Neuburg
Stressreiche Traumfabrik Hollywood

Mit "Mondlicht und Magnolien" gelang ein unterhaltsamer Komödienabend

12.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr
Auch eine geplatzte Ader im Auge von Regisseur Victor Fleming (David Meyer, Mitte) kann Filmproduzent David O. Selznick (Stefan Holm, r.) nicht davon abhalten, weiter Druck auf ihn und Autor Ben Hecht (Martin Behlert) auszuüben, um das Drehbuch in Rekordzeit fertigzustellen. −Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Erdnüsse knirschen unter ihren Füßen, die Krawattenknoten geraten immer tiefer Richtung Bauchnabel, irgendwann rutschen die Hemden aus den Hosen und die Protagonisten auf herumliegenden Bananenschalen aus.

Ein gelungener Komödienabend mit Ron Hutchinsons "Mondlicht und Magnolien".

Ein Drehbuchautor, der in fünf Tagen ein zwar vorhandenes, aber offenbar grottenschlechtes Drehbuch umschreiben soll, dessen mehr oder weniger literarische Vorlage er nicht kennt, ein Regisseur, der kurzerhand von einem anderen Film abgezogen wurde und ein Produzent, der um Ruhm und Existenz kämpft - das sind die Protagonisten der mit reichlich Wortwitz und Slapsticks angereicherten Komödie. Der Film, um den es geht, kein geringerer als "Vom Winde verweht", hinter dessen Kulissen die temporeiche Inszenierung von Arne Retzlaff blicken lässt. Die Theateraufführung hat dasselbe Problem wie Produzent David O. Selznick mit seinem Autor Ben Hecht, der das rund 1000 Seiten dicke Südstaaten-Epos von Margaret Mitchell nicht gelesen hat - von abgesehen der ersten Seite, die er widerwillig auf der Bühne liest, als er den Auftrag von Selznick erhält: Auch ein - überwiegend männlicher - Teil des Publikums kennt den Wälzer nicht und tut sich anfangs etwas schwer, mit der Geschichte mitzugehen. Wer das Buch gelesen hat, amüsiert sich von Anfang an köstlich, wenn Hecht das Gesicht verzieht, von "Mondlicht-und-Magnolien-Quatsch" redet, versteht aber auch, was Selznick so manisch-verbissen an seinem Projekt festhalten lässt. Stefan Holm hat sich die Rolle des perfektionistischen, detailbesessenen Filmproduzenten einverleibt und überzeugt in allen Facetten, ob er nun den Autokraten spielt und seine teuer eingekauften Mitarbeiter für fünf Tage von der Außenwelt abschirmt und einsperrt, um das Drehbuch schnellstmöglich fertigzustellen, oder als Vermittler zwischen den beiden auftritt, wenn sich die an die Gurgel gehen.

Fünf Tage zu dritt in einem Raum, nur mit Erdnüssen und Bananen versorgt, die Selznicks Sekretärin herbeischaffen muss. Sina Weiß ist als Miss Poppenghul immer für Lacher gut, wenn sie auf gar nicht so hochhackigen Schuhen durch den Raum stöckelt, über Sessel fällt oder eine Bananenschale aufhebt und gleichzeitig die zuvor aufgehobene wieder fallenlässt.

Martin Behlert kann so wunderbar seine Mimik sprechen lassen, dass der Zuschauer zugleich lacht und mitleidet, wenn er den Drehbuchautor seine Verachtung für Scarlett O'Hara, die "ehebrecherische, fremdgehende Heldin, die nun auch noch Kindsmissbrauch auf ihre Tanzkarte schreiben kann" regelrecht ausspucken lässt. Wie Regisseur Victor Fleming (ebenfalls stark: David Meyer) glaubt auch er keine Sekunde an einen Erfolg des Filmes - der tatsächlich inflationsbereinigt der bislang erfolgreichste wurde. Urkomisch die Szenen, wenn Holm in die Rolle der koketten Südstaatenschönheiten Scarlett schlüpft, um Hecht den Inhalt des Buches näherzubringen, während Meyer anfangs ziemlich widerwillig den verträumten Ashley oder die gebärende Melanie Wilkes mimen muss.

Gewissen Tiefgang bekommt die turbulente Slapstick-Komödie, wenn sich die drei Protagonisten zum Thema Juden in die Wolle bekommen - anno 1939 wurden in den USA die Probleme der Juden in Europa totgeschwiegen und auch in der amerikanischen Gesellschaft mussten sie um Anerkennung kämpfen. Zumindest impliziert das sowohl Selznicks als auch Hechts Verhalten, während Fleming vermintes Gelände betritt, wenn er sich (un)gewollt missverständlich oder interpretierbar über Juden äußert. Als Hecht sich weigert, die Szene, in der Scarlett ihr Sklavenmädchen Prissie ohrfeigt, zu schreiben, artet der Streit der drei zunehmend genervten Männer in ein munteres Ohrfeigenverteilen, jeder gegen jeden, aus - Political Correctness anno 1939.

Urkomisch, eine gelungene Parodie auf Männer im Stress und die Traumfabrik Hollywood, ausgezeichnet gespielt mit durchgängigem Spannungsbogen. Und am Ende gibt es Bravorufe für die Darsteller - sogar von Zuschauern, die "Vom Winde verweht" zuvor nicht gekannt haben.