Bergheim
Fall Gensberger: Mediziner beziehen Stellung

Offener Brief an den Bergheimer Bürgermeister Tobias Gensberger

30.12.2021 | Stand 05.01.2022, 3:35 Uhr
Bergheims Bürgermeister Tobias Gensberger. −Foto: DK-Archiv

Als Reaktion auf die Weihnachtsbotschaft des Bergheimer Bürgermeisters Tobias Gensberger im Gemeindeblatt haben am Donnerstag mehrere Mediziner aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen dazu Stellung bezogen.

Hier der offene Brief im Wortlaut:

Lesen Sie dazu:
- Bergheimer Bürgermeister schreibt über Covid-Erkrankung und polarisiert

Sehr geehrter Herr Gensberger, im Mitteilungsblatt der Gemeinde Bergheim vom 24. Dezember äußern Sie sich öffentlich zu Ihrer Covid-19-Erkrankung und Ihren persönlichen Eindrücken zum allgemeinen Krankheitsgeschehen in der Pandemie. Beim Lesen Ihres Textes entsteht der Eindruck, dass Sie der Impfung im Rahmen der Pandemiebekämpfung einen geringen Nutzen zusprechen. Auf welche konkreten Quellen Sie Ihre geschilderten Informationen zum Krankheitsgeschehen allgemein beziehungsweise vor Ort in der Klinik beziehen, bleibt unklar.

Um eine weitere Verunsicherung der Bevölkerung zu vermeiden, möchten wir aus unserer ärztlichen Sicht diesen Eindruck korrigieren. In unserem Landkreis war bis dato die überwiegende Zahl der schwer an Covid-19 erkrankten Patientinnen und Patienten ungeimpft. Diese Beobachtung deckt sich mit den allgemein bekannten publizierten Daten großer Studien, die der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (siehe auch https://www. rki. de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Wirksamkeit. html). Die Impfkampagne bewirkte somit auch bei uns eine erhebliche Senkung der Krankheitslast und Sterberate unter infizierten Patientinnen und Patienten.

Ohne diese Intervention wäre das vergangene Jahr wohl mit deutlich mehr Einschränkungen des öffentlichen Lebens sowie mehr Todesfällen verlaufen. Wir alle wünschen uns, dass unser Leben weniger durch das pandemische Geschehen bestimmt wird. Umso wichtiger ist es, für sinnvolle Maßnahmen einzutreten, die Bürgerinnen und Bürger umfassend sowie verständlich mit wissenschaftlich belegten Daten zu informieren und dadurch Desinformation und Angst entgegenzuwirken.

Wir sind froh, dass inzwischen auch medikamentöse Ansätze vorhanden sind, welche die Krankheitsschwere mindern können. Doch auch diese haben - deutlich häufiger als die Impfung - potenzielle Nebenwirkungen und leider eine eingeschränkte Wirksamkeit. So hat eine Antikörpertherapie meist nur zu Beginn der Erkrankung Sinn. Nicht geimpfte Covid-19-Erkrankte, die wegen der Krankheitsschwere im Krankenhaus aufgenommen werden müssen, haben eine hohe Sterblichkeit (30 Prozent). Sie profitieren von der frühen Gabe von Antikörpern. Durch diese sinkt ihre Sterblichkeit auf 24 Prozent.

Die wenigen geimpften Patienten, die eine zur Krankenhausaufnahme führende Covid-19-Erkrankung erleiden, haben eine viel niedrigere Sterblichkeit (15 Prozent). Bei ihnen beeinflusst die Gabe von Antikörpern den Krankheitsverlauf nicht, deshalb werden bei diesen Patienten in der Regel auch keine Antikörper verabreicht (siehe auch www. medrxiv. org/content/10.1101/20 21.06.15.21258542v1). Eine Ausnahme bilden dabei Patientinnen und Patienten mit einer Immunschwäche, beispielsweise bei einer laufenden Chemotherapie.

Des Weiteren ist es wichtig zu wissen, dass Geimpfte viel seltener an Covid-19 erkranken. Wenn Geimpfte an Covid-19 erkranken, sind sie für kürzere Zeit ansteckend als Nichtgeimpfte (siehe auch www. thelancet. com/journals/laninf/artic le/PIIS1473-3099(21)00648-4). Sie haben im Durchschnitt eine deutlich niedrigere Viruslast und dürften demnach auch wesentlich weniger ansteckend sein als ungeimpfte Infizierte (siehe auch www. rki. de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief. html, Literaturangabe 31).
Die vorbeugende Krankheitsverhütung durch eine sichere und etablierte Impfung bleibt daher trotz vorhandener Einschränkungen (etwa bezüglich der Dauer der Schutzwirkung) neben der Beachtung der AHA-Regel unser momentan bester Schutz vor Covid-19.

Sollten weitere Unklarheiten oder Unsicherheiten bestehen, dürfen Sie sich gerne an uns wenden. Wir tauschen uns sehr gerne auch persönlich mit Ihnen aus. In diesem Sinne wünschen wir einen guten und gesunden Start ins Jahr 2022.

Dr. Martin Kotowicz, Hausarzt und Versorgungsarzt des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen;
Dr. Johannes Donhauser, Leiter des Gesundheitsamtes Neuburg-Schrobenhausen;
Dr. Harald Franck, Chefarzt Innere Medizin KJF Klinik Neuburg;
Dr. Martin Schreiber, Ärztlicher Direktor des Kreiskrankenhaus Schrobenhausen, Chefarzt Innere Medizin;
Shahram Tabrizi, Gesundheitsreferent im Kreistag,
Dr. Achim Wolf, Ärztlicher Direktor der KJF Klinik Neuburg, Chefarzt Allgemein- und Viszeralchirurgie.