Neuburg
"Die meisten haben Redebedarf"

Austausch und Information: Blickpunkt-Auge-Beratungsmobil kommt heute nach Neuburg

28.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:08 Uhr
Ein auffällig grüner Sprinter dient als Beratungsmobil des Projekts Blickpunkt Auge. Heute kommt er nach Neuburg. −Foto: Blickpunkt Auge

Neuburg (DK) Das Blickpunkt-Auge-Beratungsmobil, ein Angebot des deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands sowie seiner Landesorganisationen, kommt heute nach Neuburg.

Der grüne Sprinter, der mit verschiedenen Hilfsmitteln rund um besseres Sehen ausgestattet ist, steht von 10 bis 14 Uhr vor der BayWa an der Augsburger Straße. Eva Obermeier, Projektkoordination des Beratungsmobils im bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund, erklärt, was blinde beziehungsweise sehbehinderte Menschen und ihre Angehörigen bei einem Besuch erwartet.

Frau Obermeier, mit dem Projekt Blickpunkt-Auge-Beratungsmobil schließen Sie nach eigenen Angaben eine Lücke im Beratungsangebot für Menschen mit Sehverlust. Warum gibt es bei 80000 blinden beziehungsweise sehbehinderten Menschen allein in Bayern heute überhaupt noch solche Lücken?

Eva Obermeier: Warum es solche Lücken gibt, kann ich nicht 100-prozentig beantworten. Es ist oft so, dass Menschen mit Beschwerden zum Augenarzt gehen, und der kann ihnen eine Diagnose geben. Viele stehen dann vor der Frage: Ok, aber was kommt jetzt? Auch Optiker sind nicht alle geschult für "low vision", also wenn nur noch sehr geringes Sehvermögen vorhanden ist. Sie kennen sich aus mit Brillen für den Alltag, fürs Lesen, fürs Fernsehen, fürs Sehen in der Ferne oder in der Nähe. Aber wenn es um einen Bereich geht, wo man Lupen braucht oder normale Lupen nicht mehr ausreichen und man elektronische Lupen braucht, das müssen Experten machen. Und die muss man eben kennen.

Gibt es Hemmnisse seitens betroffener Menschen, Hilfe anzunehmen?

Obermeier: Grundsätzlich würde ich sagen, dass die meisten, die das Beratungsmobil besuchen, sich das ganz bewusst vornehmen und sich freuen, dass da jemand ist, bei dem sie ihre Fragen loswerden können. Ich würde auch sagen, dass die meisten Personen Redebedarf haben. Die Erfahrung zeigt, dass viele Personen ans Beratungsmobil kommen, um ihre eigene Geschichte erzählen zu können.

Also geht es nicht nur um Beratung, sondern auch um Austausch?

Obermeier: Genau. Wir haben eine Fahrerin, die sehend ist, aber auch immer einen ehrenamtlichen Berater dabei, der selbst betroffen, also blind oder sehbehindert ist. Es gibt aber auch viele Personen, bei denen es darum geht: Wie kann ich als Vollsehender den Personen weiterhelfen oder sie verstehen in ihrer Not? Das ist ja auch berechtigt. Dafür haben wir Personen, die genau solche Situationen schon einmal durchlebt haben.

Das Beratungsmobil kommt mit verschiedenen Hilfsmitteln rund um besseres Sehen. Was erwartet die Besucher?

Obermeier: Zum Beispiel einfache Alltagshilfsmittel wie Einfüllhilfen, die man ans Glas steckt und piepen, wenn man aufhören muss, einzuschenken. Es geht um das Thema Beleuchtung. Jedes Auge, auch bei Sehenden, braucht andere Lichtverhältnisse für optimale Sehbedingungen. Da kann man zum Beispiel gucken, ob man eher Rot- oder Gelbtöne braucht oder rausfiltern sollte. Wir können verschiedene Lupen zeigen und wie man damit umgeht. Es geht darum, dass die Leute eine Idee davon bekommen, was es eigentlich alles gibt.

Sie haben schon angedeutet, dass es bei der Beratung auch um sozialrechtliche Fragen geht. Welche können das sein?

Obermeier: Es geht zum Beispiel darum, wann und wie es möglich ist, dass die Krankenkasse solche Hilfsmittel zum Teil oder auch ganz übernimmt. Auch rechtliche Fragen sind zu nennen: Ich war mit dem Blindenstock unterwegs und habe jemanden zum Stolpern gebracht, der sich dann verletzt hat. Wie ist das versicherungstechnisch? Seit 2018 haben Blinde Recht auf Blindengeld. Da muss man ganze Stationen der Bürokratie durchlaufen, dass man zu seinem Recht kommt. Aber: Das Blickpunkt-Auge-Beratungsmobil ist nur eine Anlaufstelle. Wir können Tipps geben und an verschiedene Stellen weitervermitteln. Eine vollrechtliche Auskunft gibt es erst bei Experten.

Träger des Beratungsangebots ist der Blinden- und Sehbehindertenbund. Dieser vertritt die Interessen sehbehinderter Menschen gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Was können diese drei Institutionen tun, um zu einer Verbesserung der Situation erkrankter Menschen beizutragen?

Obermeier: Der Blinden- und Sehbehindertenbund ist gegründet worden, um betroffenen Personen ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Bei einer Blindheit oder Sehbehinderung kann das relativ allumfassend sein. Im politischen Sinne: Es geht natürlich ganz viel um das Thema Barrierefreiheit. Der öffentliche Raum soll barrierefrei gestaltet werden, damit diese Personen sich selbstständig bewegen können. Es muss ein Bewusstsein dafür geben, dass Barrierefreiheit nicht nur bedeutet, dass jemand mit dem Rollstuhl irgendwo hochkommen sollte, sondern auch, dass jemand, der nicht sieht, den Eingang zur Haustür findet.

Interview: Tanja Stephan
 STICHWORT
Das Projekt Blickpunkt-Auge-Beratungsmobil wird gefördert von der Aktion Mensch und durch die gesetzlichen Krankenkassen sowie ihre Verbände in Bayern.

Blickpunkt Auge will Betroffene und Angehörige niederschwellig und frühzeitig erreichen, um über die vielfältigen und umfassenden Hilfen für Menschen mit Sehverlust zu informieren. Wer heute keine Zeit hat: Das Beratungsmobil fährt nach der Station in Neuburg nach Kösching. Dort steht es am Freitag von 10 bis 13 Uhr am Schloss, anschließend in Kipfenberg von 14 bis 16 Uhr am Marktplatz. Weitere Infos unter www. blickpunkt-auge. de oder bei Projektkoordinatorin Eva Obermeier, Telefon (089) 55988-765, E-Mail: e. obermeier@blickpunkt-auge. de. 

tjs