Neuburg
"Das ist eine Zumutung"

Politiker wollen eine Teilung des Landkreises bei der Bundestagswahl auf Dauer nicht hinnehmen

27.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr

−Foto: Grafik: Reibel

Neuburg (DK) Das Wahlergebnis ist das eine Problem, mit dem sich die Politiker dieser Tage herumschlagen. Dass es in einem geteilten Landkreis zustande gekommen ist, ist das andere. Die Wiedervereinigung ist gewünscht. Doch geht das überhaupt?

Es war die Statistik, die den 1972 mühsam zusammengezimmerten Landkreis Neuburg-Schrobenhausen wieder in zwei Teile zerspellt hat. Nachdem der Wahlkreis Ingolstadt, zu dem auch Neuburg-Schrobenhausen gehört, zum Stichtag 30. Juni 2015 um 27,5 Prozent vom Durchschnitt der anderen Wahlkreise abgewichen war, und die zulässige Abweichung bei maximal plus/minus 25 Prozent liegt, war unter rechtlichen Gesichtspunkten eine Neueinteilung zwingend erforderlich, damit alle Stimmen gleichviel wert sind. Also wurden die Stadt Schrobenhausen und die Verwaltungsgemeinschaft mit Berg im Gau, Brunnen, Gachenbach, Langenmosen und Waidhofen dem Wahlkreis Freising zugeschlagen, dem auch der Kreis Pfaffenhofen angehört. Somit waren die Direktkandidaten aus dem Norden, also Reinhard Brandl (CSU) und Werner Widuckel (SPD) im Süden nicht wählbar. Ihr Pendant dort waren nun Erich Irlstorfer (CSU) und Andreas Mehltretter (SPD). Das harte Los der Teilung traf auch alle anderen Direktkandidaten. Bei Werner Widuckel hätte das, so er denn den Sprung in den Bundestag geschafft hätte, zu einer kuriosen Situation geführt. Als Kreisrat entscheidet er über den Bau von Straßen und Brücken durch den Landkreis oder das Geschick des Kreiskrankenhauses Schrobenhausen mit. Als Abgeordneter aus dem Norden wäre er wiederum nicht zuständig gewesen. Paradox.
 

Bluten musste auch Reinhard Brandl. "Für mich ist das schon ein Einschnitt. Man baut sich was auf und hat seine Kontakte. Mir wäre es sehr viel lieber gewesen, wenn der Süden auch zu meinem Wahlkreis gehört hätte." Brandl strebt eine Wiedervereinigung von Süd und Nord an. "Das wäre mein Ziel und es wäre vernünftig."

In dieser Frage steuern Brandl und Landrat Roland Weigert (FW) denselben Kurs. Weigert hat noch in der Wahlnacht mit seinem Fraktionschef im Kreistag, Thomas Hümbs und CSU-Fraktionsvorsitzendem Alfred Lengler gesprochen. Lengler schilderte seine Gefühlslage im Gespräch mit unserer Zeitung plastisch. "Man kommt sich vor wie ein Fußabstreifer, der mal da, mal dorthin geworfen wird." Er sieht nicht ein, dass der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen auf so eklatante Weise benachteiligt wird, und strebt die Einheit an. "Wir müssen nächstes Jahr anfangen uns in Position zu bringen und auch Pfaffenhofen ins Boot holen."

"Es gibt allein schon für den Wähler Orientierungsprobleme, wer sein Abgeordneter ist. Schrobenhausen ist aus Freisinger Sicht starker Randbereich, der nicht so im Fokus ist, wie er sein sollte. Und auch für die Landkreisverwaltung ist das ein doppelter Aufwand", stößt Widuckel ins gleiche Horn. Die Strategie ist nach Auffassung des SPD-Kreisvorsitzenden, Lobbyarbeit in Berlin und München zu machen, im Kreistag eine Resolution zu verabschieden "und parteiübergreifend zu dokumentieren, was wir wollen".

Zumindest Letzteres sollte gelingen. Bettina Häring, Neuburger Kreis- und Stadträtin der Liberalen, ist "total dafür, dass das wieder zusammengelegt wird". Gerade kleine Parteien wie die FDP hätten bei dünner Personaldecke unter der Zweiteilung zu leiden. "Da ist zu viel Arbeitskraft verloren gegangen. Es ist ein Landkreis und der gehört zusammen", findet sie.

