Neuburg
Das Unheil naht unausweichlich

12.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:13 Uhr
Noch feiert der Prinz mit seinem Gefolge, doch das Unheil nähert sich schon. −Foto: Hammerl

Neuburg (ahl) Unaufhaltsam nähert sich das pendelnde Fallbeil der Kehle des zu einem Paket verschnürten Gefangenen (Christoph Kessler).

Ebenso unausweichlich ereilt der rote Tod den feigen Prinzen (Lukas Asam), der sich mitsamt Hofstaat, Doktor (Franziska Steinherr), Minister (Martina Kornreiter), reichlich Essen und Unterhaltungskünstlern auf sein Schloss zurückgezogen hat. Edgar Alan Poe lässt nicht nur makaber grüßen - er steht leibhaftig für die "Horrornacht" des Jugendtheaters im Neuburger Volkstheater auf der Bühne.

Herausragend Sebastian Englschall, der den vielschichtigen Autor ungeheuer packend verkörpert. Er lässt Poe, der keineswegs nur Horrorgeschichten schrieb, aber durch sie bekannt wurde, engagiert lesen, nahezu selbstverliebt in seine Texte und zugleich seltsam distanziert von dem Leid, das seine Fantasie da kreiert, gerade so, als geschehe es den Menschen in seinen Geschichten ganz recht. Ein Zyniker, der das Düstere, abgrundtiefe Traurigkeit und den Horror liebt.

Hut ab vor den Akteuren des Jugendtheaters samt Regisseurin Lucie Schafferhans, die vier Kurzgeschichten und zwei Gedichte von Poe szenisch aufgearbeitet hat, Co-Regisseurin Judith Titze, die gemeinsam mit Andreas Graf für die aufwendige Technik verantwortlich zeichnet - mit viel Rauch, Klopfgeräuschen und natürlich Lichteffekten. Es gelingt dem Ensemble mit seinem engagierten Spiel, Poes Werk auch Zuschauern, die zu seinen Texten wenig Zugang gefunden haben, näherzubringen. Faszinierend, wie Susanne Ilchmann die typischen, abrupten Kopfbewegungen des Raben imitiert, wenn er dem verzweifelten Herrn (Julia Friedrich), der seine Liebste im Jenseits wiedersehen will, "Nimmermehr" antwortet. Ergreifend die Szene mit Sophie Hammerl als Mina, Geliebte des Malers Viktor (Max Rehm), der sie besessen über Monate malt, bis das Werk lebt, das Modell jedoch dahingesiecht ist. Christoph Lenhart spielt den irren Krankenpfleger Edward, der meint, das perfekte Verbrechen begangen zu haben, bis ihn die Fragen der Polizistinnen (Rosa Aceto, Lorena Heindl) das Versteck verraten lassen, wo er seinen Patienten (Nicolas Runkel) begraben hat.

Immer wieder wird der Zuschauerraum ins Geschehen einbezogen, ob nun Pedro (Lena Bauch) seinen verletzten Herrn (Johanna Bär) durchs Parkett schleift oder ein abgehackter Fuß Zuschauern in der ersten Reihe vor deren Füße fällt. Viel zu tun hat die Maske (Melanie Lux), da die meisten Akteure in drei verschiedene Rollen schlüpfen, manche sogar in vier. Sogar Wände und Gardinen (Magdalena Nagl) werden in einer solchen Horrornacht lebendig.

Erstaunlich, wie viel sich in eineinviertel Stunden Spielzeit hineinpacken lässt, wenn der Text gekonnt ausgewählt, die Inszenierung stringent und die Akteure textsicher und spielfreudig sind. Dass Poe mehr war als nur Horrorliterat, wird unter anderem im Roten Tod deutlich. Ein Regent, der sein Volk im Stich lässt, gewissenhafte Minister übergeht und sich selbst in Sicherheit bringt - solche Herrscher gab und gibt es wohl zu allen Zeiten.