Neuburg
Ein Blick tief ins Ostendherz

Ambitionierte Ausstellung im Bürgerhaus zeigt das Stadtviertel und das dortige Leben

27.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:09 Uhr
Sich identifizieren und kritisch auseinanderzusetzen mit seinem Stadtteil: Der Ausstellung im Bürgerhaus gelingt dieser Spagat. Bis in die Vernissage hinein fiel Fotografin Julia Breitenborn immer etwas ein. −Foto: Heumann

Neuburg (lm) Achtung - das ist keine Dokumentation. Aber ein Dokument, ein wertvolles und schönes zudem, aus dem und vom Ostend in Neuburg. Jugendliche schufen eine Ausstellung über das Leben, Denken und Wünschen in ihrem Stadtteil. Festgehalten (und ein wenig nachbearbeitet) hat die Momente aus Freude und Stolz, Angst und Aggression die ambitioniert zu Werke gehende Semi- Profi-Fotografin Julia Breitenborn. Zu sehen ist das Ergebnis jetzt genau dort, wo auch die Idee zu dem ganzen Unterfangen ausgebrütet wurde: im Bürgerhaus im Ostend.

Müßig jetzt, die ganze, segensreiche Stadtteilarbeit aufzählen zu wollen, die hier so selbstverständlich ebenso alterslos barrierefrei wie ohne gesellschaftliche Schranken geleistet wird und vor allem, obwohl derjenige, der sich am wenigsten hören und gar lesen will, einen Namen hat: Jürgen Stickel, Stadtteilmanager, dem alles Manager-Gehabe absolut fremd ist.

Immer mehr Eigengewicht und auch Eigenleben, so dass er heute schon einen eigenen Betreuer braucht und den idealen für den Job in Marek Hajduczek gefunden hat, gewann in den vergangenen Jahren der Jugendraum. Dort ist jede Menge an Aktivitäten, Spielen und mehr geboten, dort trifft man sich ganz einfach zum Chillen, es reifen aber auch immer wieder neue Ideen und Projekte. Jugendintegrationsförderung nennt sich das ganze Unterfangen, längst so selbstverständlich ist hier das Miteinander, so dass "Integration" fast schon gestern war.

Betreuer Hajduczek ist selbst Produkt dieser Integration. Zunächst kam er als Jugendlicher . Immer mehr engagierte er sich bei verschiedenen Aufgaben und Projekten, heute macht er die Sache hauptberuflich, "einen besseren Mann für die Aufgabe hätte ich gar nicht finden können", sagt Stickel. Ein solches Projekt, das im Jugendraum seinen Anfang nahm, ist jetzt eben die Ausstellung. Genauer gesagt: Die Ausstellung ist das Ergebnis davon, das Projekt selbst war die Arbeit daran, das Machen miteinander.

Einmal das Leben im Ostend darstellen - die fixe Idee heißt aber zunächst einmal, sich bewusst, kritisch, reflektiv mit der eigenen Lebenssituation auseinanderzusetzen. Also stand am Anfang das Themensammeln. Durchaus markant, wie sehr die zweite und teils schon dritte Generation, die im Ostend lebt, sich explizit mit diesem Stadtteil identifiziert, wie selbstbewusst und kritisch auch mit Begriffen von Wertschätzung und Vorurteilen umgegangen wird. Die Idee zu einem Film wurde rasch verworfen. Und gar nicht so unwahrscheinlich, dass der schließlich gewählte Weg einer inszenierten Fotografie sogar der direkt sprechendere wurde.

Mit der längst der reinen Hobbyfotografie entwachsenen Julia Breitenborn fand sich die ideale Partnerin für die kreative Umsetzung. Breitenborn ist selbst Ostend-Spross, seit sie mit neun Jahren mit der Familie aus Kasachstan kam, heute als Bankkauffrau und alsbald zweifache Mutter "aus Überzeugung hier und nirgends anders" lebt. Auch sie hat die gleiche Ostend-Karriere wie Hajduczek hinter sich, war zunächst Besucherin, brachte sich immer mehr ein gerade auch bei der ehrenamtlichen Hausaufgabenbetreuung, gehört heute einfach dazu.

Themen waren gefunden, wie sie nun umsetzen? Dazu wurden Situationen, Szenen entwickelt, die Breitenborn dann mit der Kamera festhielt. Man muss es immer wieder betonen: Das sind - wenn ein Jugendlicher etwa Bruno Moscha, dem so liebenswerten wie couragierten Vorsitzenden des Ostend-Vereins, mit dem Stinkefinger begegnet - bewusst und gezielt gestellte Aufnahmen. Der Versuch, das auch vorhandene Thema Aggression bildlich umzusetzen.

Ganz viel aber ist in dieser Ausstellung von Lebensfreude, vom Miteinander, vom Spaß, ja vom Stolz, Ostendler zu sein, zu sehen. So gesehen sollte die Ausstellung Pflichtprogramm sein. Zu sehen ist sie bis 31. Januar im Bürgerhaus.