Oberhausen
"Ich wollte, dass die Leute Flügel bekommen"

Die Oberhausenerin Ilka Schnelle startet mit ihren Sportbrillen durch - Und hat für ihr Konzept den Gründerpreis bekommen

09.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:11 Uhr
Brille und Kopfbedeckung in einem ? das ist das Prinzip hinter den fluegelmacher-Produkten. Der Gedanke, eine Brille zu designen, die nicht drückt oder rutscht, kam Ilka Schnelle beim Kunstsegelfliegen. −Foto: Foto: Schmidt

Oberhausen (DK) Ilka Schnelle war genervt. Beim Joggen hüpfte ihre Sonnenbrille auf der Nase, beim Segelfliegen fiel sie ins Cockpit. Also wagte sich die 33-Jährige an den Versuch, ein besseres Modell zu entwerfen. Heute ist sie mit ihrem Produkt auf Messen unterwegs - und gewann einen Gründerpreis.

Geradlinig lief er nicht, Schnelles Weg zur Unternehmerin. Im Gegenteil, die junge Frau probierte so einiges aus, bis sie bei den Sportartikeln ankam. Los ging es mit dem Lichtdesign-Studium in Hildesheim, gefolgt vom Master in Kunsttherapie. Außerdem war die sportliche Unternehmerin 2015 Vizeweltmeisterin in Budo, also Kampfsport. Wenige Jahre zuvor war sie sogar Weltmeisterin geworden. Sieben Jahre designte Schnelle Lichtkonzepte für Phillips - die Kronleuchter am Frankfurter Hauptbahnhof beispielsweise stammen aus ihrer Feder. Dann zog es die Unternehmerin hin zum Handwerk, genauer zum Schmuckdesign. Sie fertigt Ehe- und Verlobungsringe - das Wissen darüber zieht sie aus ihrem Metalldesign-Studium in den USA.

Den Sprung von dort hin zu Sonnenbrillen empfindet Schnelle als nicht so groß: "Für beides benötigt man Fingerspitzengefühl, es kommt auf kleine Details und den Tragekomfort an." Der Gedanke, Sportsonnenbrillen zu optimieren, kam ihr bei einem ihrer Hobbies: Dem Kunstfliegen. Doch Schnelle geht es dabei nicht darum, Loopings zu drehen, sie hat im Kofferraum ihres Wagens Farbtöpfe und eine Leinwand ohne Rahmen dabei. Je nachdem, wie sie ihre Runden in den Wolken dreht, wird die Farbe aufgetragen. Ein Zeitvertreib, der Genauigkeit erfordert, Konzentration - und einen wachen Blick. Die Sonnenbrille störte dabei: Sie drückte, verrutschte "und was ich mit meinen Haaren machen sollte, wusste ich auch nicht".

Der Schritt hin zum eigenen Produkt aber dauerte noch. "Dem Produktdesign war ich immer schon zugetan", erklärt die junge Frau. Damals nach der Schule allerdings habe sie sich nicht getraut, genau das zu machen: Zu schlecht seien die Jobaussichten gewesen. Nun aber hatte Schnelle eine Idee. "Meine besten Einfälle habe ich um vier Uhr morgens. Da bin ich raus aus dem Bett und habe angefangen, einen Entwurf zu zeichnen." Der erste Versuch, das Modell nachzubauen, ließ auch nicht lange auf sich warten.

Kurze Bügel waren das Geheimnis, versteckt in einer Art Kopftuch. So sitzt die Brille fest, die Haare sind aus dem Gesicht und nichts drückt. "Ich habe dann den ersten Prototypen beim Sport getragen und war glücklich", erinnert sich die 33-Jährige. Immer mehr sprachen sie auf das Modell an, wollten auch so eines, ermutigten sie, eine Produktreihe zu machen. Das war im Sommer 2016.

Was folgte, war aber erst mal eine Pause, Schnelle musste Ende 2017 quer durch Deutschland umziehen, zu ihrem Freund nach Neuburg. "Seit ich hier in Süddeutschland bin geht es aber richtig vorwärts." Sie startete mit einer Kleinserie der Brillen, 20 Stück insgesamt unter dem Namen fluegelmacher. Die Prototypen gingen an Freunde und Bekannte. Das beste Modell wurde dann eingescannt und diente als Grundlage für ein erstes tatsächliches Modell. "Und das hat den Praxistest gleich bestanden", sagt die Unternehmerin stolz. Aus einem Guss, ohne Schrauben und Kleinteile, das war Schnelle wichtig. Und das passende Tuch waschbar, fest am Kopf sitzend, mit UV-Schutz und ohne Allergene. "Ich war und bin noch sehr anspruchsvoll", sagt Schnelle, "aber das hat sich beim Endprodukt ausgezahlt."

Sie machte sich auf auf eine Kunststoffmesse, fand eine deutsch-chinesische Kooperation, die sie nun aus Fernost beliefert. Denn die Nachfrage nach den Sportbrillen aus Oberhausen steigt und steigt. Die junge Firma hat von wenigen Tagen Messe überraschend viele Bestellungen mitgebracht. "Ein Unternehmen aus der Luftfahrtbranche hat gleich 1000 Tücher auf einmal bestellt." Andere bestellten aus Malaysia, Frankreich, Polen oder den USA. 100 Tücher werden gerade per Luftfracht von China nach München geschickt, um wohl in der nächsten Woche in Oberhausen zu landen. "Wir räumen gerade schon fleißig den Keller aus, um ein Lager zu bekommen", sagt Schnelle und lacht. Über kurz oder lang wird die 33-Jährige aber nicht darum herumkommen, Räume anzumieten.

Einen Steuerberater musste sich die Unternehmerin schon suchen, "und bald brauche ich jemanden zum Päckchen zukleben und Rechnungen schreiben". Wenn die Bestellungen weiter so eingehen wie in den vergangenen Tagen, "kann ich bald richtig davon leben". Die ersten Onlineshops haben Schnelles Produkte aufgenommen, auch auf ihrer Internetseite, www.ffluegelmacher.com kann man die Brillen bestellen, ab 149 Euro das Stück.

Auf den Gründerpreis stieß Schnelle aus Zufall. Beim Ummelden in der Gemeinde Oberhausen entdeckte sie ein Plakat. "Ein bisschen überrascht war ich schon, als ich erfahren habe, dass ich eine der fünf Trophäen bekomme", erzählt sie, "aber irgendwie hatte ich auch so ein Gefühl, dass es klappen könnte. Schließlich mache ich eine Sache ganz oder gar nicht." Und der Gründerpreis sollte nicht die einzige Auszeichnung sein, die Schnelle bekommen sollte. Im Juli wird sie offiziell den renommierten Design-Preis Red Dot vom Design Zentrum Nordrhein-Westfalen bekommen.

Schnell, einfach und komfortabel - das war das Ziel hinter den fluegelmacher-Brillen. Daher kommt auch der Name. "Ich wollte, dass die Leute Flügel bekommen." Und dieser Wunsch scheint in Erfüllung zu gehen: "Die Leute schicken mir immer wieder Fotos, wie sie die Brillen beim Sport tragen und schreiben, dass sie so angenehm zu tragen sind und ihr Tun erleichtern." Und auch Schnelle selbst freut sich jedesmal, wenn sie ihr Produkt zum Joggen trägt: Denn jetzt rutscht auf der Nase nichts mehr.

Sophie Schmidt