Neuburg
"Das ist echt kein Ponyhof"

Hunderte Freiwillige kämpfen seit Freitag gegen die Schneemassen in Inzell - Einsatz geht voraussichtlich heute zu Ende

14.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:38 Uhr
  −Foto: Kretzmann/Kreitmeier/ Rieß/BRK

Neuburg (DK) Mehr als 120 Einsatzkräfte aus Neuburg und Umgebung sind seit Freitag unter anderem in Inzell (Kreis Traunstein), um dort gegen die Schneemassen zu kämpfen. Die Arbeit vor Ort ist schwer, aber die Stimmung unter den Helfern von Feuerwehren, Technischem Hilfswerk und Rotem Kreuz gut. Trotzdem bleibt die Lage weiter angespannt, vor allem weil neuer Schnee angekündigt ist.

"Das ist ein elend schweres Geschäft", sagt Neuburgs Kreisbrandrat Stefan Kreitmeier, der selbst in Inzell vor Ort ist. "Durch den derzeitigen Regen wird der Schnee so schwer, dass unsere Kräfte beim Schaufeln an ihre Grenzen geraten." Laut eines Statikers wiege ein Kubikmeter Schnee aktuell rund 260 Kilogramm. Eine große Last, vor allem für Dächer. "Deshalb besteht unsere Hauptaufgabe momentan aus Abräumen."

Die Arbeitstage der freiwilligen Helfer sind lang und können schon mal von 6.30 bis 22 Uhr dauern. "Am Vortag findet eine Begehung durch die örtliche Einsatzleitung und Statiker statt, dabei werden die Dachstühle kontrolliert", erklärt Kreitmeier. Abends werde dann eine Prioritätenliste der zu räumenden Dächer erstellt "und bei der letzten Lagebesprechung um 21 Uhr informiere ich meine Leute über ihre Aufgaben für den nächsten Tag". Trotz der harten und kräftezehrenden Arbeit sei die Stimmung unter den Einsatzkräften gut. "Wir werden vorbildlich versorgt, uns fehlt es an nichts", versichert Kreitmeier. Für etwas Abwechslung sei man von Kantinenessen auf Gasthäuser umgestiegen. "Da gibt's statt Linsensuppe auch mal ein gutes Pfeffersteak."

Untergebracht sind die insgesamt 123 freiwilligen Helfer in der Berufsschule Traunstein. Dort wurden Schlafplätze in der Aula, in Klassenzimmern und auf dem Flur eingerichtet. "Das ist echt kein Ponyhof, aber es ist eben eine Notsituation", sagt Kreitmeier. Die Hausmeister seien bemüht, würden für Grundlegendes sorgen und es so angenehm wie möglich machen.

Am Sonntagabend wurden 45 Kräfte aus dem Krisengebiet abgezogen und durch 45 neue am Montagmorgen ersetzt. "Die Truppe ist pünktlich zum Frühstück eingetroffen und war anschließend gleich arbeitsbereit", erzählt Matthias Hentschel, der beim Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen für den Zivil- und Katastrophenschutz zuständig ist. Dank eines Katastrophenschutzgesetzes seien auch die Verdienstausfälle gewährleistet, "sonst würden wir gar nicht erst ausrücken", sagt Hentschel. Alle Kosten, die bei den eingesetzten Kräften entstehen, gehen laut Sprecherin Sabine Gooss an das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen und werden letztlich dem Landkreis Traunstein in Rechnung gestellt.

Trotz des hohen Arbeitspensums sei es vor Ort bislang zu keinen gravierenden Unfällen gekommen. "Ich stehe auch mit den Eichstätter Kollegen in Kontakt und da geht es soweit auch allen gut", weiß Kreitmeier. Der Einsatz in Inzell sei "sehr zufriedenstellend". "Wir arbeiten die Aufträge nacheinander ab, vor allem die Dachräumerei ist nicht ungefährlich", erklärt Hentschel. Deswegen sei gegenseitige Hilfe enorm wichtig.

Während die Feuerwehrleute auf den Dächern sind, bewacht das BRK die Lage von unten und das THW sorgt für reibungslose Arbeitsabläufe. "Wir betanken die Feuerwehrfahrzeuge, versorgen die Helfer mit Material und in unserem Werkstattwagen können wir auch Reparaturen machen", sagt Rene Kaden vom THW von der Fachgruppe Logistik. Beim Roten Kreuz in Neuburg wurde am Sonntag ein Krisenstab eingerichtet. "In den Landkreisen Miesbach und Traunstein herrscht momentan Alarmstufe 2", sagt Robert Augustin, BRK-Kreisgeschäftsführer.

Auch wenn die Situation derzeit außergewöhnlich und angespannt sei, erfahre man von der Bevölkerungen großen Dank. "Manchmal ist die Stimmung aber auch zweigeteilt, zum Beispiel, wenn ein Hausbesitzer sein Dach selbst räumen muss, weil der Statiker das so entschieden hat, während wir die Schneemassen beim Nachbarn wegschippen", sagt Kreitmeier. Aber insgesamt werde Nachbarschaftshilfe hier sehr groß geschrieben.

Voraussichtlich bis heute Nachmittag 17 Uhr wird der Einsatz des Neuburger Konvois noch andauern. "Danach sind die 96 Stunden als Hilfskontigent eigentlich abgelaufen", weiß Kreitmeier, "aber das Wetter hier ist unberechenbar und kann sich innerhalb von Sekunden ändern." Für die Nacht seien 80 Zentimeter Neuschnee angesagt, "da müssen wir an unserem letzten Tag nochmal mit ordentlich Schwung an die Arbeit". Ob in den kommenden Tage dann erneut Hilfe aus Neuburg gebraucht wird, bleibt abzuwarten.

Luisa Riß