Ein schönes Barockschloss für einen Euro

13.12.2007 | Stand 03.12.2020, 6:16 Uhr

Im großen Saal fand sich früher eine schöne Bildergalerie. Der Großteil dürfte versteigert worden sein.

Neuburg (r) Der Ausverkauf und Verfall von Schloss Bertoldsheim beschäftigt mittlerweile die Gerichte. Gestern prozessierte Eigentümerin Eva Gräfin Du Moulin (83) gegen das Landratsamt Neuburg. Die Untere Denkmalbehörde verlangt von ihr eine Liste mit dem verkauften Schlossinventar.

Das Landratsamt steht auf dem Standpunkt, dass die beweglichen Kunstschätze des Barockschlosses ebenfalls dem Denkmalschutz unterliegen und fordert jetzt eine Bestandsaufnahme. Gräfin Du Moulin mit Sitz in Schloss Winklarn klagte gegen den entsprechenden Bescheid. Nach eineinhalbstündiger Verhandlung vor der 11. Kammer des Verwaltungsgerichtes München einigten sich gestern beide Parteien. Die Klägerin bemüht sich um eine Liste beim Auktionshaus Sotheby’s und das Landratsamt, vor Gericht vertreten von Oberregierungsrätin Anette Lenz, zieht den jüngsten Zwangsgeldbescheid über 3000 Euro zurück. Den ersten Bescheid über 1000 Euro hatte die Gräfin beglichen.

So beklagenswert der Zustand des 275 Jahre alten Bertoldsheimer Schlosses auch sein mag, das Innenleben mit Möbeln, Gemälden, Waffen, Rüstungen und alten Büchern galt als märchenhaft – bis zum Jahr 2005. Damals leitete die Eigentümerin entschlossen den Verkauf ihrer Kunstschätze ein. Lastwagen fuhren einige Male vor und luden Schreibtischsekretäre, Barockkommoden, Büsten, Bücher, Stiche, Schmuck und wertvolle Ölgemälde ein. Ein Teil davon fand sich in Internet-Angeboten wieder. Die Antiquitäten dürften weitgehend über das Auktionshaus Sotheby’s Frankfurt versteigert worden sein.

Schloss Bertoldsheim gilt als Meisterwerk des Eichstätter Hofbaumeisters Gabriel de Gabrieli. Sein Originalbauplan mit Erläuterungen fand sich vor wenigen Jahren in der Schlossbibliothek. Die Schriftwerke der früheren Hofmark Bertoldsheim hat offenbar das Bayerische Staatsarchiv erworben. Auch Zeugnisse und Büsten von Richard Wagner fanden sich im Schloss, denn Hausherr Richard Graf Du Moulin-Eckhardt war Wagner-Verehrer gewesen. Der Komponist hatte seinerzeit einige Wochen Asyl in Bertoldsheim bezogen.

Anlieger hatten das Landratsamt von dem Abtransport informiert. Die Behörden hätten die Sache wohl "verschlafen und zu spät reagiert", monierte der Vorsitzende Richter gestern. Eva Gräfin Du Moulin Eckhardt wies die Auffassung zurück, das Schloss sei vollgepfropft mit Schätzen gewesen. Den Großteil, etwa an Buchbeständen, hätten amerikanische Soldaten 1945/46 weggeschleppt. Später habe ihr Ehemann nur fünf Zimmer komplett eingerichtet. Seine Sammlung sei nicht besonders wertvoll gewesen.

Vor allem seit dem Tod des Grafen 1991 verfällt das seit etwa 30 Jahren unbewohnte Kleinod zusehends. Feuchtigkeit lässt Putz und Tapeten bröckeln, Deckenteile fielen herab. Landrat Richard Keßler – ihm liegt Bertoldsheim sehr am Herzen – wollte das Trauerspiel beenden. Doch seine Idee, mit einer Stiftung Sponsoren wie Audi, die Familie Du Moulin, vermögende Privatleute und die öffentliche Hand in ein Boot zu holen, scheiterte letztlich. Man hatte bereits einen Notarvertrag entworfen, so der Landrat, "aber wenn man nicht will, dann geht es eben nicht". Wissenschaftsminister Thomas Goppel kennt das Thema, "Millionen aus dem Entschädigungsfonds sind in Aussicht gewesen".

Noch ist keine Nutzung und kein Sanierer gefunden. Vor zwei Jahren bot die Gräfin Bertoldsheim schriftlich dem Freistaat Bayern an. Kaufpreis: ein Euro. Das Landesamt für Denkmalpflege mit seinem schmalen Etat lehnte ab. "Wir können diese Last nicht übernehmen", sagte Generalkonservator Johannes Egon Greipl. Er kennt den Fall gut. Im Landesamt "ist Bertoldsheim bekannt wie ein bunter Hund".

Heuer bot Makler Peter Sachs aus Oberaudorf bei Rosenheim im Internet Schloss Bertoldsheim als "besondere Immobilie" an. Sie sollte, ausgestattet mit 2300 Quadratmetern Wohnfläche und 100 000 Quadratmetern Grund (Schlosspark) 1,5 Millionen Euro kosten. Es kamen (Schein-)Interessenten, die in die drei Flügel hineinschauten, aber kaufen wollte keiner. Die Sonderimmobilie steht nicht mehr im Internet. "Die Gräfin hat das Angebot zurückgezogen", bestätigt Peter Sachs, Bruder von "Playboy" Gunter Sachs. Ob eines der schönsten Barockschlösser an der oberen Donau, mit 365 Fenstern ausgestattet und Schauplatz diverser Spielfilme, Zukunft hat, bezweifeln die meisten Einheimischen. In ihrer Jugendzeit gab es noch kleine Empfänge, Vereins- und Kirchenfeste im gräflichen Schloss, danach durfte kaum einer mehr rein. Das Schloss ist ein Stück Heimat. "Sein Schicksal ist mir egal", sagt der Bertoldsheimer Karl Becher. Das Trauerspiel hat einfach zu lange gedauert.