Er
Ein Gipfelstürmer mit kritischem Geist

03.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:33 Uhr

Er will Seelsorger und nicht Bürohengst sein. Und doch leitet der Neuburger Pfarrer Herbert Kohler in St. Peter und Heilig Geist einen riesigen Verwaltungsapparat. Die Probleme sind vielfältig - so wie die Hürden, die der 50-Jährige auf seinem Weg überwunden hat.

Der tägliche Weg von seiner Wohnung in der oberen Altstadt zum Arbeitsplatz in der unteren Stadt und wieder zurück ist für Herbert Kohler ein Klacks. Kein Wunder, immerhin ist der Neuburger Stadtpfarrer ein geübter Bergsteiger, der sich in seiner Freizeit mit Bewegung fit hält. Doch so einfach ihm die Strecke zwischen St. Peter und Heilig Geist, den beiden namensgebenden Kirchen der Pfarreiengemeinschaft, fällt, so steinig waren vor mittlerweile fünf Jahren die ersten Monate im damals neu gegründeten Verbund. So steinig, dass das Kapitel Neuburg für Kohler nach einem halben Jahr beinahe wieder vorüber gewesen wäre.

Es waren massive Zweifel, die den heute 50 Jahre alten Seelsorger damals geplagt haben. "Ich scheue nicht vor schwierigen Herausforderungen zurück", betont Kohler, zuvor immerhin in verantwortlicher Position in der Priesterausbildung in Augsburg tätig. Doch die Aufgabe, die Verantwortung für 50 Mitarbeiter und 30 Immobilien in der neu geschaffenen Pfarreiengemeinschaft, scheute er. "Da habe ich mich schon gefragt: Was macht die Kirche mit uns Pfarrern", sagt er und stellt unmissverständlich klar: "Wenn ich keine Hilfe bekommen hätte, wäre ich heute nicht mehr hier." Doch Augsburg erhörte den Hilferuf aus Neuburg - in Person des heutigen Verwaltungsleiters Georg Gabriel, der Kohler die nötigen Freiheiten für die Seelsorge gibt. Und die hat es durchaus in sich: Rund 300 Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen stemmen Kohler und seine derzeit zwei Kapläne. Dazu die normalen Gottesdienste für insgesamt 10 500 Katholiken. "Ohne Gabriel und das gesamte Team, auch die vielen Ehrenamtlichen, würde das alles nicht funktionieren."

Das alles, das bedeutet für den gebürtigen Allgäuer, der sich heute sichtlich wohl in Neuburg fühlt, eine Vielzahl an unterschiedlichen Tätigkeiten. Und genau die macht die Arbeit als Pfarrer in seinen Augen so attraktiv. "Die große Vielfalt an meinem Beruf ist sexy", findet Kohler, der den Kontakt zu den Menschen in Neuburg und Umgebung schätzt. Aus diesem Grund steht er auch einer Abschaffung des Zölibats eher skeptisch gegenüber. "Dessen Sinn ist es doch, als Pfarrer frei für viele andere Beziehungen sein zu können." Doch diese Freundschaften muss ein Seelsorger aus seiner Sicht auch pflegen, "sonst können schon eigentümliche Gestalten herauskommen". Kohler, der über Jahre hinweg mit jungen Priestern gearbeitet hatte, weiß aber auch, dass die katholische Kirche dringend Nachwuchskräfte braucht. "Dass in unserem Land vitale Männer diese Tätigkeit wegen des Zölibats nicht ergreifen, ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können", findet der Fan von Papst Franziskus und dessen Reformwillen. Daher fordert Kohler einen zweiten Zugangsweg in den Beruf, auch für verheiratete Männer, die sich durch ihre Tätigkeit bewährt haben.

Seinen eigenen Werdegang bezeichnet der Stadtpfarrer als "klassischen Weg". Und als rasanten noch dazu: Schon mit 24 Jahren empfing der Schwabe die Priesterweihe. Kohler selbst sieht diesen Tag damals im Augsburger Dom als Schlussstein eines großen Mosaiks. Denn für ihn waren es viele Kleinigkeiten, die alle zusammen dazu betrugen, dass aus ihm ein Pfarrer wurde. Der Vater, der nach der Gefangenschaft im Zweiten Weltkrieg als Laie dem Dritten Orden der Benediktiner angehörte, der Jugendpfarrer, der den jungen Herbert Kohler prägte, das Interesse für und die Auseinandersetzung mit der Kirche, die Selbstverständlichkeit, mit welcher der Glauben zum Alltag der Familie gehörte - alles kleine Steine im großen Ganzen. "Aber alle allein nicht entscheidend", betont er.

Dennoch erlebte Kohler während seiner Ausbildung einen Moment, der ihn persönlich ins Straucheln brachte. "Ich war schwer verliebt, in eine tolle Frau", erinnert sich der Geistliche an die Liebesbeziehung, die er im Zuge seines sogenannten Freijahres im Studium in Würzburg erlebte. "Eine schwierige Zeit, die mich zum Zweifeln brachte." Doch der Wunsch, Priester zu werden, ließ Kohler nie los, seine Freundin hingegen schon. "Sie hat gespürt, dass ich nicht davon wegkomme, und hat mich gehen lassen", erzählt er. Auf ein schwieriges siebtes Semester, das den jungen Mann am eingeschlagenen Weg zweifeln ließ, folgte schließlich eine Entscheidung. "Eine, die ich bis heute nie bereut habe."

Viel Freizeit bleibt im stressigen Berufsalltag allerdings nicht. Und wenn doch, dann zieht es Kohler in die Dolomiten, ins Allgäu oder nach Tirol. Die irische Natur fasziniert den Geistlichen ebenfalls. Und sein großes Hobby, das Schachspiel - "entweder im Schachklub oder im Internet gegen Gegner auf der ganzen Welt". Dass er sich für dien geistige Fitness gelegentlich die Nächte um die Ohren schlägt, stört Kohler nicht. Er sei ohnehin eher ein Nachtmensch, verrät er. Früh aufstehen - ein Graus. Gut, dass ihm der Weg ins Büro keine Probleme bereitet.