Eine Bilderreise durch Neuburgs Jazz-Geschichte

18.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:23 Uhr

Es ist eine Geschichte, die von den Tönen lebt.

Von schmetternden Trompeten, beinahe sinnlichen Saxofonen und den Rhythmen von Schlagzeug und Klavier. Keine Frage: Im Birdland-Jazzclub in Neuburg zählt der Klang wie kaum an einem anderen Ort in der Kulturstadt. Für Manfred Rehm ist der Klang des Jazz, der Wochenende für Wochenende im kleinen Keller am Karlsplatz zu hören ist, zugleich der Klang der Freiheit. Dessen Faszination auf ihn ist nach wie vor so groß, dass sich der Mitbegründer des 1958 ins Leben gerufenen Jazzclubs nun einer ebenso ambitionierten wie anspruchsvollen Aufgabe widmet: Er und seine Mitstreiter wollen die mittlerweile 60-jährige Geschichte der Töne in einer Bilderausstellung zeigen.

"Der Jazz war damals die Musik der Freiheit", erinnert er sich an die Anfangsjahre des Vereins. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war die von vielen verachtete Musik mit ihren ungewöhnlichen Klängen zugleich Ausdruck einer neuen Identität. Und sie war eine Form der Rebellion, wie sie beinahe jede Generation mitmacht. Aus den zunächst losen Treffen einer Handvoll Musikliebhaber entwickelte sich schnell eine Regelmäßigkeit. "Es ging darum, die damals noch raren Schallplatten zu hören, oder zu Konzerten zu fahren", erzählt Rehm. Was für die heutige Jugend selbstverständlich ist, glich damals einem beinahe unmöglichen Vorhaben: Zu Auftritten nach München oder Nürnberg ging es ohne fahrbaren Untersatz einfach nicht - und den hatten nur wenige.

Schnell wurde aus der Zusammenkunft von Liebhabern ein eigener Verein - was freilich nicht jeder in Neuburg gerne sah. 35 Gründungsmitglieder zählte der Birdland-Jazzclub damals. Neben Rehm waren darunter auch der spätere Stadtheimatpfleger und Kommunalpolitiker Matthias Schieber und Helmut Viertl, der später die Jazzwoche in Burghausen ins Leben rufen sollte. "Er war der Aktivste von uns - und er hatte eine schöne Plattensammlung", erinnert sich Rehm.

Was auf diese Anfangsjahre voller Sturm und Drang folgte, war ein stetes Auf und Ab. Von den Anfängen im Keller des Café Huber über Konzerte im Stadttheater mit dem damals schon berühmten Albrecht-Maurer-Quartett und dem legendären Posaunisten Albert Mangelsdorff über die beliebten musikalischen Flussfahrten auf der Donau von Donauwörth bis Neuburg und den Umzug ins Coccodrillo bis hin zu den Konzerten im Audi-Forum, dem Auftritt von Jazz-Legende Paul Kuhn und dem Glücksfall mit dem neuen Domizil im Keller der früheren Hofapotheke in der Altstadt.

27 Jahre residiert der Jazzclub mittlerweile schon dort. 27 Jahre der Erfolgsgeschichte. Längst ist aus der Liebhabertruppe mit Außenseitercharme eine riesige Fangemeinde geworden. Eine Tatsache, die Rehm bis heute etwas überrascht. "Ich frage mich manchmal selbst, wie wir das schaffen", meint er. Immerhin gebe es Musikclubs mit der Qualität des Birdland normalerweise nur in Großstädten - weil dort auch das Publikum in Reichweite ist.

Doch irgendetwas muss dieser beschauliche Keller mit seinen 13,5 Quadratmetern Bühne und dem edlen Bösendorfer-Flügel an sich haben, dass die Menschen gerne und vor allem regelmäßig den Weg ins dann doch wieder kleine Neuburg auf sich nehmen. Aus Ingolstadt klar. Aber selbst aus viel weiter entfernten Städten pilgern die Jazzliebhaber hierher, um die heutigen Bühnenstars zu hören. Denn auch die kennen und schätzen Akustik, Atmosphäre und vor allem Publikum im Birdland-Club. "Man muss die Leute dazu bringen, aus der Umgebung herzufahren", weiß Rehm. Und das sei eben nur mit einer hohen Qualität der Konzerte möglich. Er schmunzelt. "Das macht die Sache sehr schwierig, aber auch sehr spannend. "

Mindestens ebenso spannend soll auch die Ausstellung in der städtischen Galerie im Fürstengang für die Besucher werden. Der Vorteil des Impresario und seiner vielen Mitstreiter ist dabei der Erfolg. Im Laufe der Jahre entstanden zahlreiche Fotos sowie Film- und Tonaufnahmen. Material genug, um die Menschen mit auf eine Zeitreise durch 60 Jahre Birdland mitzunehmen. "Musikalisch können wir uns ja kaum noch toppen", findet Rehm, dem daher die Idee kam, diese klangvolle Historie ganz ohne Ton darzustellen. Musik im Bild sozusagen - kein leichter, aber sicher ein innovativer Ansatz. 200 Fotos, Plakate der Veranstaltungen und Bronzeskulpturen von Alexandra Fromm - inspiriert vom Geschehen im Jazzclub - sind dabei zu sehen. Möglich machen das zahlreiche Fotografen wie beispielsweise Max Sayle junior oder Abo Schmid, die den Verein in der Anfangszeit begleiteten. Diese und viele andere Liebhaber haben das Birdland-Archiv in den vergangenen Jahren gefüllt. Sogar so gut, dass mehrere Ausstellungen möglich wären.

Ganz ohne Jazz wird die Schau vom 27. Mai bis 24. Juni aber nicht ablaufen. Schon zur Vernissage dürfte das Flair des Jazzclubs durch die Ausstellungsräume wabern. Dafür sorgt nicht zuletzt die Stadt als Hausherrin, welche die Eröffnung auf 18.30 Uhr gelegt hat und dadurch den perfekten Einstieg in einen musikalischen Abend schafft. Auch das ein Zeichen der Anerkennung; immerhin beginnt die Vernissage aller anderen Kunstausstellungen in den städtischen Galerien heuer um 11.30 Uhr. Jazz gibt es parallel zur Ausstellung gleich viermal - immer sonntags um 17 Uhr direkt beim Fürstengang auf dem Jakob-Balde-Platz. Dort spielen als Rahmenprogramm die Barrelhouse Jazz Band, die Munich Jazz Society, die Birdland Jazz Band und Kerstin Schuld mit 4 of a Kind - alle bei freiem Eintritt.

Schon jetzt ist klar, dass im Laufe der Ausstellungszeit zahlreiche besondere Birdlandmomente herauskommen. "Für mich ist es am schönsten, wenn Musiker und Publikum begeistert sind", sagt Manfred Rehm. Seine eigene Begeisterung wird dafür sorgen, dass die Geschichte der Töne im Birdland noch lange weitergeht.

Zu sehen ist die Ausstellung "Jazz lives! " von 27. Mai bis 24. Juni im Neuburger Fürstengang immer donnerstags und freitags von 17 bis 19 sowie samstags und sonntags von 11 bis 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.