Pfarrer
Sein Gotteshaus ist ein Krankenhaus

13.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:47 Uhr

Neuburg (DK) Pfarrer Anton Tischinger ist Seelsorger in den Neuburger Kliniken St. Elisabeth. Er bewundert Papst Franziskus, hat im Büro einen direkten Weg zu Gott und scheut sich zuweilen nicht, die Kirche offen zu kritisieren.

Anton Tischinger lacht gerne und viel. Und Lachen ist ja die beste Medizin. Sagt zumindest ein altes Sprichwort. Da passt es, dass der Pfarrer in einem Krankenhaus arbeitet. In den Kliniken St. Elisabeth in Neuburg ist der Geistliche als Seelsorger beschäftigt. Pfarrer sein ist sein Leben, sagt er voller Überzeugung. Er genießt jeden Tag. Auf einen Samstag in diesem Juli freut er sich aber ganz besonders.

Das Büro von Anton Tischinger ist relativ klein und spartanisch eingerichtet. Ihm macht das nichts aus. "Ich bin ja ohnehin viel im Krankenhaus oder draußen unterwegs", sagt er. Etwa dann, wenn er in der Kapelle eine Messe hält. Sonntags kommen in der Regel 20 bis 40 Besucher zu Tischingers Gottesdienst. Über sein Büro hat er einen Zugang zur Kapelle des Krankenhauses. "Mein direkter Weg zu Gott", sagt er. Und grinst.

Der Seelsorger vergleicht die Kirche gerne mit einer Berghütte. "Leute kommen hierher, um Gast zu sein und um - nach einer vielleicht anstrengenden - nun eine gute Zeit zu haben." Kirche müsse den Leuten dienen. Das bedeute, auch zu akzeptieren, wenn jemand anders ist und anders denkt. "Wichtig ist, authentisch zu bleiben. Ich will nicht nur den Glauben, sondern auch Glaubwürdigkeit in mein Amt einbringen."

Ja, authentisch ist Anton Tischinger. Er sagt, was er denkt. Zum Beispiel, dass er die Kirche für zu technokratisch hält. "Die Kirche ist einfach zu überladen mit Theorien und dogmatischen Ansätzen. Der Mensch bleibt da oft ein wenig auf der Strecke. Und der Mensch ist das Thema, worum es gehen muss, das Wichtigste." Die reine Lehre sei zwar bedeutsam, aber nicht zentral. Es müsse menscheln.

Aus diesem Grund ist er von Papst Franziskus begeistert. "Ich bin ein großer Fan von ihm und bewundere, wie er seine Arbeit macht. Es wäre toll, wenn er noch lange Papst bleiben könnte." Auch was die kürzliche Enthebung hochrangiger Personen aus deren Ämtern im Vatikan betrifft, sei er "voll auf Franziskus' Seite." Der Pontifex habe eine Zeitenwende in der Kirche eingeläutet, die der Neuburger Seelsorger nicht für möglich gehalten hätte.

Die Entlassung Gerhard Ludwig Müllers aus den Würden des obersten Glaubenshüters kann Tischinger nachvollziehen. "Der Papst und Müller konnten nie besonders gut miteinander." Die Aufbruchstimmung unter Franziskus ließe sich eben nicht besonders gut mit dem streng konservativen Kirchenbild Müllers vereinbaren. Tischinger wird deutlich, wenn es um Kirche und Missbrauch geht. Im Hinblick auf Täter aus dem Kirchenkreis sagt er: "Solche Leute sind meiner Meinung nach nicht mehr tragbar."

Anton Tischinger sieht es als eine seiner wichtigsten Aufgaben, Glauben zu transportieren. Lieber aber in einer Helferposition denn in einer Lehrerrolle. Sein Credo: Die Leute der Kirche sind nicht die Herren der Menschen. Man trage eine Verantwortung für die Gemeinden. Der Pfarrer sagt: "Es ist schon so, wie Apostel Paulus zur Kirche sagte: 'Ihr sollt Diener der Freude sein'." Der Kirche von heute fehle der Service-Charakter.

