Neuburg
Knotenpunkt im Pipeline-Netz der Nato

Militärische Sicherheitszone: Weicheringer Tanklager speichert Kerosin für den Flugplatz Neuburg

13.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:55 Uhr
  −Foto: Schanz

Neuburg (DK) FBG: Nur drei Buchstaben kennzeichnen die Abfahrt an der Bundesstraße 16 bei Weichering - direkt in ein hoch umzäuntes Areal im Wald. Dahinter verbirgt sich die Fernleitungs-Betriebsgesellschaft, die über die Nato-Pipeline militärische aber auch zivile Flugplätze mit Kerosin versorgt - auch die Neuburger Eurofighter.

Eine Fischaugenkamera verfolgt den Besucher, der sich dem Tor nähert. Hinter dem Zaun patrouilliert ein Wachmann mit Schäferhund. Dann öffnet sich das automatische Stahltor zum östlichsten Tanklager im großen zentraleuropäischen Verbund der Nato-Pipeline. Hier lagern unter bewachsenen Hügeln in vier Stahltanks insgesamt 30000 Kubikmeter - 30 Millionen Liter - Kerosin.

"Neuburg ist Teil des zentraleuropäischen Pipeline-Systems", erklärt Walter Bimmel, Geschäftsführer der Fernleitungsbetriebsgesellschaft mit Sitz in Bonn - einem halbstaatlichen Unternehmen, das die Versorgung der Nato-Streitkräfte mit Flugtreibstoff sicherstellt. Betreiber und Eigentümer der deutschen Infrastruktur ist der Bund, organisiert über das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr.

Das zwölf Hektar umfassende Weicheringer Tanklager ist ein Endpunkt in einem 5300 Kilometer langen, mehrere Staaten umspannenden Pipelinesystem, versorgt per Schiff über die großen Häfen in Rotterdam, Gent, Antwerpen, Le Havre und Lavera im Süden Frankreichs, durch petrochemische Fabriken und unzählige Pumpwerke. 1600 Kilometer Rohrleitung führen allein durch Deutschland. Die US-Streitkräfte sind der Hauptabnehmer des Kerosins, die Luftwaffe Frankreichs, Deutschlands, Belgiens, aber auch zivile Flughäfen wie Frankfurt oder Luxemburg. Weichering ist einer der östlichsten Punkte. "Wir sind einer der jüngsten Pipeline-Abschnitte, die gebaut wurden", sagt Henry Desch, der Betriebsleiter der 1984 in Betrieb genommen Weicheringer Einrichtung.

Mit Helm, Ohrenschutz und Sicherheitsschuhen führt er in einen großen Verteilerraum, wo gerade eine "Lieferung" durch die Rohrleitungen sprudelt. In der sogenannten Schieberkammer kommt das Kerosin mit einem Maximaldruck von 100 Bar in Weichering an und wird weiterverteilt. Theoretisch könnte in der Hochdruckpumpstation auch Flugtreibstoff zurück durch die Leitung nach Aalen geschickt werden, doch im Regelfall empfängt das Weicheringer Tanklager nur. In zwei 5000- und zwei 10000-Kubikmeter-Tanks wird das Kerosin dann eingelagert, durch eine eigene Leitung an das benachbarte Taktische Luftwaffengeschwader 74 gepumpt oder über eine Befüllanlage in Tanklaster verladen und an zivile Flughäfen wie in Nürnberg geliefert. Acht Mitarbeiter, hauptsächlich Techniker, Metallbauer und Elektriker kontrollieren den reibungslosen Ablauf im Weicheringer Forst.

"Munition oder Waffen lagern hier bei uns nicht", räumt Betriebsleiter Desch gleich mit einem Gerücht auf, das immer wieder in Neuburg die Runde macht. Weil das Kerosin hauptsächlich für die Bundeswehr bestimmt ist, gilt das Areal - wie alle anderen Knotenpunkte der Nato-Pipeline - jedoch als militärischer Sicherheitsbereich, wird also streng bewacht. Sollte es die Sicherheitslage erfordern, würde der militärischen Versorgung Priorität eingeräumt, müssten zivile Flieger notfalls am Boden bleiben. "Doch dazu ist es bisher nie gekommen", sagt Bimmel.

Der Geschäftsführer muss in der Dachorganisation zusammen mit staatlichen Vertretern aus den USA, den Niederlanden, Luxemburg, Belgien und Frankreich Abstimmungen treffen - einstimmige Entscheidungen sind nötig. In diesem Gremium wurde auch beschlossen, die angestrebten Pläne für den Rückbau des Systems nicht weiterzuverfolgen. Ursprünglich war das Leistungsnetz noch größer, umfasste über 6300 Kilometer Leitung, nach und nach wurden im Zuge der entspannenden Weltlage Standorte abgebaut. Doch mit den Spannungen im Verhältnis zwischen der Nato und Russland wurde die Verkleinerung auf Eis gelegt. "Der Standort Neuburg steht nicht zur Debatte", stellt Bimmel klar. Von ehemals 1100 Mitarbeitern arbeiten heute nur noch 320 bei der FBG, was aber vor allem der technischen Entwicklung geschuldet ist. Wo früher vor Ort Kontrolleure nötig waren, werden die Anlagen heutzutage per Computer in einer großen Zentrale in Versailles gesteuert.

"Durch die Verteilung per Pipeline können im Jahr 300000 Tankwagen-Fahrten eingespart werden, was der Umwelt zu Gute kommt", sagt Bimmel. Das Kerosin freilich wird dann in den Flugzeugen verbrannt.

Sebastian Schanz