Neuburg
Der Neuburger Ring als Gesamtkunstwerk des Faschings

Liederkranz präsentiert kreative Revue - Der Staatssekretär als Figaro - Und ein nostalgischer Abgesang auf die Innenstadt

24.02.2019 | Stand 02.12.2020, 14:34 Uhr
  −Foto: lm

Neuburg (lm) Schlägt der reale Politwahnsinn Kapriolen, dann konnte der Liederkranz keine zwei Jahre auf das nächste Faschingskonzert warten.

Zumal das einjährige Interimsprodukt (schon wieder) fast zu lang geriet. Aber das ist die wirklich exklusive Crux eines Kreativfex, dessen Musikwissen schon unheimliche Züge annimmt. Sein Name: Albert Basel. Der muss ein lebendes Musiklexikon sein.

Quer durch die unterschiedlichsten Genres, vom Renaissance-Madrigal bis zum Zeitgeist-Musical ist ihm nichts fremd. Vieles aus dieser kunterbunten Mixtur kennt man, hat man irgendwie im Ohr; das gehört zwingend dazu, dass Basel raffiniert mit diesem Wiedererkennungseffekt spielt. All das aber punktgenau abzurufen, entsprechend einpassen zu können - das ist hohe Kunst, setzt Bildung voraus und zeugt von schöpferischem Kreativpotential.

Selbstverständlich ist ein Faschingskonzert als Gesamtkunstwerk das Ergebnis vieler, deren Einsatz nicht zu hoch zu schätzen ist: Bernd Fürleger als Coautor, die beiden Pianisten Martin Göbel und Hans Hüttinger, die sich im rasanten "Kulissenwechsel" auf das Basel'sche Sammelsurium von gut zwei Dutzend Komponisten einlassen müssen. Da sind die einzelnen Nummern trefflich gewählt und die Charaktere getroffen, da gelingen verquerte Übergänge - und das Ganze ist aberwitzig aus einem Guss und von den Liederkranz-Akteuren ausgesprochen frech serviert.

Die Steilvorlagen liefert das reale Leben. Und wenn selbst die Augsburger Puppenkiste jetzt schon Wagners "Ring" spielt, packt es der Liederkranz erst recht. Und schon wogt das Schicksal los, nehmen die Walküren Brigitte Clemens und Luise Ilchmann gefangen für Neuburgs so geschüttelte Innenstadt oder, wie es bei Bernd Fürleger prosaischer heißt, "gibt Mutti alles. " Mord und Totschlag wie im Original finden in Neuburgs Ring nicht statt, aber die Götter streiten sich deshalb nicht minder gewaltig. "Nix da Bürschel" ist zwar ein Peter von der Grün noch rasch abserviert, zu neu im Amt ist er einfach noch nicht kabarettfähig. Die Musik mutiert derweil von Wagner zu Sergej Prokofjew, wo es ein Peter gar mit einem leibhaftigen Wolf zu tun bekommt.

"Ich war 'ne feine Dame" singt Luise Ilchmann mit Lehars "Lustiger Witwe" den ruchbar nostalgischen Abgesang auf die alte Innenstadt mit ihrer bunten Geschäfte-Vielfalt. Nur noch Katzenjammer - Musik ergo "Cats" - überkommt stimmlich famos Brigitte Clemens als heutige Innenstadt. "Wachet auf ruft meine Stimme" - nur ein altes Kirchenlied kann da noch zur Rettung der Innenstadt angestimmt sein. Der verpasst die Sängerschar gleich mal zwei Hoteltürme und schafft damit ein perfektes Schloss-Pendant. Aber natürlich meldet sich auch jetzt wieder der Chor der Protestierer, obwohl dem Liederkranz noch dieses imaginäre Kunststück gelingt, dass sogar die Fischergassler mal zufrieden sind.

Ringverkehr und Donaubrücke, Sitzungssaal, den zu besingen es schon Wagners "Tannhäuser" braucht, und auch noch der Grüngut-Ärger auf dem Wertstoffhof - die letzten Monate machen Bühnen-Bernhard (Gmehling) alias Bernhard Sönning einfach allgegenwärtig. Nichts anders als das aufmüpfig quirlige und von Selbstbewusstsein nur so strotzende Auftrittslied des Figaro aus Rossinis "Barbier" ist Aufsteiger Staatssekretär angemessen - eine tolle Stimme: Manfred Obermeier als Roland Weigert.

Matthias Enghuber hat derweil genau den Weg genommen, den stimmgewaltig Alexander Haninger ihm karnevalistisch schon vor Jahr und Tag prophezeite, wer schließlich schon mit schwarzer Muttermilch aufgezogen wurde, bei Otto Nicolais "Lustigen Weibern" hat sich Albert Basel dafür umgehorcht.

Für Horst Seehofers Politschmerz muss es schon Verdis "Don Carlos" sein, für Alexander Haningers sonorem Bass kräftig nach unten transponiert, heißt es jetzt eben "Sie hat mich nie geliebt", die Partei. Mit Seilbahnen und Transportdrohnen gelingt zum fröhlichen Finale gar der doppelte Neuburg-Ring, jetzt zweistöckig, der OB bekommt seine Donaubrücken, alle stimmen Erwin Kettls von Arcos Höhen grüßendes Neuburg-Lied an - "und mit dem Roland geht's immer weiter voran", weiß der alte Skimble aus "Cats". Nur der Dichterfürst - Norbert Stork in der Rolle des gern Verse schmiedenden Fritz Goschenhofers - ist im Original auch auf der Faschingsbühne nicht zu toppen.