Neuburg
"Wir schnallen den Gürtel enger"

Landrat Roland Weigert im Interview

12.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr

Pro Nationalpark: Roland Weigert, Landrat von Neuburg-Schrobenhausen, fordert endlich einen Dialog mit den Bürgern. - Foto: Janda

Neuburg (DK) Der Kreis Neuburg-Schrobenhausen steht vor großen Aufgaben. Im Interview erklärt Landrat Roland Weigert, wie er all die Projekte stemmen will, warum die Kreisumlage heuer nicht zu hoch ist und wie seine eigene politische Zukunft aussehen könnte.

Herr Weigert, das Mammutprojekt der nächsten Jahre, der Neubau der Paul-Winter-Realschule, läuft schleppend an. Ist der Kreuter Weg vielleicht doch der falsche Standort?

Roland Weigert: Nein, das Projekt läuft wie alle anderen Projekte auch an. Es geht ja nicht nur um das Sichtbare, sondern auch um den planerischen Teil. Und der läuft sehr gut. Tatsache ist: Derzeit ruhen die Arbeiten witterungsbedingt, gleichzeitig laufen die archäologischen Untersuchungen. Das ist ganz normal, damit haben wir gerechnet.

 

Die ersten Ausschreibungen haben jedoch enorme Kostensteigerungen gebracht. Wie geht es nun weiter?

Weigert: Wir haben einen Teil wieder aufgehoben, weil die Angebote mehr als zwei Millionen Euro über der Kostenschätzung lagen, und anschließend neu ausgeschrieben. Bei anderen Gewerken kommen wir aber sogar günstiger weg. Voraussichtlich Ende Januar oder Anfang Februar werden wir wissen, was das für den zeitlichen Fahrplan bedeutet.

 

Bleibt ein Unterrichtsstart 2019/2020 noch realistisch?

Weigert: Das sehen wir dann.

 

Der Kostenrahmen liegt bei rund 35 Millionen Euro. Wo ist Ihre Schmerzgrenze?

Weigert: Die gibt es sicherlich. Wo sie liegt, lässt sich derzeit aber nicht beziffern. Das müssten die Kreisräte festlegen. Mit der Neuausschreibung haben wir das Gewerk ja nicht gleich ausgeschrieben, sondern alles angepasst. Die Planungen werden dadurch auf gewisse Weise fortgeschrieben.

   

Alles andere als unumstritten ist auch der mögliche Nationalpark in den Donau-Auen. Wie sehen Sie die Chancen, dass die Region zum Zug kommt?

Weigert: Wir stehen mit unserem künftigen Ministerpräsidenten Markus Söder vor einer Zeitenwende im Freistaat. Horst Seehofer hat ein klares Bekenntnis für den dritten Nationalpark abgeliefert. Die Frage bleibt, wie das bei Söder aussieht. Wie ich gehört habe, sieht er das Projekt eher kritisch. Wir - also meine Stellvertreter Alois Rauscher, Sabine Schneider und ich - haben von Anfang an gesagt, diesen Prozess ergebnisoffen zu halten, so dass wir am Ende eine fundierte Entscheidung treffen können.

 

Die Chancen schwinden also?

Weigert: Das muss München entscheiden. Für uns ist der Punkt entscheidend, dass der Freistaat seine Hausaufgaben machen muss.

 

Ein Kritikpunkt der Gegner ist der Dialog mit den Bürgern, der kaum stattfindet. Was muss sich verbessern?

Weigert: Dieser Dialog muss nun stattfinden, das ist das A und O. Dazu gehört unter anderem ein Projektbüro in der Region. Die spekulative Note an dem Thema muss endlich verschwinden. Wir würden uns viel sparen, wenn es endlich Konkretes geben würde. Unterm Strich gesagt: Es wäre doch so einfach, diesen Dialog auf den Weg zu bringen.

 

Wird es nicht auch Zeit, dass Sie sich als Landrat klar als Befürworter outen?

Weigert: Das habe ich schon getan, ich habe ja gesagt, ein eiserner Gegner des Nationalparks zu sein, falls der Flutpolder in Bertoldsheim kommt. Beide zusammen gehen für mich nicht. Sollte die Nationalparkverordnung so sein, dass Chancen greifbar sind, dann werde ich auch dafür sein.

 

Kommt ihre Positionierung nicht zu spät?

Weigert: Nein, unser künftiger Ministerpräsident müsste aus dem Umweltministerium längst wissen, dass sich der Weigert draußen für einen offenen Prozess hinstellt. Wenn das nicht so ist, dann ist auch der Dialog innerhalb der Staatsregierung falsch gelaufen.

Sie standen zuletzt wegen der vorgesehenen Höhe der Kreisumlage in der Kritik. Hat man hier zu hoch angesetzt - zumal die Umlagekraft der Gemeinden ohnehin gestiegen ist?

