Neuburg
Der Motor im Stadtteil

Mehr als nur Jugendtreff und Seniorengymnastik: Das Stadtteilmanagement Ostend und Schwalbanger

27.04.2018 | Stand 23.09.2023, 3:03 Uhr
Flexibel müssen sie sein, die Stadtteilmanager im Schwalbanger und im Ostend , Jürgen Stickel (links) und Marek Hajduczek. −Foto: Foto: Schmidt

Neuburg (DK) Begegnen, betreuen, bewegen. Dieses Motto nehmen Jürgen Stickel und Marek Hajduczek ernst. Sie sind die Neuburger Stadtteilmanager im Schwalbanger und im Ostend. Ihre Aufgaben reichen von der Hilfe bei Behördenbriefen bis hin zu fehlenden Spielplätzen im Quartier.

Donnerstag, 10 Uhr, die Tür des Bürgerhauses Schwalbanger steht weit offen. Drinnen haben sich ein paar Bürger und ehrenamtliche Helfer um den Tresen versammelt, trinken einen Kaffee. Zwei Jugendliche sitzen an einem Tisch im Eck. Zwischen ihnen die beiden Stadtteilmanager, immer in Bewegung. Stickel steckt den Kopf aus dem Büro. Plötzlich erhellt sich seine Mine deutlich: "Und, hat es geklappt?" ruft er in Richtung Tür. Da steht einer der ehrenamtllichen Helfer des Bürgerhauses und nickt. "Ich wusste es, das hab ich dir gleich im Gesicht angesehen!", ruft Stickel, freut sich sichtlich. Sein Schützling hat gerade die Zusage für einen Job bekommen.

Ganz nah dran am Menschen - dass das in den beiden Bürgerhäusern im Schwalbanger und Ostend keine Floskel ist, merkt man schnell. "Unsere Hilfen sind kreuz und quer", erklärt Hajduczek. Viele kämen in den Bürgerhäusern vorbei, fragen um Hilfe oder wollen einfach ein paar bekannte Gesichter sehen. "Oft geht es bei den Problemen um Sprache", erklärt er, "viele verstehen auch das Amtsdeutsch nicht." Das kann sein Kollege Stickel bestätigen: "Ich hatte schon einen Fall, in dem ein Bürger total ängstlich mit einem offiziellen Brief zu mir kam. Dabei stand da nur drin, dass seine Frau in Deutschland bleiben darf." Oft sind die beiden aber auch "Ersthelfer", wie sie sagen. Menschen kommen mit Problemen zu ihnen, "und ich entscheide dann, ob das ein Fall für die Familienberatung oder für die Schuldnerberatung ist", erklärt Stickel. "Täglich entstehen hier neue persönliche Probleme. Es hört nicht auf, da ist immer Bewegung drin. Es kommt vor, dass ein Bürger auf mich zukommt und sagt: ,Wir müssen reden. Es geht um Sucht, um Gefängnis.' Dann sage ich natürlich: Gut, komm am Montag vorbei."

Die Dankbarkeit dafür, dass sie tagtäglich Menschen bei ihren Alltagsproblemen unterstützen, spüren Hajduczek und Stickel oft noch viel später. Einige bringen selbstgemachtes Essen vorbei, andere bedanken sich noch Jahre später auf der Straße. "Einer hat mir gerade heute morgen auf meiner Gassirunde anvertraut, dass er jetzt gegen seine Alkoholsucht ankämpft", erzählt Hajduczek. Da sei viel Vertrauen im Spiel - und die entsteht durch jahrelange Erfahrung.

