Neuburg
Eine chlorreiche Geschichte

30.000 Bürger müssen weiter ihr Trinkwasser abkochen - Ursachensuche "wie Nadel im Heuhaufen"

04.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:33 Uhr
Das Wasser im Hochbehälter auf dem Burgwaldberg wurde am Samstag gechlort, fortan wird jeder Liter über eine Injektionsdüse in der Hauptleitung mit dem Desinfektionsmittel vermischt. Die Chlorung könnte Wochen dauern. −Foto: Schanz

Neuburg (DK) Die Ursache für die Bakterienbelastung des Neuburger Trinkwassers ist weiter unklar. Die Suche läuft auf Hochtouren. 30 000 Bürger und viele Betriebe müssen abkochen, bis die Desinfektion abgeschlossen ist. Das dauert ein paar Tage. Das Chlor bleibt für Wochen im Wasser.

Die Neuburger Stadtwerke suchen die Nadel im Heuhaufen: Wie kamen die Bakterien ins Wasser? Technischer Leiter Ernst Reng und seine Mitarbeiter gehen bei der Beantwortung nach dem Ausschlusssystem vor. Das Grundwasser ist in seinen tiefen Speichern sicher vor Verunreinigungen. Für den Hochbehälter schließt das Team eine Kontamination ebenfalls aus. Selbst ein Leck kommt als Einfallstor für die Enterokokken nicht in Frage – die Leitungen stehen unter Druck. Bei einem Leck schießt das Wasser heraus. Dreck bleibt draußen. Die Baustellen an den neuen Rohrleitungen sind unverdächtig, weil sie noch nicht ans Netz angekoppelt sind. „Wir überprüfen deshalb alle neuen Anschlüsse, alle Rohrbrüche, alle sonstigen Vorkommnisse im vergangenen halben Jahr. So lange können Enterokokken überleben“, berichtet Reng. Sein Verdacht: Eine defekte, private Pumpe zur Brauchwasserförderung könnte schuld sein. Wenn die Zisterne für die Klospülung leer ist, zapft sie das Trinkwasser an. Eigentlich sollten beide Wasserkreisläufe getrennt sein. „Aber es gibt Bastler“, meint Reng vielsagend. Das macht die Suche jedoch nicht leichter.

Bis das Einfallstor für die Bakterien gefunden ist oder zumindest alle Möglichkeiten überprüft wurden, wird gechlort. Am Samstag haben die Stadtwerke-Mitarbeiter in die 2,4 Millionen Liter Wasser im Hochbehälter Burgwaldberg fünf Liter Chlor gegeben. „Seither wird über eine Injektionsdüse ständig Chlor in die Hauptleitung zudosiert“, erklärt Reng. „Erst wenn die Chlorkonzentration im ganzen Leitungsnetz justiert ist, kann das Abkochgebot aufgehoben werden“, so die Sprecherin des Landratsamtes, Katharina Huber. Außerdem wurde ein Monitoring eingerichtet: sieben Messpunkte direkt an der Fundstelle, sechs an weit entfernten Knoten. Es wird also noch eine Zeit dauern, bis der chlorige Geschmack aus dem Wasser verschwindet.

Schwarzer Humor hilft bekanntlich immer: „Neuburg ist bunt, Neuburg leuchtet, Neuburg ist chlorreich“, schreibt Roswitha Lunzner in den sozialen Medien. „Wir waren positiv überrascht, wie vernünftig die Menschen reagiert haben“, sagt Uwe Jackisch, der am Infotelefon der Neuburger Stadtwerke Fragen beantwortet. Rund 500 Anrufer seien es am Freitag gewesen, 250 am Samstag. Auch im Gesundheitsamt meldeten sich viele Bürger und wollten wissen: Wie gefährlich sind die Bakterien? „Enterokokken sind bei entsprechend hoher Anzahl für den Menschen gefährlich, weil sie zu Magen-Darm-Erkrankungen und bei stark immun-geschwächten Patienten auch zu lebensgefährlichen Allgemeinerkrankungen (Blutvergiftung) führen könnten“, lautete die Antwort. Ein einziger dieser Keime wurde demnach in 100 Millilitern Trinkwasser nachgewiesen – der Grenzwert damit überschritten. Stark verunreinigt ist das Wasser also nicht.

Im Neuburger Krankenhaus wurde dennoch bereits Freitagmittag ein Abkochgebot ausgesprochen. „In der Küche wurde zum Beispiel die Zubereitung von Desserts und Salaten geändert“, erklärt Pressesprecher Thomas Bauch. Die Trinkwasserbrunnen im Haus seien durch Aktivkohlefilter abgesichert. Doch auch bei der Wundpflege und beim Umgang mit Säuglingen wurde Wasser abgekocht. In der Notaufnahme wurden keine Bakterien-Fälle registriert.

Mehrarbeit bedeutet die Verunreinigung des Wassers jedoch in den Bäckereien und Metzgereien. „Wir haben unseren Kaffee in vorauseilendem Gehorsam extra mit Mineralwasser gebrüht“, berichtete Ursula Göbel. In der Hofmetzgerei Ottillinger in der Grünauer Straße bleibt die Kaffeemaschine vorerst außer Betrieb. „Die Industriespülmaschine erreicht die benötigte Hitze, das Putzwasser wird abgekocht, wir haben überall Töpfe stehen, und die Flächentücher mit Desinfektionsmittel benutzten wir eh schon. Nur jetzt eben mehr davon“, erzählt Sylvia Fetsch. Und die Großen? Bei Donau-Malz kann der Betrieb auf einen eigenen Brunnen zurückgreifen. Bei den Milchwerken heißt es wortkarg: „Wir kommen allen notwendigen Verpflichtungen nach“, wie Sprecherin Sabine Kramer erklärt.

Viele Gastronomen und auch Zahnarztpraxen hatten konkrete Fragen, wie das Wasser zu verwenden ist. Die Antwort: im Zweifelsfall abkochen. Und sogar Haustierbesitzer sorgten sich um ihre Lieben. Im Gesundheitsamt wollte ein Anrufer wissen, ob er seine teuren, tropischen Süßwasserfische mit dem Chlorwasser in Berührung kommen lassen sollte. „Wir mussten ihn an den Tierarzt verweisen“, sagt Pressesprecherin Huber.