Weigert: Sicherlich nicht, wir hätten sogar noch höher ansetzen müssen, weil die Vielzahl an geplanten Maßnahmen dazu führt, dass die Verschuldung ansteigt. Als wir gemerkt haben, dass wir aus gemeindepolitischen Gründen keine Mehrheit bekommen, haben wir gesagt: Okay, es muss auch anders gehen. Das heißt: Wenn es so eine dichte Front an Bürgermeistern gibt, werde ich das so akzeptieren - mit der Perspektive auf einen Hebesatz von 53,0 Prozent.

 

Eine Absichtserklärung für diese Erhöhung gibt es aus dem Kreistag. Ist das aus Ihrer Sicht nun in Stein gemeißelt?

Weigert: Wenn ich heute ein Ja gebe, dann ist das auch ein Ja. Ich gehe davon aus, dass das auch im Kreistag gilt - außer es passiert irgendetwas Unerwartetes. Demnächst haben wir außerdem eine Arbeitsgruppe hier, in der wir die komplette Investitionsplanung noch mal durchgehen. Da werden wir auch unser Kreisstraßennetz überprüfen und zur Debatte stellen, welche davon wegen ihrer Bedeutung eigentlich eine Gemeindestraße oder eine Staatsstraße sein sollte. Wir werden den Gürtel enger schnallen, so wie es die Bürgermeister fordern. Das müssen die Gemeinden aber auch mittragen.

 

Das klingt nach einer Retourkutsche.

Weigert: Nein, ich bin ein Mensch, der nicht nach hinten blickt. Die Zukunft ist schwer genug. Da versuche ich, mit dem Kreistag für den Landkreis das Beste herauszuholen. Gefragt ist aus meiner Sicht aber auch der bayerische Gemeindetag, der darauf hinwirken sollte, dass die Frage der kommunalen Finanzierung auf höherer Ebene diskutiert wird. Die Kommunen übernehmen heute doch derart viele staatliche Aufgaben, beispielsweise in der Kinderbetreuung. Da läuft vieles falsch.

 

Mehrere Bürgermeister haben eine Erhöhung wegen der millionenschweren Haushaltsreste des Kreises abgelehnt. Wo kommen diese Millionen Euro her?

Weigert: Das Wesen eines Haushaltsrestes ist doch, dass man etwas geplant hat, was dann nicht zur Realisierung kam. Die Maßnahmen fallen deshalb aber nicht aus dem Haushalt raus, die Schulden dafür müssen wir trotzdem aufnehmen. Das ist doch nur Augenwischerei, das als Argument aufzuführen. Dabei sind zudem nicht immer nur wir die Bremser. Manchmal waren wir auch zu ehrgeizig. Aufgabe eines Amtsleiters ist es aber, eine Verwaltung unter Dampf zu halten, damit sich was bewegt.

 

Was sagen Sie zum Vorwurf, der Haushalt sei oftmals künstlich aufgebläht?

Weigert: Einen aufgeblähten Haushalt hatten wir noch nie. Beim Bestellen sind die Bürgermeister und Kreisräte manchmal sehr gut, beim Bezahlen sieht es oft anders aus. Daher werden wir künftig über eine Schuldenobergrenze des Landkreises sprechen. Wer will, dass wir anders agieren, muss auch mitspielen. Dann müssen wir unsere Finanzplanung entsprechend anpassen. Und dann werden wir die Möglichkeiten sehen.

 

Bleiben wir bei den Finanzen: Neben der Realschule stehen mit dem Neubau der Brücke bei Bertoldsheim, dem neuen Schülerwohnheim und der Sanierung des Gymnasiums in Neuburg weitere Millionenprojekte auf der Agenda. Gleichzeitig steigt der Schuldenstand wohl auf mehr als 60 Millionen Euro. Wie wollen Sie das finanzieren?

Weigert: Gute Frage. Ich habe kein Patentrezept, weil wir ein umlagefinanziertes System sind und keine eigenen Steuereinnahmen haben. Daher halte ich das System einer Schuldenobergrenze für gut, weil es für eine gewisse Disziplin sorgt. Wenn die Gemeinden etwas nicht über die Umlagen bezahlen wollen, dann müssen wir ein Projekt eben schieben. Wir sind sehr wohl dran, die kommunalen Finanzen verantwortlich zu entwickeln.

 

Neben all diesen Projekten soll ein Campus der THI in Neuburg entstehen, an dessen Vorbereitungen Sie mitarbeiten. Ein realistisches Projekt?

Weigert: Das ist ein hochrealistisches Projekt. Eine Studie des Strukturkreises wird dem Ministerrat demnächst vorgelegt. Darin sind ganz klare Ansatzpunkte für die nächsten Schritte aufgelistet - bis hin zu einem Zeitplan. Insgesamt geht es um eine Investitionssumme von 130 Millionen Euro. Wenn der Ministerrat zustimmt, wird aus dieser Vision Realität.

