Neuburg
Der Mann, der alles kann

"Fehler im System" begeistert im Neuburger Stadttheater: Oliver 4.0 bietet seine Dienste als Roboter

14.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:14 Uhr
Seine Kompetenz als Hausroboter beweist Oliver (Tommaso Cacciapuoti). Lea (Jürgen Tarrach) und Emma (Jasmin Wagner) ist das nicht ganz geheuer. −Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Aus dem Lachen kaum mehr heraus gekommen sind die Besucher der Komödie "Fehler im System" im Neuburger Stadttheater. Jedenfalls in der ersten Hälfte. Im zweiten Teil zeigte das Ensemble des Schlossparktheaters Berlin, dass Folke Brabands zukunftsweisendes Werk zusätzlich Tiefgang hat.

Zunächst jedoch überwiegt die Situationskomik im furiosen Possenspiel um Identitäten und jede Menge Verwechslungen. Gerade hat Emma (Jasmin Wagner) ihren Freund Oliver erfolgreich vor die Tür gesetzt, da steht er plötzlich wieder in ihrer Wohnung und stellt sich in monotonem Singsang als "Oliver Vierpunktnull" vor - eine künstliche Intelligenz (KI), die sie vor zwei Jahren als Haushaltsroboter im Internet kreiert, bestellt und dann wieder vergessen hat, weil sie nie wieder etwas von der Firma hörte. Nun aber ist "Oliver Vierpunktnull. Hallo. Guten Tag" wieder da.

Im Gegensatz zum Original, dem er zum Verwechseln ähnlich sieht, legt es die KI darauf an, alles zu tun, "damit der User zufrieden ist". Also Kochen, Waschen, Putzen und noch mehr. Emma ist skeptisch, doch Oliver 4.0 lässt sich nicht abwimmeln. Turbulent wird es, als Emmas Vater (nur dezent tuntig, eher clownesk: Jürgen Tarrach) auftaucht, der sich gerade einer Geschlechtsumwandlung unterzieht und die KI für den echten Oliver hält. Der mischt natürlich auch noch mit. Großartig in der Doppelrolle Tommaso Cacciapuoti, der den cool-machohaften Exfreund ebenso überzeugend mimt, wie die sympathisch-treuherzige KI, deren Charme nicht nur Emma, sondern auch das Publikum erliegt. Von Lea, wie sich Emmas Vater nun nennt, ganz zu schweigen. Den Ex-Beinahe-Schwiegersohn mochte er nicht, doch diesen neuen, veränderten Oliver schließt er ins Herz, zumal der ein köstliches Boeuf Stroganoff kochen kann.

So ist Lea entsetzt, als Chris (bringt Action hinein: Guido Hammesfahr), ein staatlich geprüfter KI-Catcher die Wohnung stürmt, um Oliver 4.0 aus dem Verkehr zu ziehen, da der Hersteller Partnercook.com einen "Fehler im System" festgestellt habe. Es entwickelt sich ein munteres Bäumchen-wechsel-dich-Spiel. Am Ende steht die KI in der Küche und der menschliche Oliver wird abtransportiert, um aufgeschraubt zu werden und ein Software-Update zu bekommen. Keine Frage, dass Chris jede Menge Ärger mit den immer frecher werdenden KIs hat. Es gibt zwar eigentlich nur eine, doch Chris erklärt Lea kurzerhand zur "chinesischen Billigware", für die sein Auftraggeber aber jegliche Verantwortung ablehne. Irgendwann sind Oliver 4.0 und Emma alleine, es wird Abend und der Vorhang fällt zur Pause.

Nun wird das Spiel zunehmend philosophischer, zur Komik gesellen sich ernste Fragen. Kochen, Waschen, Putzen, ein guter Liebhaber - Oliver 4.0 schlägt das Original bei weitem. "Du wärst der erste Mann, der das alles kann", muss er sich dafür zwar anhören, doch im Hintergrund schwingt die Frage mit, ob die KI eines Tages den Menschen ersetzen wird? Chris ist felsenfest davon überzeugt, das sei nur eine Frage der Zeit. Oliver 4.0 lernt dazu, bekommt Gefühle, wird zunehmend emotionaler, sogar seine anfangs stechend blauen Augen scheinen weicher, menschlicher. Die Grenzen verschwimmen, zumal Oliver 4.0 so viel netter ist als sein protziges menschliches Pendant. Doch wo führt das hin? Wer bekommt die Kontrolle zurück und wie?

Eine wunderbar leicht verdauliche Zubereitung einer schweren Kost, ausgezeichnet gespielt, kurzweilig, stringent und zum Nachdenken anregend - eine Komödie am Puls der Zeit.

Andrea Hammerl