Neuburg (DK) Tiefe Betroffenheit macht sich im Neuburger Stadttheater breit, ist nahezu mit den Händen greifbar. Was Kerstin und Sepp Egerer mit Karin Steinherr als Erzählerin im Hintergrund auf die Bühne bringen geht ganz, ganz tief unter die Haut, erschüttert, macht fassungslos. "Tabu" heißt das etwa 20-minütige Theaterstück, das Kerstin Egerer nach Karin Steinherrs Leidensgeschichte geschrieben hat und das am Dienstagabend seine Uraufführung im gut besuchten Stadttheater erlebte.
Es zeigt schonungslos und unmissverständlich deutlich - trotzdem auch Minderjährigen zumutbar - den Missbrauch der damals Neun- bis 13-Jährigen durch den Stiefvater und anschließend ihr jahrelanges Martyrium durch dessen Freund. Dazu eine Mutter, die nicht einmal hinschaut, was in ihrem eigenen Bett neben ihr passiert. Unfassbar, aber typisch, wie Landrat Roland Weigert bestätigt, der über die Arbeit des Jugendamtes "mittelbar betroffen" jedes Jahr mit mehreren Fällen betraut ist. "Ich bin als harter Hund bekannt, aber diese Dinge nehme ich mit nach Hause, das lässt mich nicht schlafen", gesteht er, "um wie viel schlimmer muss es für die Opfer sein?" Er zeigt sich überzeugt, dass das Theaterstück ein Türöffner für Prävention an Schulen sein könne. "Ich hoffe, dass es einen Beitrag dazu leisten kann, dass junge Menschen nicht in solche Situationen geraten", sagt Weigert und kündigt einen Scheck für die Präventionsarbeit des von Steinherr und Frank Böhm gegründeten Verein Gemeinsam gegen sexuellen Missbrauch an.
Die Benefizveranstaltung bewegt sich moderiert von Böhm knapp drei Stunden lang in ausgewogener Mischung aus Information und künstlerischer Gestaltung. Big Band und Chor der Neuburger Musikschule treten auf, letzterer verstärkt durch Kerstin Egerer und Karin Steinherr, die "Feed the Birds" aus dem Musical "Mary Poppins" und "Chaising cars" von Snow Patrol mitsingen.
Heitere Impro-Theaterstücke hat das Jugendtheater im Volkstheater unter Leitung von Lucie Schafferhans mitgebracht. Rosa Aceto, Sebastian Günther, Melanie Bauer, Susanne Ilchmann, Franziska Steinherr und Julia Friedrich spielen "Wachsen und Schrumpfen", beginnend als Solo-Pantomime, der noch drei weitere Szenen folgen. Aus der Frage, was sich hinter der schweren Tür befindet wird ein Duo, das Flugobjekte am Himmel beobachtet, ein Trio, das in die Höhe klettert, um Baupläne zu betrachten und schließlich ein Quartett, das einen Tanz aufführt. Am Ende kommen rund 2000 Euro für die Vereinsarbeit zusammen.
Andrea Hammerl
Karin Steinherr kommentierte die Szene, als der Stiefvater "wäscht" und von ihr gewaschen werden will: "Ich wusste, dass das falsch war." -Foto: Foto: Hammerl