 

Auch ohne Horst Seehofer?

Weigert: Ich gehe davon aus, dass Horst Seehofers Wort auch bei Markus Söder gilt.

 

Voraussetzung für den Campus ist die Auflösung der Gemeinschaftsunterkunft. Wo sollen die Asylbewerber hinziehen?

Weigert: Das ist zunächst eine Frage der Stadt. So ist es auch im Vertrag zwischen Stadt, Landkreis und Sozialministerium festgehalten. Darin ist von "einem entsprechenden Ersatz" die Rede, den die Stadt bei Bedarf schaffen muss.

 

Das sieht Neuburgs Oberbürgermeister Bernhard Gmehling anders. Er spricht von einer deutlichen Verringerung der Zahl der Asylbewerber.

Weigert: Wie er darauf kommt, dass Neuburg weniger liefern soll, weiß ich nicht. Diese Diskussion hat meiner Meinung nach ein Maß von Unwürdigkeit erreicht, das seinesgleichen sucht. Diese Debatte sollte beim Kreisvorsitzenden des BRK vielmehr von Humanität geprägt sein. Denn es geht immer noch um Menschen. Wenn ich schon als Stadt eine Investition in dieser Höhe und einen strukturpolitischen Impuls des Freistaats bekomme, dann würde ich mir als Verantwortlicher Gedanken machen, was der moralische Anspruch an mich ist. Als Landrat ist es für mich Gebot, die humanitäre Unterbringung der Asylbewerber sicherzustellen.

 

Falls die Auflösung nicht rechtzeitig klappt: Wäre die bis dahin frei gewordene Realschule eine Übergangslösung für Vorlesungen?

Weigert: Wenn sie bis dahin leer steht: möglicherweise.

 

Was müsste dafür passieren?

Weigert: Dafür bräuchten wir einen Beschluss des Kreistags, weil es sich um kommunales Vermögen handelt. Denkbar wäre das durchaus, weil wir die Entwicklung der Städte und Gemeinden nach Kräften unterstützen - sofern die Rahmenbedingungen passen. Da wären wir gesprächsbereit, um das hinzubekommen.

 

Ihre erneute Kandidatur als Landrat in zwei Jahren steht so gut wie fest. Gleichzeitig haben Sie zuletzt mit dem oberbayerischen Bezirkstag geliebäugelt.

Weigert: Nachdem es geheißen hatte, dass Robert Knöferl als Bezirksrat aufhören wollte, habe ich lange nachgedacht. Es wäre doch eine Sache, als Landrat über den Bezirkstag in den Aufsichtsrat des Klinikums Ingolstadt zu kommen. Das wäre auch im Hinblick auf das Kreiskrankenhaus Schrobenhausen eine attraktive Möglichkeit. Daher wollte ich meinen Hut in den Ring werfen. Vor Weihnachten hat sich aber abgezeichnet, dass Rudi Koppold aus Schrobenhausen ebenfalls Interesse am Bezirkstag hat. Die Situation einer Kampfkandidatur will ich aber auf keinen Fall. Das soll ruhig er machen.

 

Aus parteipolitischer Sicht wäre es als Landrat aber sinnvoll, um womöglich mit ihrem Stimmpotenzial das Direktmandat zu erobern.

Weigert: Ich persönlich trete nicht an, um einer anderen Partei etwas wegzunehmen. Bei mir steht vielmehr eine Aufgabe im Mittelpunkt. Der Bezirkstag hätte für mich in München eine größere Präsenz bedeutet, da hätte ich einen Mehrwert gesehen - auch bei der Bezirksumlage.

 

So wie das klingt, schließt sich eine Landtagskandidatur aber doch eher aus. Würden Sie im Maximilianeum für den Landkreis denn mehr erreichen?

Weigert: Gute Frage. Das schließt sich aber nicht aus, finde ich. Auch als Abgeordneter kann man viel für seine Heimat bewegen. Die Möglichkeiten sind allerdings völlig andere als bei einem Landrat. Ich mache diesen Job immer mit Leidenschaft. Am Ende ist die Frage, was die Freien Wähler von mir erwarten.

 

Sie selbst haben sich zuletzt eher als Fan von Ministerpräsident Horst Seehofer gezeigt. Was erhoffen Sie sich von seinem Nachfolger Markus Söder?

Weigert: Mein erstes Treffen mit ihm war bei meinem ersten Ministerbesuch als Landrat im Landkreis. Zur Begrüßung hat er gleich gesagt: "Wir kennen Sie in München schon, wir beobachten Sie genau." Nachdem er ein so fürsorgliches Auge auf mich und diesen Kreis hat, gehe ich davon aus, dass die epochalen Entscheidungen von Horst Söder (lacht) - schreiben Sie das so - für diesen Landkreis Bestand haben werden.