Neuburg
Beauftragter für die "Ironisierung des Abendlandes"

Bruno Jonas zeigt sich als genialer Satiriker mit unangenehmen Wahrheiten für die Zuhörer

18.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:13 Uhr
Bruno Jonas überzeugte sein Publikum in Neuburg. −Foto: A. Hammerl

Neuburg (ahl) "Wird das Richtige falsch, nur weil es der Falsche sagt? ", beginnt Bruno Jonas sein samt Zugabe und Pause dreistündiges Programm im Kolpingsaal und setzt nach: "Kann Seehofer überhaupt noch etwas Richtiges sagen? ".

Bissig, pointiert, doppelbödig mit Anführungszeichen, manchmal auch aufrüttelnd konfrontiert er sein Publikum nicht nur mit unterhaltsamem Kabarett, sondern gibt ihm auch manch harte Nuss zu knacken, manche offenbar unangenehme Wahrheit. Wie anders ist es zu erklären, dass es völlig still im Saal bleibt, wenn Jonas davor warnt, die Meinungsfreiheit werde abgeschafft und klarstellt, er lasse sich nicht von den Gescheithaferl der Unwort-Kommission vorschreiben, welche Wörter er nicht mehr benutzen dürfe?

Keine Reaktion, als er das Freiheits- und Studentenlied "Die Gedanken sind frei" anstimmt, niemand fällt ein, niemand klatscht. Vielleicht waren einfach zu wenige Studenten im gut gefüllten Saal - wobei die heutzutage wohl noch weniger "der falschen Seite" Applaus angedeihen ließen als die älteren Semester. Allen, die ihn fragen, ob er keine Angst habe, von der falschen Seite Applaus zu bekommen, schleudert der geniale Satiriker entgegen: "Wenn ich aus dieser Angst etwas Richtiges verschweige, dann entmündige ich mein Publikum". Das, wie er eingangs festgestellt hat, zu 100 Prozent intelligent und humorvoll ist.

In seiner 68er-WG sei die Klotür ausgehängt worden, "das war avantgardistisch, aber fürs Raumklima war es Scheiße". Heute gälten Wörter als vergiftet, wenn sie in der afd-Ladestation gewesen sein könnten und noch nicht von der Süddeutschen als unverdächtig freigegeben wurde. Verbotene Vokabeln wie Nachbar (seit Gaulands Boateng-Zitat) kennt er genügend, so wird der Flüchtling zum Geflüchteten, weil Linguisten erkannt haben wollen, dass Wörter auf "ing" negativ behaftet seien. Was dann wohl für Schönling, Schmetterling, Liebling ("sehr negativ"), Trauring (das weiß er aus eigener Erfahrung), Lehrling, Hering, Kümmerling - hier denkt er an Heiko Maas - und natürlich den Fiesling gelten muss. Jonas empfiehlt den Blick in Orwells negative Utopie "1984", denn "da kommt das vor mit den Wörtern".

Unverdrossen arbeitet er an der "Ironisierung des Abendlandes", überlegt, ob er sich nicht zum Islam bekennen soll, um dem Vorwurf, islamophob zu sein, zu entgehen - und weil er dem Frauenbild des Islam durchaus etwas abgewinnen kann. Statt Deutsch mit seiner Frau zu reden - was sie mitunter nicht zu verstehen scheint, könnte Arabisch die Lösung bringen, denn "das ist die Sprache der Zukunft". Schließlich hat ja schon Katrin Göring-Eckardt gesagt: "Integration ist keine Einbahnstraße". Wenn Zuwanderer nicht Deutsch lernen, dann müssen eben die Deutschen Arabisch lernen, findet Jonas, der den Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" als populistisch und undifferenziert brandmarkt, indem er auf Salafismus, IS, Al-Nusra verweist und fragt, was mit den anderen Religionen sei und fordert, dass der Atheismus auch zu Deutschland gehört.

Kräftigen Applaus bekommt er für sein Statement "Die Vernunft gehört zu Deutschland", wie natürlich jeder "freundliche, gesetzestreue Muslim, der sich ans Grundgesetz gebunden fühlt". Noch nie sei ihm, obwohl vor Jahrzehnten aus der katholischen Kirche und ihr steter Kritiker ausgetreten, der Vorwurf begegnet, katholophob zu sein.
Understatement in Reinkultur ist die Rahmengeschichte: Umgeben von Paketen für seine Nachbarn, die er vom Paketzusteller Murat angenommen hat, lebt Bruno Jonas als "dummer Niederbayer" in einem denkmalgeschützten Haus im Arbeitermilieu.

Running gags im Programm sind seine Frau, die während der Smartphone-wischenden Frühstücksidylle aus der Zeitung erfahren muss, dass sie laut Judith Butler als Frau "eine zwanghafte gesellschaftliche Fiktion" sei. Nicht zu vergessen den Grünen Robert Habeck, der berechtigte von unberechtigten Ängsten unterscheidet, Donald Trump, der früher bei den Simpsons im Keller lebte, und Paketzusteller Murat. Großartig Jonas Spiel mit der Sprache, deren Klaviatur er so perfekt beherrscht, dass er kaum Angriffsfläche bietet, indem er manches hinterher in Anführungszeichen setzt, dadurch sich selbst und seine Kunst ironisiert und auf höherer, künstlerischer Ebene wieder aus der Schlinge zieht.