Landrat Roland Weigert will das Thema vorantreiben. Er könnte sich einen Wahlkreis Ingolstadt-Eichstätt und einen zweiten Neuburg-Schrobenhausen-Pfaffenhofen vorstellen und will mit seinem Kollegen Martin Wolf in Pfaffenhofen sprechen. Außerdem soll die Teilung des Kreises auf Bürgermeister-Ebene angesprochen werden. "Was haben Aresing oder Waidhofen mit Freisinger Themen zu tun", lautet seine rhetorische Frage. Pfaffenhofen und Neuburg-Schrobenhausen hätten viele Gemeinsamkeiten, auf die man sich besinnen müsse. "Unser Draht sind die Abgeordneten, die sich dem Thema stellen müssen", sagt Weigert. Sein Fraktionschef Thomas Hümbs aus Langenmosen hält die Teilung für "ein totales Unding". Der Landkreis werde damit wieder getrennt. Das könne man so nicht lassen. "Ich sitze mit Werner Widuckel im selben Kreistag, kann aber nichts für ihn tun", erklärt Hümbs, der in Langenmosen Südstaatler ist und die Nord-Kandidaten gar nicht wählen kann. "Jetzt haben wir den Brandl und den Irlstorfer und keinen g'scheit", zeigt er ein Dilemma auf, das inzwischen vielen zunehmend klar wird. Seine Marschrichtung: "Wir sollten am Ball bleiben."

Theo Walter, Kreis- und Stadtrat der Bündnis-Grünen, sieht in der Aufteilung "einfach eine Zumutung für die Region". An diesem Problem müssten alle arbeiten. Letztlich habe es aber die getroffen, die es auch zu verantworten haben.

Walter meint offensichtlich die Bundestagsabgeordneten selbst. In diesem Fall Reinhard Brandl. Der trug zwar in Berlin die Änderung des Bundeswahlgesetzes mit, wie aus seinem Schreiben vom April 2016 an Bundestagspräsident Norbert Lammert hervorgeht, das aber mit Zähneknirschen. Mit der Wahlkreisbereinigung konnte die Abweichung Ingolstadts auf 18 Prozent gesenkt werden, der Wert der Freisinger liegt bei ebenfalls akzeptablen 15,9 Prozent. Gleichwohl machte Brandl den Bundestagspräsidenten darauf aufmerksam, dass die Teilung kein Dauerzustand bleiben dürfe. Der Kreis Neuburg-Schrobenhausen sei 1972 neu gebildet worden und die Kommunalpolitik bemühe sich, die Einheit des Landkreises zwischen den beiden Mittelzentren Neuburg und Schrobenhausen herzustellen. "Eine Trennung des Landkreises in zwei Wahlkreise ist vor diesem Hintergrund absolut kontraproduktiv", ließ Brandl Lammert und andere Adressaten wie das Innenministerium wissen. Weiter schlug er bereits im April 2016 vor: "Es wäre schon heute möglich, in der Region 10 aus den Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen, Pfaffenhofen, Eichstätt und der Stadt Ingolstadt zwei Wahlkreise zu bilden. Eine solche Lösung würde auch dem Wachstum der Region gerecht werden."

Ob das mit der Wiedervereinigung klappt, steht in den Sternen. Womöglich erhält Oberbayern bei einer zukünftigen Bundestagswahl einen weiteren Wahlkreis. "Wann, das ist im Moment nicht absehbar, vielleicht in zwei Jahren", erklärt Brandl im Gespräch mit unserer Zeitung. "Das kommt auf die Bevölkerungsentwicklung an. Wenn der Zuzug so bleibt, dann könnte es sein, dass die Region zwei Abgeordnete hat." Jetzt einen Wahlkreis Neuburg-Schrobenhausen-Pfaffenhofen zu bilden, sei nicht möglich. "Dann wäre Freising alleine und das reicht nicht. Dann bräuchte Freising etwas von Dachau", erklärt der Abgeordnete.

Es wäre eine statistische Variante der Reise nach Jerusalem, die letztlich nur mit einer Teilung funktioniert. Die will aber keiner, weil sie wie in Neuburg-Schrobenhausen geschlossene Strukturen verhackstückt. Nicht zuletzt sind es Kommunalpolitiker wie Thomas Hümbs, der sagt: "Das möchte ich anderen auch nicht zumuten."