Diesen versucht Tischinger bei seinen Rundgängen in der Klinik zu vermitteln. Meistens hat er dabei gute Laune. "Immer geht das aber nicht. Demenzfälle oder Patienten auf der Palliativstation, das geht schon an die Nieren", so der Seelsorger. Auch wenn er den Job in Neuburg nun schon seit fünf Jahren macht - Routine zu entwickeln, fällt ihm schwer. Dennoch liebt Anton Tischinger seinen Beruf - für ihn ist das Seelsorgeamt eine Berufung. "Wenn es diese tolle Aufgabe nicht gäbe, müsste man sie erfinden", so Tischinger, der selten um einen lockeren Spruch verlegen ist. Er kann auch ernst werden. "Die gegenwärtige Diskussion um die Ehe für alle kann ich nicht verstehen", sagt er. "In einer Ehegemeinschaft müssen Treue und Liebe die erste Geige spielen. Da ist es doch nicht wichtig, ob diese Werte von einer Frau und einem Mann oder einem gleichgeschlechtlichen Paar getragen werden." Hätte also auch der Seelsorger für die Gleichstellung der Homo-Ehe gestimmt? "Ja natürlich. Alternativlos."

In gut zwei Wochen feiert Anton Tischinger sein 40-jähriges Dienstjubiläum. Am Samstag, 22. Juli, gibt es ab 18 Uhr in der Heilig-Geist-Kirche ein Jubelfest mit Sektempfang. "Natürlich freue ich mich schon darauf", sagt der Pfarrer. Alles bis ins letzte Detail durchplanen will er jedoch nicht. Das würde auch nicht so recht zu ihm passen. "Es soll einfach ein würdiger Tag werden. Eine Begegnung der Liebe. Jeder ist dazu herzlich eingeladen." Ob nun Ehrenamtliche aus der Pfarrei, Gläubige von weiter her oder Menschen, die inzwischen aus der Kirche ausgetreten sind. Anton Tischinger ist das egal. Er macht nicht gerne Unterschiede. Bei Menschen erst recht nicht.

Werdegang


Anton Tischinger wurde 1948 in Augsburg geboren. Er machte in Dillingen sein Abitur, bevor er von 1971 an für insgesamt sechs Jahre an den Unis in Augsburg und Freiburg die Fächer Philosophie und Theologie studierte. Nach dem Studium wurde er 1977 in Augsburg zum Priester geweiht. Die Dienstjahre als Kaplan brachte Anton Tischinger in Bobingen zu. Seine Doktorarbeit schrieb er zum Thema "Das Phänomen der Schuld oder der Mensch zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit". Tischinger wirkte als Stadtpfarrer von Nördlingen, ehe es ihn als Militärseelsorger nach Koblenz und München verschlug. In Neuburg arbeitet er eng mit Stadtpfarrer Herbert Kohler zusammen, mit dem er sich nach eigenen Angaben mindesten alle 14 Tage trifft. Regelmäßig hält er auch Gottesdienste außerhalb des Krankenhauses - zum Beispiel in der Heilig-Geist-Kirche in Neuburg - oder wird für Hochzeiten und Taufen angefragt.

Klinik-Seelsorge


Die Seelsorge der Kliniken St. Elisabeth verfolgt ein großes Ziel: den Besuchern den Aufenthalt so angenehm gestalten, wie es geht. Damit das möglich ist, stehen Ärzte, Pflegepersonal und Therapeutinnen für Gespräche zur Verfügung - "jedereit und rund um die Uhr" sowie unabhängig von der religiösen Gesinnung des Patienten. Die seelsorgerlichen Gespräche sollen die Menschen begleiten, damit diese Heilung für ihre Seele und ihren Körper finden können. In der Kapelle der Klinik im Erdgeschoss können die Menschen Abgeschiedenheit und Stille erfahren.