnasium sucht nach Möglichkeiten, die Sanierung, Erweiterung oder gar den Neubau der Schule nach optimalen und modernen Gesichtspunkten zu gestalten. −Foto: Obel Architekten GmbH

Neuburg (lm) Es war fast so was wie eine vorgezogene Bürgerbeteiligung. Dem Thema geschuldet, interessierte sich vornehmlich die Lehrerschaft dafür. Die ist vorrangig jetzt auch gefordert. Denn es geht um die Zukunft des Neuburger Descartes-Gymnasiums oder womöglich auch um Neuburgs neues Gymnasium.

Höchst aufschlussreich, was in dieser noch relativ frühen Denkphase der Eichstätter Hochschulprofessor Wolfgang Schönig, Lehrstuhl-Inhaber für Schulpädagogik an der Katholischen Universität (kl. Foto), an Anstößen und Anregungen auch zum Andersdenken jetzt in die Planspiele einbrachte.

Denn eines ist klar, so der Experte, der Schultypus von gestern und zumeist ja auch noch heute, letztlich Ausgeburt autoritätshörigen Denkens des 19. Jahrhunderts, hat ausgedient. Der verhindert Lernen eher denn er es fördert. Die Pädagogik heute ist eine andere, und dies bringt, noch bevor die Planer vernünftigerweise ihre Arbeit beginnen, die Pädagogen ins Spiel; Schönig: "Sie müssen die Schule finden, die zu Ihnen passt."

Den Grundsatzbeschluss hat die Politik schon mal vorgelegt. Neuburgs Descartes-Gymnasium ist zwar höchst traditionsreich, aber ist es auch noch zeitgemäß? Braucht es, auch solche Stimmen wurden schon laut, gar einen kompletten Neubaus? Planerische Hilfe weit noch im Vorfeld hat sich der Landkreis als Sachaufwandsträger der Schule durch das Donauwörther Architektenbüro Obel geholt. Für verschiedene zukunftsweisende Projekte zeichnen sich die Planer aus der Nachbarstadt verantwortlich, jetzt sind sie in die konzeptionellen Überlegungen für eine "pädagogische Architektur" eingebunden.

Die Vorgehensweise findet Pädagogik-Experte Schönig mustergültig, nicht mit Grundrissmaßen und Kubaturzahlen zu beginnen, sondern mit der im Grunde ganz einfachen und schwer genug zu beantwortenden Frage: Was wollen wir, was brauchen wir? Was fürs private Umfeld so einleuchtend ist, wie sehr Faktoren wie Raum, Farbe, Licht, insgesamt für die Atmosphäre wichtig, nicht selten ausschlaggebend fürs Wohlbefinden sind, gilt dies genauso, ja erst recht für ein Klassenzimmer und eine Schule insgesamt, wo Kinder künftig eher noch mehr Stunden verbringen werden?

Reglement und Ordnung waren die Tugenden der alten Schule, ausgehend von einem längst überholten und von der Wissenschaft widerlegten rein kognitiv vermittelten Lern-Begriff, der zudem für alle Schüler gleichermaßen Gültigkeit habe. Je weniger Ablenkung, je geringer die individuellen Spielräume dabei, desto besser nur, desto schneller sitzt, was der Lehrer, dem alle Blicke zu gelten haben, zu vermitteln trachtet.

Die Pädagogik heute weiß es besser, und das Wort sagt es im Grunde auch so wunderschön: begreifen. Das ist ein aktiver Prozess, Professor Schönig sucht den Vergleich mit dem Kleinkind, wie dieses durch Anfassen, Greifen Raum und letztlich sich selbst korrespondierend mit dem Raum "begreift". Was, um bei der Schule zu bleiben, nicht gegen einen Frontalunterricht spricht. "Den muss es auch geben", für den muss also genauso Raum sein, aber, so Schönig, die eine Unterrichtsform ist eben nicht alles. Daneben müsse genauso Platz für das kreative Potenzial, für Kommunikation und auch mal für ein Rückzugsrefugium sein.

Die Antwort auf all diese Forderungen zeitgemäßer Pädagogik kann nur ein möglichst flexibles Raumkonzept sein. Dazu gehört ein rasch umstellbares Mobiliar genauso wie Räume, die sich öffnen lassen, je nach Bedarf zu großen Verbünden, um genauso rasch wieder zu einem Gruppenraum zu werden. Bei laut werdenden Bedenken, gerade was den Brandschutz anbetrifft - das Descartes-Gymnasium kann davon sein ganz eigenes Lied singen - brachte Architekt Wolfgang Obel als konkrete Lösung Brandschutzbalkone ins Gespräch, gutes Regulativ zugleich für Raumlicht und als Schattenspender. So wird es dann oft auch möglich, die in aller Regel gut 40 Prozent Baumasse ausmachenden Erschießungsflächen teilweise mit zu nutzen, etwa in einer Curriculum-Anordnung mit drei, vier Klassenzimmern, die sich einer vielfach nutzbaren Mittelfläche hin öffnen.

Vor den Planern aber sind, das ist die Quintessenz des Abends, die Pädagogen jetzt gefordert. Wie Schulleiter Peter Seyberth unserer Zeitung gegenüber erläuterte, laufen die Überlegungen dazu schon geraume Zeit, schaute man sich verschiedene "Musterschulen" an, ohne freilich sein Ideal dabei schon gefunden zu haben. Die einzelnen Fachgruppen am Gymnasium beschäftigten sich auch schon intensiv mit dem Thema. Steht einmal das pädagogische Konzept, können oder müssen die Planer sagen: Das geht mit der bestehenden Substanz, da braucht's eventuell Erweiterungen. Oder: Da hilft nur ein Neubau.Foto: upd