Neuburg
Klangreise durch Neuburg

Schlagzeuger Johannes Fischer nimmt Besucher beim Kammermusikfestival mit auf eine besondere Tour

12.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr
Mit dem genialen Perkussionsstück "Rebonds A" von Iannis Xenakis startete Schlagzeuger Johannes Fischer die Solopromenade in der Neuburger Markthalle. −Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Ein außergewöhnliches, aber hochinteressantes Konzertformat ist die Solopromenade im Rahmen des Neuburger Kammermusikfestivals gewesen. Rund 60 Teilnehmer begleiteten Schlagzeuger Johannes Fischer und Stadtführerin Gabriele Kaps.

Der Schlagzeuger entfachte von der Schrannenhalle über die Schlosskapelle zum Rathausplatz ein modernes Rhythmusfeuerwerk, die Stadtführerin berichtete Wissenswertes aus der Historie der drei Stationen, die alle Lebensbereiche der Neuburger Bürger abdeckten. Die Schranne stand dabei für das geschäftliche Leben der Unteren Stadt, die Schlosskapelle für das geistliche Zentrum und der Rathausplatz, den Kaps als "schönsten Platz Süddeutschlands" bezeichnete, für das administrative Zentrum.

Fischer begann mit "Rebonds A" von Iannis Xenakis, ein Solo-Perkussionsstück, das ähnlich unter die Haut der Zuhörer geht wie Maurice Ravels "Bolero". Xenakis sei für den Schlagzeuger "das, was Beethoven für den Pianisten ist", schickte der Schlagzeugprofessor der Lübecker Musikhochschule dem Stück voraus. Xenakis habe Musik komponiert wie er Häuser baute, mit mathematischer Akribie, denn hauptberuflich war er Ingenieur, arbeitete in einem Architekturbüro. Womit die Brücke zwischen Musik und Architektur geschaffen war. Während "Rebonds B" ebenfalls an den im Erdgeschoss der Markthalle aufgebauten Trommeln erklang, stand das Vibrafon auf der Galerie und entfaltete so eine ganz andere Klangqualität, als Fischer die drei Sätze von "Electric Counterpoint für Vibraphon" des Komponisten Steve Reich sozusagen auf die Zuhörer herabschweben beziehungsweise herabprasseln ließ - metallisch-ätherisch im langsamen, heiter-quirlig in den schnellen Sätzen, die teilweise fernöstlich anmuteten.

Kaps erläuterte den Werdegang der Schranne, beginnend mit dem Jahr 1617, als Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm mit seinem Pferd hier stürzte und kaum aus dem Matsch befreit werden konnte. In der Schlosskapelle erläuterte sie das evangelische Bildprogramm. Dort war es bitterkalt, doch die Konzertbesucher hielten tapfer aus dank Fischers fantastischer Improvisation über John Cage an einem "kleinen Eigenbaualtar", einem Sammelsurium von "nicht aus unserem Kulturkreis stammenden Instrumenten", die eher an Töpfe, Pfannen, Deckel und Reisschälchen erinnerten, aber einen traumverwobenen Klang erzeugten. Faszinierend anschließend der Polyrhythmus, den der Schlagzeuger mit zwei chinesischen Essstäbchen auf drei Blumentöpfen erzeugte und der wie ein komplexes Glockengeläut wirkte.

Am Brunnen des Rathausplatzes, den Ottheinrich für die Bürger erbauen ließ, konnten sich die Zuhörer während des Vortrags zur Oberen Stadt wieder aufwärmen, ehe Fischer im Rathausfletz auf Glockenspiel, mit einem Tuch abgedeckten Schweizer Kuhglocken, Holzplatten und Metallteilen "Born to be wild" der Rockband Steppenwolf und zum Abschluss die Eigenkomposition "Air" darbot. Letztere sei entstanden, wie er selbstironisch verriet, aus seiner Eifersucht Blasmusikern gegenüber, die auf ihren Instrumenten mehr als nur Rhythmus spielen können. Weshalb Fischer seiner Trommel mit Pinseln, Bürsten und Holzstäben allerlei überraschende Kratz-, Wisch, Klopf- und Schlaggeräusche entlockt, die sich tatsächlich zu einer Art Melodie zusammenfinden.

Ein wunderbares Erlebniskonzert, das mit zwei Stunden Länge allerdings etwas ausuferte. Kürzer wäre angesichts der Kälte, der Tatsache, dass die Zuhörer meist stehen mussten und der Mittagszeit sicher angebracht gewesen.

Mitreißende Percussionkunst für die ganze Familie

Neuburg (ahl) Schlagzeuger haben eine Sonderstellung unter den Musikern, gelten oft als verrückte Hunde und werden eher selten als Solisten ernst genommen. Beim Familienkonzert des Neuburger Kammermusikfestivals bewiesen Alexander Glöggler und Philipp Jungk, dass auch Perkussionisten jede Menge drauf haben - aber auch, dass sie tatsächlich irgendwie verrückte Hunde sind. Was bei den jungen Zuschauern und ihren Eltern bestens ankam.

Ob die beiden jungen Schlagzeuger konventionelle Perkussionsinstrumente, heimische oder solche aus aller Herren Länder oder gar Alltagsgegenstände nutzten - was dabei herauskam, war Musik in den Ohren der begeisterten Zuschauer im gut besuchten Stadttheater. Die wurden natürlich mit eingebunden, wenn Glöggler Instrumente erklärte oder wissen wollte, woran der Klang des einen oder anderen Stückes erinnert. So erarbeitete er gemeinsam mit den Kindern die Namen der Donner- und der Meerestrommel, erklärte den (Größen)unterschied zwischen Xylophon und Marimbaphon und fand schnell heraus, dass mindestens ein Experte in der ersten Reihe saß, den er später unbedingt selber auf der Bühne sah - als Musiker natürlich.

Motivation gab es jedenfalls jede Menge für die Nachwuchsmusiker von morgen und übermorgen. Musik lässt sich auch mit einfachen Mitteln machen, lautete die Botschaft - beispielsweise mit einem Karton, mit Kochtöpfen, Wäschekörben, Plastikdosen und vielem mehr, wie der "Ausflug in ein schwedisches Möbelhaus" bewies. Weniger zum Nachmachen empfohlen war der Bummel durch einen Baumarkt, wo Säge, Spatel, Werkzeugkoffer und Akkubohrer zu Instrumenten wurden. Eine aberwitzige Performance, temporeich und ungeheuer abwechslungsreich. Da kam auch Schwarzlicht zum Einsatz, brachten fluoreszierende bunte Schlegel zusätzlich optische Effekte. Furios der Trommelwettstreit zwischen den beiden Musikern, die sich mittels Fanschals als FC-Bayern- und 1860-München-Anhänger outeten - wofür der Applaus unterschiedlich ausfiel. Es waren offenbar mehr FCB-Fans anwesend, die sich freuten, als Glöggler einräumte: "Okay, ausnahmsweise hat der FCB gewonnen."

Voll den Nerv des kompletten Publikums traf die bombastische Luft-Schlagzeug-Einlage mit Musik aus dem Off. Da saß jede Handbewegung der beiden Vollblutmusiker. Kein Wunder, dass nach knapp einer Stunde kein Halten war - so vehemente Zugaberufe dürften selten im Stadttheater zu hören gewesen sein, und natürlich kamen die beiden dem Wunsch gerne nach, diesmal mit Eimer und Leiter.