Weichering
Der Mauerfall endet mit dem Fall der Mauer

Verwaltungsgerichtshof hat im Weicheringer Streit einen Kompromiss herbeigeführt - Abriss nur teilweise nötig

20.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:40 Uhr
Die Sitzecke links im Bild darf bleiben, auch die Mauer, an die sie sich anlehnt. Lediglich ein Teil muss auf 1,35 Meter reduziert werden. Die Wand zur Straße hin (Bildmitte im Hintergrund) muss komplett abgerissen werden. −Foto: Frank

Weichering (kpf) Der Weicheringer Mauerstreit ist gestern nach vierstündiger Gerichtsverhandlung vor dem 1. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit einem Vergleich auf die Zielgerade gebracht worden.

Ergebnis: Die Mauer am Anwesen von Joachim Markwart muss zur Straße hin komplett abgerissen werden. Die zum Nachbargrundstück muss im hinteren Teil auf 1,35 Meter Höhe zurückgebaut werden. Der Lattenzaun, der im Osten zu einem Feld hin weist, darf stehenbleiben. Bestand hat der Vergleich, wenn keine der beteiligten Parteien bis 29. März widerruft. Bürgermeister Thomas Mack stimmte zwar grundsätzlich zu, will aber eine Entscheidung des Gemeinderates abwarten.

Der Gerichtstermin gestern Vormittag hatte schon fast historische Bedeutung, nachdem der Streit um die Mauer bereits seit neun Jahren währt. Dass der 1. Senat in höchstrichterlicher Besetzung einen Vergleich zustande bringen würde, schien am Vormittag noch ungewiss, als sich drei Richterinnen, Elisabeth Steiner von der Landesanwaltschaft als Vertreterin des Freistaates und damit des Landratsamtes, Kerstin Funk als Anwältin der Gemeinde Weichering und Anwalt Hans Nüsslein mit seinem Mandanten Joachim Markwart, vier Vertreter des Landratsamtes, Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung Weichering und Bürgermeister Thomas Mack zum Lokalaugenschein aufmachten. Vorsitzende Richterin Beck, die die Verhandlung souverän und mit ruhiger Hand leitete, griff selbst zum Meterstab, um auch Zäune und Mauern in der Umgebung abzumessen, wobei schon zu diesem Zeitpunkt klar war, dass massive Mauern zu öffentlichen Flächen hin nicht zulässig sind.

Ein Blick in die Vergangenheit lohnt, auch wenn er schlimmstenfalls eher verwirrt als erhellt. Die knapp zwei Meter hohe Mauer steht seit März 2009 an dem Einfamilienhaus am Pfarranger. Das Haus ist reichlich mit Solarmodulen bestückt, der Garten hübsch in mediterranem Stil angelegt. Nach einer anonymen Anzeige bei der Gemeinde bekam die Idylle Risse. Die Gemeinde sieht in dem Umfriedungsgemäuer einen Schwarzbau, der sich mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht deckt, weil der Plan lediglich hölzerne oder metallene Einfriedungen, 1,10 Meter hoch mit 20 Zentimetern Sockelhöhe, zu öffentlichen Flächen hin zulässt. Die Gemeinde fordert seit Jahren den Abriss. Das Landratsamt erließ daraufhin eine Beseitigungsanordnung. Der Eigentümer klagte dagegen. Das Amt hob daraufhin seine Anordnung wieder auf, wegen missverständlicher Formulierungen. Damit wäre die Sache erledigt gewesen, doch die Gemeinde wollte nun ihrerseits die Rücknahme der Beseitigungsanordnung nicht akzeptieren und zog vor das Verwaltungsgericht. Die Anordnung trat wieder in Kraft, womit sich der Kreis schloss. Dagegen klagte Markwart. Und diese Klage war gestern Gegenstand des Verfahrens, das die Vorsitzende Richterin final zu entscheiden entschlossen schien. Streckenweise wurden Begrifflichkeiten wie "können", "dürfen" und "müssen" erörtert. Die Frage stand im Raum, können Laien den Bebauungsplan überhaupt verstehen. Die Vorsitzende Richterin meinte, dies sei der Fall, wie der Rundgang durch die Siedlung gezeigt habe. Dennoch räumte Richterin Beck ein: "Ich denke, dass wir als Juristen zu problematisch denken." Eine Erkenntnis, die die Laien im Sitzungssaal des Rathauses mutmaßlich unterschrieben hätten.

"Dass der Kläger die Mauern behalten kann, das geht nicht", fasste Beck im Laufe der Verhandlung zusammen. Nach vorne, zur Straße hin gebe es keinen Rechtsanspruch darauf. Kläger Joachim Markwart hingegen waren "die beiden Mauern sehr wichtig, weil sich drinnen ein kleinräumiges Biotop entwickelt hat". Zur Beseitigung unzulässiger Bauten dürfe sogar ein Biotop zerstört werden, klärte ihn die Richterin auf: "Eine Mauer muss weg." Landesanwältin Elisabeth Steiner warnte vor einem Präzedenzfall: "Die Mauer widerspricht allem, was man in diesem Baugebiet sehen wollte." Der Eigentümer und sein Anwalt Hans Nüsslein zeigten sich kompromissbereit, auch mit einem teilweisen Rückbau der Mauer zum Nachbargrundstück hin. Nun muss auch die Gemeinde mitspielen. Vorsitzende Richterin Beck stellte fest: "Das Gericht ist aus München gekommen und hat sich echt Mühe gegeben. Ich setze voraus, dass sich auch der Bürgermeister vehement dafür einsetzt." Das soll am Montag in der Ratssitzung geschehen. Stimmt das Gremium dem Kompromiss zu, hat Joachim Markwart die Mauer zur Straße hin bis 30. November komplett zu beseitigen und die zur Nachbarin hin im hinteren Teil auf 1,35 Meter zu reduzieren, andernfalls droht eine Vertragsstrafe von jeweils 500 Euro. Der Vergleich kann bis 29. März bei Gericht widerrufen werden. Damit würde sich ein neun Jahre alter Streit fortsetzen. Die Beteiligten zeigten sich mit dem Ausgang des Verfahrens mehr oder minder zufrieden. Markwart fand es noch zu früh, das Ergebnis zu kommentieren.