Nach umstrittenen Aussagen
"Bin kein Impfgegner": Bergheimer Bürgermeister rudert zurück

"Bin kein Impfgegner": Tobias Gensberger äußert sich zu umstrittenen Aussagen und zeigt Reue

28.12.2021 | Stand 02.01.2021, 3:35 Uhr
Da war die Welt noch in Ordnung: Bergheims Bürgermeister Tobias Gensberger (Mitte) im Sommer 2020 mit seinen beiden Stellvertretern Claudia Heinzmann und Thomas Bauer. −Foto: S. Hofmann, DK-Archiv

Bergheim - Auf das lange Schweigen folgt die Rolle rückwärts: Der Bergheimer Bürgermeister Tobias Gensberger räumt nach seiner umstrittenen Weihnachtsbotschaft einen Fehler ein. Gleichzeitig distanziert sich der Kommunalpolitiker ausdrücklich von Impfgegnern, Querdenkern und Corona-Leugnern.

In einer am Dienstagabend veröffentlichten schriftlichen Stellungnahme erklärt der 36 Jahre alte Rathauschef, seinen Bürgerbrief von vergangener Woche "zutiefst" zu bereuen. "Die Wirkung der Inhalte habe ich völlig unterschätzt", so Gensberger, der mit seinen Ausführungen nach Bekanntwerden bundesweit in die Schlagzeilen geraten war. Wie berichtet, hatte sich der Bürgermeister in der Heiligabendausgabe des Bergheimer Gemeindeblatts zu seiner eigenen Covid-Erkrankung geäußert. Seine Wortwahl fiel allerdings derart missverständlich aus, dass der Eindruck entstehen konnte, bei Gensberger handele es sich um einen Impfgegner.

Doch genau das ist seinen Worten zufolge nicht der Fall. "Ich möchte klarstellen, dass ich kein Impfgegner bin und mich von solchem Gedankengut, wie es derzeit allenthalben wahrzunehmen ist, ausdrücklich distanziere", erklärt Gensberger, der zudem versichert, die Maßnahmen der Staatsregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ausdrücklich und tatkräftig zu unterstützen. Sein Ziel sei vielmehr gewesen, auf die von ihm wahrgenommene Spaltung der Gesellschaft hinzuweisen. Diese treibt Gensberger eigenen Worten zufolge derzeit sehr um. Daher bedaure er, mit seinen Äußerungen genau zu einer solchen Spaltung beigetragen zu haben.

Tatsächlich wird die Weihnachtsbotschaft des Bürgermeisters im Internet kontrovers diskutiert. Dabei gibt es sowohl massive Kritik als auch jubelartige Zustimmung zu den Worten Gensbergers. Er selbst ist in den vergangenen Tagen für die einen zur Galions-, für die anderen zur regelrechten Hassfigur hochstilisiert worden. "Solche Bürgermeister braucht jede Stadt" war auf den einschlägigen Internetplattformen ebenso zu lesen wie das Schlagwort "SeiNichtWieTobias".

"Nicht die richtigen Worte"

Gensberger, der seit 2014 ehrenamtlicher Rathauschef in Bergheim ist, versichert in seiner Stellungnahme jedoch, eine derart hitzige Diskussion nicht gewollt zu haben. Stattdessen sei es ihm in seiner Gemeinde um einen respektvollen Umgang der Menschen miteinander gegangen. "Leider habe ich dafür nicht die richtigen Worte und nicht den richtigen Kontext gefunden", betont der Bürgermeister der knapp 2000 Einwohner großen Kommune. Vor allem dem Eindruck, er habe sich das Gedankengut von Corona-Leugnern, Impfgegnern, Querdenkern und anderen Verschwörungstheoretikern zu eigen gemacht, widerspricht der Kommunalpolitiker. "Dies ist nicht der Fall", so Gensberger. Und: "Ich distanziere mich ausdrücklich von einem solchen Gedankengut und den damit verbundenen Haltungen." Gleichzeitig spricht er den vielen Helfern, die sich um die Bewältigung der Pandemie kümmern, sein Bedauern aus. Er habe sie nicht vor den Kopf stoßen wollen, teilt er mit.

Sein Vorgehen könnte ihm - vom nun eher zweifelhaften Ruhm mal abgesehen - allerdings noch weiteren Ärger einbringen. Wie berichtet, beschäftigt Gensbergers Botschaft nun die bayerische Landesanwaltschaft. Dabei geht es aber explizit nicht um den Inhalt, sondern um die Form der Veröffentlichung. Ob ein Bürgermeister ein Gemeindeblatt für die Verbreitung seiner eigenen Meinung verwenden darf, ist tatsächlich fraglich. Das Ergebnis dieser Prüfung will nun auch Landrat Peter von der Grün (FW) abwarten. Dieser hatte am Montag die Justizbehörde eingeschaltet - weil er als Kreischef schlichtweg dazu verpflichtet sei. Von der Grün verweist daher auf das laufende Verfahren und möchte sich nicht weiter zum Fall Gensberger äußern.

