Neuburg
"Ich hatte Existenzängste"

98 gefälschte Rechnungen bei Krankenkasse eingereicht, 40000 Euro Schaden: 54-Jähriger zu Bewährungsstrafe verurteilt

03.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:36 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: Sebastian Schanz

Neuburg (krk) Existenzängste hätten ihn dazu gebracht. Wenn er könnte, würde er es rückgängig machen, er bereue es sehr und es tue ihm Leid. Doch die Einsicht des 54-Jährigen aus Schrobenhausen kam zu spät, denn gestern wurde er vom Neuburger Amtsgericht wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt - weil er seine Krankenversicherung um knapp 40000 Euro betrogen hatte.

Zwischen 2013 und 2017 soll der Mann laut Anklage bei der Bayerischen Beamtenkrankenkasse 98 gefälschte Arztrechnungen eingereicht haben. Die Versicherung kam ihm auf die Schliche und erstattete Anzeige. "Sie sind doch ein braver Mann, also zumindest wirken Sie so auf mich", sagte Richter Christian Veh zu dem 54-Jährigen, der bislang nie strafrechtlich in Erscheinung getreten war. "Warum machen Sie denn sowas? " Der Schrobenhausener räumte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ein. "Ich hatte Existenzängste, deswegen habe ich es gemacht. " Zwischen 2001 und 2013 habe der gelernte Industriekaufmann mehrere Anstellungen binnen kürzester Zeit verloren, "für die ich nichts konnte".

Umstrukturierungen, betriebsbedingte Kündigungen und Krankheit während der Probezeit hätten dazu geführt, dass er immer wieder arbeitslos wurde. "Das hatte auch Auswirkungen auf mein Privatleben, meine Frau ließ sich scheiden, ich musste mein Haus verkaufen", berichtete der Angeklagte. Psychische und physische Probleme seien hinzugekommen und er habe sich in Behandlung begeben. Mittlerweile habe er wieder eine Beschäftigung, "im Büro einer Schrobenhausener Firma". Zuvor sei er in der Automobilbranche tätig gewesen. Das Geld habe er zurückgezahlt, kurz nachdem die Versicherung ihn anzeigt hatte. Er habe einen Kredit dafür aufgenommen, den er mit einer aufgelösten Lebensversicherung wieder tilgte. "Aber was haben Sie denn mit dem ganzen Geld gemacht? ", wollte Veh wissen. Er habe es zum Leben gebraucht, antwortete der 54-Jährige. "Aber nicht alles davon, ich habe mir keinen Luxus gegönnt. " Nachdem er sein Haus verkauft hatte, investierte er das Geld in Wohnungen und vermietete diese. "Na, dann sind Sie ja eigentlich unbeschadet davongekommen, andere haben nichts zum nagen und zum beißen", kommentierte der Richter.

Ein Polizist sagte im Zeugenstand, dass sich der Schrobenhausener von Anfang an sehr kooperativ und geständig gezeigt habe. Auf dem PC des Angeklagten fanden der Beamte und seine Kollegen sorgfältig angelegte Excel-Dateien. "Das waren die gefälschten Rechnungen", sagte der Polizist. "Es wurde viel Mühe hineingesteckt, damit alles stimmig ist, besonders die Rechnungsnummern. "

Staatsanwalt Thorsten Schalk honorierte, dass der Angeklagte die ganze Verhandlung über sowie bereits bei der polizeilichen Vernehmung geständig war und sich nochmals entschuldigt hat. Auch seine Beweggründe zur Tat dürfe man nicht außer Acht lassen, ebenso wie seine fehlenden Vorstrafen. "Dennoch ist der entstandene Schaden sehr hoch", argumentierte Schalk. Der Staatsanwalt forderte eine zweijährige Bewährungsstrafe.

"Die Ausgangssituation kann sich jeder irgendwie vorstellen", sagte Verteidiger Jörg Gragert. In solch einer Situation könne man auf dumme Gedanken kommen. "Es war eher eine Beschäftigungstherapie gegen die Langeweile des Tages als kriminelle Energie. " Mittlerweile habe er wieder ein stabiles Leben, keine Schulden mehr und wieder eine Arbeit. "Der Schaden ist hoch, aber: Wann haben wir schon eine vollständige Wiedergutmachung dessen hier vor Gericht, und das vorab? ", betonte der Verteidiger. Gragert berief sich auf einen minderschweren Fall und plädierte auf eine achtmonatige Bewährungsstrafe.

Richter Veh und die beiden Schöffen befanden den 54-Jährigen für schuldig und verhängten eine Bewährungsstrafe von einem Jahr sowie die Zahlung von 3000 Euro an das Kinderheim St. Johannes in Schrobenhausen. "Sie haben sich in einer Phase der Lebenskrise zu einer blödsinnigen Tat hinreißen lassen", sagte der Richter. Der Schrobenhausener sei eigentlich ein "Musterangeklagter", da er voll geständig gewesen und nicht vorbestraft sei sowie den Schaden vor der Gerichtsverhandlung zurückbezahlt habe. All das seien Punkte, die den Fall so ungewöhnlich machten. "Ich hoffe, dass es ein einmaliger Aussetzer war und sie sich wieder in die Reihen der rechtstreuen Bevölkerung eingliedern", gab der Richter dem Mann mit auf den Weg. Das Urteil ist rechtskräftig.