Neuburg
Geschichten mitten aus dem Leben

Moritatensänger begeistern auf dem Neuburger Wochenmarkt ihr Publikum

27.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:21 Uhr
Josef Heumann
Zünftige Sache: Am Samstag war Volksmusikant Ernst Schusser mit seinen Moritaten wieder auf dem Neuburger Wochenmarkt; rasch bildeten sich Trauben mitsingender Menschen um ihn. −Foto: Heumann

Neuburg (DK) So richtig und echt aus dem Leben gegriffen - und mitten im pulsierenden Leben dargeboten: Das sind Moritaten, die es am Samstag in Neuburg auf dem Wochenmarkt zu hören gab - genau der richtige Platz dafür. Ein bisschen altmodisch ist die ganze Sache schon, überhaupt schon das Wort. Moritat: da stecken Sittlichkeit und Tugendhaftigkeit förmlich drin, auch wenn andere Sprachforscher auch einen Zusammenhang mit Mord herzustellen versuchen; aber auch ein solcher steckt nicht selten in den Geschichten einer Moritat.

Altmodisch klingt es aber auf jeden Fall kein bisschen, so lebendig Ernst Schusser die Lieder und Dramen, die sich darin allesamt abspielen, zum Besten gibt. Mit im Gepäck auch das Ehepaar Regina und Wolfgang Killermann aus München, schließlich braucht's zum Moritatensingen mindestens drei Hände, zwei auf der Quetschen, die hier ein wenig die Drehorgel ersetzt, und mindestens eine für den Zeigestab und gegebenenfalls auch mal fürs Umblättern.

Denn eine richtige Moritat ist ein Gesamtkunstwerk aus - gesungenem - Wort plus Bild. Erst in dieser Kombination entfalten die oftmals absonderlichen und schon mal auch abscheulichen, zumeist indes doch verzeihlichen Geschehnisse all ihre so erbauliche wie belehrende Wirkung. Das Malen obliegt Eva Bruckner, fleißig auch auf der Gitarre mit von der Partie.

Bruckner wie Schusser kommen vom Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern. Sie sammeln und singen also hauptberuflich, wobei man die vielen Stunden und im Sommer praktisch so ziemlich jeden Samstag besser nicht zusammenzählt, da käme man wohl glatt in einen arbeitsrechtlichen Konflikt. Aber einer wie Ernst Schusser ist ein echter und - man könnte auch sagen - unverbesserlicher Überzeugungstäter. Da gibt es einfach so vieles, das unbedingt erhaltenswert ist und längst dem Vergessen preisgegeben wäre, gäbe es nicht welche, die ganz massiv und eben auch mit Überstunden etwas dagegen unternehmen.

Und gerade einer wie er weiß: Ein Archiv funktioniert nur und macht bloß Sinn, wenn es lebendig ist, wenn im speziellen Fall des Volksliedgutes - die Moritaten sind da nur eine Abteilung - dieses auch gesungen wird. Und dank der kleinen Textbüchlein, die fleißig verteilt werden, klappt das mit dem Mitsingen prima. Immer wieder kommt gerade auf diese Weise Neues dazu, wenn jemand auf die Straßenmusikanten zugeht und meint, auch ein solches Lied zu kennen. So wurde schon mancher sonst längst verklungene Schatz geborgen.

Und horcht man bloß ein bisschen hinein, wovon die Moritaten berichten, wie es da oft zur Sache geht - verglichen mit modernen Schlagern: Wer sieht da ziemlich alt aus? Prüde und langweilig. Seit 1993 kommt Ernst Schusser immer wieder nach Neuburg. Damals waren es die Oberbayerischen Kulturtage. Heute reichen schon ein Stück Pflaster vom Marktplatz und doppelt schön natürlich so ein Sonnenwetter wie am Samstag.

Josef Heumann