Neuburg
Ebenso ausdrucksstark wie facettenreich

Jahresausstellung des Kunstkreises zeigt eine bunte Auswahl an überraschenden und eindringlichen Werken

09.09.2018 | Stand 23.09.2023, 4:01 Uhr
Josef Heumann
Zwei prägnante Künstler-Handschriften auch bei dieser Ausstellung: Inge Schneider (links) und Christine Reith, deren Arbeit im Hintergrund den Betrachter herausfordert. −Foto: Heumann

Neuburg (DK) Bürgermeister Rüdiger Vogt nennt sie gar imposant, spannungsgeladen ist die aktuelle Jahresausstellung des Neuburger Kunstkreises allemal. Erstmals können dafür - bis 23. September - wieder Rathausfletz plus Fürstengang bespielt werden. Möglichkeiten des Letzteren bleiben zwar etwas ungenutzt, aber eine Jahresausstellung hat sich nun mal am dafür Eingereichten zu halten. Und da dominiert eben das Stellwände verlangende Bild.

Aber da könnte das "Angebot" kaum breiter gefächert sein als in diesem Panoptikum vorrangig hobbymäßig verfolgten Kunstschaffens. Hobbymäßig allein schon deshalb, weil sich vom Bildermalen immer schlechter leben ließe. Warum man so beflissentlich, ernstlich und mit oftmals überraschendem Ergebnis der materiell jedenfalls schlecht entlohnten Betätigung nachgeht, versuchte die Kunstkreis-Co-Vorsitzende Christine Reith in ihrer forschenden wie im Ausgang offenen Einführung in die - wie stets bei diesem Anlass - bestens besuchte Vernissage zu ergründen. Den impulsiv expressiven Vokal-Akzent setzte Sonja Auer-Strobl mit ihrer Combo.

Individueller Ausdruck und gesellschaftlicher Anspruch verbinden sich allenthalben in (guter) Kunst, wofür das innovative Moment gewiss nicht der schlechteste Ansporn ist. Dieser wird unterschiedlich, auch unterschiedlich stark, von Karin Stark eingelöst, in hyperrealistischer Fröhlichkeit und in einer stark an die Südkoreanerin SEO erinnernden Farbpalette, ohne deren strukturelle Strenge auch nur ansatzweise zu imitieren. In ihrer Individualität durchaus verwandt, wenn im Motiv ungleich experimenteller auch in der Umsetzung ist Sandra Steinwender mit ihren Blumen-Studien. Kann es einen arg größeren Kontrast zu Karin Stark geben, als wenn im Rathausfletz direkt die rudimentären an verbrannte Erde gemahnenden Arbeiten von Adi Reble folgen? Ähnlich in der Tiefe gründend, aber durchaus farbintensiv, die Grenzen des Abzubildenden auslotend: Nimet Serifsoy, ein neuer Name im Neuburger Kunstkreis. Und wieder der dank klug frecher Hängung sublimste Kontrast in Dagmar Kieksers ebenso zwischen Grafik und Farbschattierung changierende Arbeit.

Bei so viel Spannung kann es schon mal in die Luft gehen, womit sich Annemarie Meilinger als gewitzt gekonnter Verpackungsmüll-Recycler betätigt. So jemand darf das auch, wer andererseits so eine treuherzig dem Betrachter begegnende Kuh malen kann. Gleiche Schule, gleicher "Stall": Eine gewisse Verwandtschaft zur benachbart hängenden Arbeit von Christel Rietze ist Gabriele Kuschill nicht abzusprechen. Schade, dass parallel zu Kuschills Füße-Studie nicht auch eine Arbeit aus Christel Rietzes bald einjähriger Beschäftigung mit dem nämlichen Sujet hängen darf, aber das Zeitlimit der Ausstellung lautet nun mal drei Jahre und nicht älter. Wenn Rietze in ihrem Beitrag diesmal "ausräumt", ahnt man um die Bezüge der begegnenden Utensilien: Die über 80-jährige ist noch lange nicht fertig, da kündigt sich ein neuerlicher Aufbruch ab. Impulsiver denn je: Inge Schneider, die neue Freiheiten für sich und in ihren Blumen-Motiven einfordert. Gute alte, nein beste alte Schule ist Uwe Frömmert mit seinen detailpräzisen Zeichen-Illustrationen. Natur- wie heimatnah begegnet einem Hans von Waldenfels in seinen Impressionen auf Leinwand. Absolut gegenwartsnah wird es, wenn bei E.A. Jung der Wolf, bei Peter Schiele ein ausdrucksstarkes Migrantengesicht wohl beide nicht so ganz heimgekommen sind. Die schwerste Nuss für den Betrachter hinterlässt Christine Reith. Ähnlich wie in ihrer Vernissagen-Rede reißen auch die Arbeiten so ungemein viel an, verweigern aber zwischen all den angeregten Möglichkeiten die Entschiedenheit: Zwischen nichtssagend und geschwätzig zu sein, lauert ein gemeiner Abgrund. Aber auch eine ungemein herausfordernde Tiefe.

Josef Heumann