Schon beinahe 18 Jahre ist Jürgen Stickel dabei. Mit einem kleinen Bürgertreff im Stadtteil Ostend begann seine Arbeit als Stadtteilmanager. Aus einer Städtebauförderung entstand das Projekt in diesem Viertel. Die Vorraussetzungen damals waren eine enge und nicht zeitgemäße Bebauung oder auch ein hoher Anteil an Bewohnern mit Migrationshintergrund im Viertel. Alle vorhanden im Ostend: Die Bausubstanz sei sehr rückständig gewesen, erinnert sich Stickel. "Damals sind die Leute im Viertel abends mit der Ölkanne gelaufen, um eine warme Heizung zu haben. Das war selbst Ende der 90er nicht Stand der Technik." Stickel machte den Bürgertreffpunkt zu einem echten Zentrum des Viertels, setzte sich ein für Grünflächen, Parkplätze, eine bessere Lebensqualität für alle. Die Bewohner entdeckten die Möglichkeiten, die Jugendlichen freuten sich über den Internetanschluss. Einer von ihnen: Marek Hajduczek, der erst ehrenamtlicher Helfer und später selbst Stadtteilmanager wurde.

Doch zuerst entstand noch ein zweites Bürgerhaus im Schwalbanger. Und ein Bürgerverein, der die Ehrenamtlichen bündelt und einige Aktionen über Mitgliedsbeiträge finanziert. "Die Idee war, dass der Verein irgendwann die Bürgerhäuser alleine fortführen kann." Denn die Zusage des Projekts Soziale Stadt, die Maßnahmen zu fördern, waren immer nur auf drei Jahre beschränkt. Heute kommt der Großteil der Förderungen von der Stadt. Ihr gehören die beiden Bürgerhäuser, Hajduczek und Stickel sind städtische Angestellte.

Die meiste Arbeitszeit verbringen die beiden nun mit netzwerken, koordinieren und vermitteln zwischen Bürgern, der Verwaltung und anderen Einrichtungen. "Wir wollen der Motor sein, der den Stadtteil am Laufen hält." Dazu gehören auch Projekte wie das Mehrgenerationenhaus im Schwalbanger oder "Jugend stärken im Quartier". Im Mittelpunkt stehen immer Menschen, die Unterstützung brauchen - so auch bei der Hausaufgabenbetreuung, der Seniorengymnastik, dem Bewerbungstraining oder der Ferienbetreuung. Ihm gehe es nicht darum, zu helfen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, sagt Stickel, sondern darum, Prävention zu leisten, "damit es nicht erst reinfällt". Klassische Hilfe zur Selbsthilfe eben.

Genauso sieht es Marek Hajduczek, der viel in der Jugendarbeit macht. "Es geht darum, Freiräume zu lassen, Verantwortung zu übertragen, Anerkennung auszudrücken und nur so viel Hilfe zu geben, wie nötig." Als Beispiel nennt er einen Holzunterstand neben dem Bürgerhaus Ostend, den die Jugendlichen selbst gebaut haben. "Da ist die Motivation eine ganz andere."

Viel habe sich getan in den vergangenen 18 Jahren, resümiert Stickel. "Das Ostend von damals und da Ostend von heute kann man nicht vergleichen." Die beiden haben sich eingesetzt für Freiflächen, für Park- und Spielplätze. Und Stück für Stück habe sich so auch das Image der beiden einstigen "Problemstadtteile" verändert und die Identifikation der Menschen dort mit ihrem Quartier sei gewachsen. Heute zeige sich immer mehr, dass die Menschen dort gerne leben und auch Kulturen gut zusammenpassen. Eine der schönsten Erfahrungen Hajduczeks: "Als vor Monaten in der Türkei die Beziehung zu den Kurden angespannter wurde, waren ein Türke und ein Kurde bei uns beste Freunde. Das zeigt, dass unsere Integrationsarbeit funktioniert."

Und so erschließen sich für die Arbeit der beiden immer mehr Zielgruppen. Geflüchtete Frauen zum Beispiel, oder Jugendliche, die man schon sehr früh bei der Berufswahl unterstützt. An Ideen, Projekten und Arbeit mangelt es also nicht. Besonders für eines hätten sowohl Stickel als auch Hajduczek aber gerne mehr Zeit: Die Arbeit auf der Straße. "Manchmal bekomme ich von den Jugendlichen mit, dass ein anderer ein Problem hat, der sich aber nicht zu mir traut. Da muss ich raus aus meinem Büro und hin zu den Treffpunkten der Jugendl ichen. Und beim zweiten oder dritten Versuch vertraut sich derjenige mir dann an. Mit Streetwork könnte ich die Hemmschwelle abbauen. "

Sophie Schmidt