Neuburg
Vereint und doch getrennt

"Der liebe Gott hat das Donaumoos dazwischen gelegt": Die Vernunftehe Neuburg-Schrobenhausen bleibt spannungsreich

26.03.2012 | Stand 03.12.2020, 1:40 Uhr

 

Neuburg (DK) „Bistum – bleibst dumm“, lautete der Brechstangenreim auf der Fahrbahn. Ein Unbekannter hatte seine Meinung in jenen Tagen, als die Zukunft Neuburgs unsicher war, schriftlich kundgetan. Es war der plakative Protest gegen eine Fusion mit Eichstätt zu einem Nordlandkreis. „Was sollen wir denn beim Bischof“ Das war keine Frage, vielmehr Weltanschauung und alsbald Slogan im Jahr 1971, wie sich SPD-Stadt- und Kreisrat Horst Gutjahr erinnert. Bei der bayerischen Gebietsreform im Jahr 1972 änderte sich im Gebiet zwischen Ingolstadt und Augsburg sehr viel: Der Landkreis Neuburg kam von Schwaben nach Oberbayern und wurde dort mit dem Kreis Schrobenhausen vereinigt. Bis heute knirscht es zwischen beiden Kreis-Schwerpunkten.

Bei den ursprünglichen Planungen sollte Eichstätt Kreissitz werden, Neuburg hätte sich einer kleineren Stadt unterordnen sollen. In Neuburg sprach man vom Treppenwitz der bayerischen Geschichte, als die Absicht ruchbar wurde. Hinweisschilder Richtung Eichstätt wurden schwarz übermalt. „Wir wollten den Kreis Neuburg selbstständig halten“, so Gutjahr, der damals als junger Lehrer von Thierhaupten nach Neuburg gekommen war. Die Lösung Neuburg-Eichstätt war bald vom Tisch, der damals junge CSU-Landtagsabgeordnete und spätere Landrat Richard Keßler und der Eichstätter Landrat Konrad Regler hatten sich dagegen gestemmt.

Die neue Konstellation hieß Neuburg-Schrobenhausen. Diese Lösung war eher aus der Not geboren, ihr behelfsmäßiger Charakter sollte lange nachwirken. „Wir haben das nicht mit großer Euphorie aufgenommen“, weiß der langjährige Kommunalpolitiker Gutjahr. Und Schrobenhausen hätte lieber mit Pfaffenhofen eine Einheit gebildet. „Neuburg war damals isoliert“, gesteht Richard Keßler zu. Es habe weder Gemeinsamkeiten mit Eichstätt noch mit Schrobenhausen gegeben. Als im Zuge der Reform auch noch Rain und Thierhaupten ausgegliedert wurden, „wollte keiner aus dem Süden als Partner zu uns“, erinnert sich Keßler an die Stimmung 1971.

So wurde die Ehe Neuburg-Schrobenhausen ohne rechtes Feuer bei den Beteiligten geschlossen. Bei der ersten Landkreiswahl schnitten die Kandidaten von der Donau schlecht ab. Im Raum Neuburg war klar, das Rudolf Roßkopf aus Bertoldsheim Landrat werden würde. Die Rechnung ging nicht auf. Der Schrobenhausener Jurist Walter Asam machte das Rennen – und bis heute wird kolportiert, dass ihm das Amt angeboten wurde, falls sich Schrobenhausen mit Neuburg zusammenschließt.

Es knisterte also. Selbst unter politischen Glaubensbrüdern mochte sich das Wir-Gefühl nicht einstellen. „Die Schrobenhausener waren immer misstrauisch und bei allem, was aus Neuburg kam, haben sie befürchtet, benachteiligt zu werden“, weiß Gutjahr.

Aber auch umgekehrt verstand man sich nicht als Einheit. Als Finanz- und Landwirtschaftsamt an die Paar wechselten, hagelte es Proteste in Neuburg. Als dann in der Großen Kreisstadt eine Zweigstelle des Finanzamtes eröffnet wurde, die personell stärker war als das Mutterhaus in Schrobenhausen, war man dort wieder höchst alarmiert. Und natürlich das Autokennzeichen. Zeitweise wurden sogar die Buchstaben „NS“ diskutiert. Schließlich obsiegte das „ND“.

Nach Walter Asam und Richard Keßler ist Roland Weigert der dritte Landrat, der versucht, die Einheit des Landkreises heraufzubeschwören. Gutjahr rückblickend: „Man hat sich immer bemüht, aber eigentlich sind es zwei Gebilde geblieben, die nebeneinander existieren.“

Unter Politikern kursiert beizeiten das Bonmot: „Der Mensch soll nicht etwas zusammenfügen, bei dem doch der liebe Gott das Donaumoos dazwischen gelegt hat, um es zu trennen.“ Richard Keßler sieht es etwas anders. „Es ist eine Vernunftehe. Aber die ist manchmal dauerhafter als eine Liebesheirat.“