Ob die Sache mit der Stellungnahme des Bürgermeisters auch für dessen politische Weggefährten getan ist, muss sich erst noch zeigen. Vor allem im Bergheimer Gemeinderat dürfte das Thema wohl noch einmal aufs Tableau kommen. Gleichzeitig werden sich in den nächsten Tagen wohl auch die beiden Kliniken im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen dazu äußern. Immerhin hatte Gensberger in seinem Weihnachtsgruß auch fragwürdige Behauptungen zur Behandlung seiner Covid-Erkrankung aufgestellt.

Die Veröffentlichung seiner umstrittenen Weihnachtsbotschaft hat Bergheims Bürgermeister Tobias Gensberger auch Gegenwind aus der eigenen Gemeinde beschert. Seine Stellvertreter Claudia Heinzmann und Thomas Bauer distanzieren sich von den Aussagen des Rathauschefs - und zwar deutlich.

"Völlig verunglückt" und "falsches Signal"

Der Haussegen in der kleinen Gemeinde zwischen Ingolstadt und Neuburg hängt offenbar gewaltig schief. Das liegt nicht nur am Weihnachtsgrußwort, das der Bürgermeister für die Heiligabendausgabe des Gemeindeblatts verfasst hat. Auch die Tatsache, dass der Rathauschef in der Folge mehr oder weniger abgetaucht ist und sich lange nicht öffentlich erklärt hatte, macht die Situation in Bergheim nicht einfacher.

In Schutz nehmen Heinzmann und Bauer das Gemeindeoberhaupt zwar nicht. Beide wollten aber schon früh nicht ausschließen, dass es sich um ein großes Missverständnis handelt. Immerhin ist Gensberger in Sachen Infektionsschutz tatsächlich Vorreiter gewesen, hat frühzeitig Masken nähen lassen, mit dem BRK ein Testzentrum aus dem Boden gestampft, Impftermine mitorganisiert und die Dorfhalle in Bergheim als Impfstation angeboten. "Er ist definitiv kein Corona-Leugner", so Heinzmann. Sie lobt stattdessen die Tatkraft des Bürgermeisters, den sie als anpackenden Menschen kennt. Ebenso wie Bauer hatte sie vergangene Woche überrascht auf das Grußwort im Gemeindeblatt reagiert. Und den Bürgermeister noch am Morgen des Heiligen Abends zur Rede gestellt. Heinzmanns Eindruck von dem Gespräch: "Er war der Meinung, nur seine persönliche Erfahrung geschildert und nicht gegen das Impfen geschrieben zu haben."

Doch genau das interpretieren viele in die Zeilen Gensbergers hinein. Seine Stellvertreterin hält den Beitrag daher für "völlig verunglückt". Bauer nennt ihn ein "falsches Signal". Denn Corona-Leugner und Querdenker machten sich die Schilderungen nun zu eigen. "Eine private Meinung im Gemeindeblatt darf daher nicht sein", so Bauer. Beide weisen zudem ausdrücklich darauf hin, vollständig geimpft zu sein und sich klar von den Aussagen Gensbergers zu distanzieren.

Vize-Bürgermeisterin ruft zur Impfung auf

Die Vize-Bürgermeisterin geht noch einen Schritt weiter und ruft die Bevölkerung dezidiert zur Impfung auf. "Halten Sie sich an die Empfehlungen der Impfkommission und lassen Sie sich impfen", so Heinzmann, die freilich weiß, dass sie sich damit nicht nur Freunde macht. Ebenso wie Bauer sieht sie die Impfung aber als einzige Chance, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Ganz ähnlich sieht es Gensbergers Fraktion im Kreistag von Neuburg-Schrobenhausen. Josef Dietenhauser, Sprecher der Gruppierung "Die Unabhängigen" im Gremium, betont, sich nun ein Bild von der Situation machen zu wollen. "Es kommt mir aber so vor, als ob alles etwas unglücklich rübergekommen ist", erklärt er. Daher möchte er in den nächsten Tagen das Gespräch mit Gensberger suchen. Für Wolfgang Tarnick, den dritten Kreisrat aus den Reihen der DU, ist alles nicht ganz nachvollziehbar. "Ich schätze ihn, er ist menschlich top", betont er. Was Gensberger zu diesen Zeilen bewegt hat, ist für ihn daher rätselhaft.

Die Gruppierungen im Bergheimer Gemeinderat behalten sich unterdessen eine öffentliche Stellungnahme zu dem Thema vor. Seine Stellvertreterin Heinzmann gibt dem Bürgermeister aber schon mal einen wichtigen Rat: "Falls er Ratgeber bei der Sache hatte, sollte er diese schleunigst wechseln."

DK