Neuburg
Drahtzieherin oder Unschuldslamm?

Nach fingiertem Überfall auf Neuburger Casino steht eine weitere mutmaßliche Tatbeteiligte vor dem Amtsrichter

29.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:26 Uhr
Alexandra Maier

Neuburg (DK) Bereits Anfang vergangenen Jahres war ein Trio für einen fingierten Raubüberfall auf ein Spielcasino in Neuburg vor dem Amtsgericht zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.

Nun musste sich das Gericht unter dem Vorsitz von Marius Lindig damit beschäftigen, ob auch eine 50-jährige Frau an der Planung und Durchführung dieser Straftat beteiligt war.

Mit den drei Verurteilten ist sie bestens bekannt: Ihr damaliger Lebensgefährte und ihr Cousin sind darunter. Schmiedeten die beiden Männer sogar in der damaligen Wohnung der Frau den Plan für den Überfall? Ebenfalls involviert war die Tochter der Angeklagten, die zu diesem Zeitpunkt in der Spielothek jobbte. Die Staatsanwaltschaft legt der Angeklagten Unterschlagung und Vortäuschen einer Straftat sowie Nötigung zur Last. Zunächst aber deuteten alle Zeichen auf ein kurzes juristisches Intermezzo im Sitzungssaal 42 des Amtsgerichts hin:

Staatsanwältin Vera Stoll hatte gerade den Haftbefehl beantragt, weil die Angeklagte nicht vor Gericht erschienen war. Verteidiger Jörg Gragert war just dabei, das Amtsgericht wieder zu verlassen, als seine Mandantin mit knapp 20 Minuten Verspätung doch noch das Gerichtsgebäude betrat.

Ihre Begründung: Sie habe die falsche U-Bahn zum Münchnener Hauptbahnhof genommen und sich deshalb verspätet. Immerhin müsse sie für die Verhandlung extra von München nach Neuburg reisen.

Richter Marius Lindig wertet die Ausrede als "dünn" und auch Verteidiger Gragert war angesichts des Auftritts seiner Mandantin sichtlich irritiert. Überhaupt macht die Angeklagte nicht den Eindruck als sei ihr der Ernst der Lage vor Gericht bewusst. Immer wieder reagiert sie auf Nachfragen von Staatsanwältin und Richter schroff, fast schon genervt.

Zunächst versucht Richter Lindig geduldig die Tage vor dem vermeintlichen Überfall sowie die Tatnacht zu rekonstruieren: Er will wissen, ob und was die Angeklagte mitbekommen hat.

Die Frau und ihr Verwandter pflegten ein gutes familiäres Verhältnis. Ihr Cousin sei bei ihr aus und ein gegangen. Sie habe ihn auch des Öfteren finanziell unterstützt, weil er unter anderem spielsüchtig gewesen sei. Sie gibt zu Protokoll, dass ihr Cousin beim gemeinsamen Kaffeetrinken mit ihrem Lebensgefährten und der Tochter vorgeschlagen habe, dass Casino, in dem die Tochter angestellt ist, zu überfallen. Das war zwei Tage vor dem Überfall. Ihr Cousin habe diesen Vorschlag im Spaß - so zumindest habe sie es empfunden - gemacht. Danach war das Thema vom Tisch.

In der Tatnacht sei sie gegen 20 Uhr gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten kurz im Casino gewesen, anschließend bei einer Freundin und gegen kurz nach 1 Uhr habe sie im Bett gelegen.

Dieser Aussage widerspricht allerdings ein Mitarbeiter des Casinos. Er hat kurz vor 23 Uhr im Casino nach dem Rechten gesehen und will sich erinnern, die Angeklagte und ihren Lebensgefährten dort gesehen zu haben. Außerdem habe die Angeklagte nach dem Überfall angefangen, ihre Schulden zu bezahlen, das hätten ihm befreundete Wirte erzählt. "Da war der Geldfluss vorhanden. " Erzürnt geht die Angeklagte den Zeugen an: "Schämst du dich nicht? "

Die Aussage eines Taxifahrers kratzt ebenfalls an der Glaubwürdigkeit der Angeklagten. Er ist sich sicher, die Frau zwischen Mitternacht und 1 Uhr in einer Nebenstraße unweit der Spielothek gesehen zu haben. Sie sei in Begleitung eines Mannes gewesen, welchen er aber nicht erkannt habe.

Rückendeckung für ihre Version der Geschichte erhält die 50-Jährige von ihrem vermeintlichen Ex-Lebensgefährten sowie der Tochter. "Sie hat mit dieser Sache nichts zu tun", betonen beide mehrfach. Der Mann erzählt, wie er nach dem Überfall gemeinsam mit seinem Komplizen in die Wohnung der Angeklagten zurückgekommen sei. Die Beute, knapp 2000 Euro, lag auf dem Küchentisch. Die Männer waren dabei, das Geld aufzuteilen, als die Angeklagte, wach geworden durch den Lärm, das Zimmer betrat. "Sie hat uns rausgeschmissen. "

Zwischen dem Paar habe es infolge des Überfalls Streit gegeben, die Angeklagte ist ins Frauenhaus gegangen. "Wir sind nach wie vor noch befreundet, aber nicht mehr zusammen", so der Zeuge zur Motivation seiner Aussage.

Es ist ein langer Nachmittag der Wahrheitsfindung: Ob eine Skimaske, die beim Überfall verwendet wurde, aus dem Besitz der Angeklagten stammt, konnte nicht geklärt werden. Die Angeklagte bleibt bei ihrer Version und streitet eine Tatbeteiligung vehement ab. Drahtzieherin oder Unschuldslamm?

Der Prozess wird am 9. April fortgesetzt. Dann sollen weitere Zeugen befragt werden - unter anderem die Freundin der Angeklagte, die sie in der Tatnacht besucht haben will. Für Staatsanwältin Vera Stoll eine wichtige Zeugin, was die Glaubhaftigkeit der Aussage der Angeklagten angeht. Außerdem sollen Videoaufzeichnungen aus der Spielothek aus dem fraglichen Zeitraum, sofern sie noch vorhanden sind, ausgewertet werden.
 

Alexandra Maier