Neuburg
Neubau für Obdachlose in der Warteschleife

Stadtrat beugt sich dem Druck der Bürger - Verschiedene Standorte ausloten - Böses Schreiben in Umlauf

26.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:10 Uhr
Die Unterkunft für Obdachlose befindet sich seit den 60er Jahren in den Backsteinhäusern an der Donauwörther Straße. Mittelfristig will die Stadt den Standort wegen des geplanten Uni-Campus? wechseln. Aber die Suche nach einem neuen Platz gestaltet sich schwierig. −Foto: Foto: r

Neuburg (kpf) Der Bau eines Übergansheimes für Obdachlose ist gestern Abend vom Stadtrat per einstimmigem Beschluss verschoben worden.

Die Mandatsträger beugten sich dem Druck der Straße.In der Warteschleife  


Bislang sind etwa 200 Unterschriften gegen den Bau zusammengekommen. Primär sind es Anlieger des Donauwörther Berges und der nahegelegenen Neubausiedlung, die sich massiv gegen die Umsiedlung der Obdachlosen aus den Backsteinblöcken weiter unten an der Donauwörther Straße in zwei Neubauten bergwärts wehren (wir berichteten). Die bisherigen Unterkünfte müssten "nicht heuer und nicht nächstes Jahr geräumt sein", erklärte Oberbürgermeister Bernhard Gmehling zum Zeitrahmen. Nun sollen verschiedene Standorte ausgelotet werden, wobei einer in Rede stehende in der Paul-Winter-Straße nicht in Frage kommt, wie Stadtrat Hans Mayr am Rande der Sitzung erklärte. Er habe mit dem Grundstück andere Pläne, sagte der Bauunternehmer.

Der Druck der Bürger auf die Stadträte wurde schon durch ihre schiere Präsenz deutlich. Es waren etwa 50 Zuhörer aufmarschiert, so dass die Sitzgelegenheiten nicht ausreichten. Der Stadtrat zeigte sich auf Antrag von Fritz Goschenhofer (CSU) einsichtig und zog den Punkt von der Position neun der Tagesordnung ganz nach vorne. Stadtbaumeister Dieter Reichstein erläuterte zunächst, was geplant sei und dass der Bauausschuss das Vorhaben am 6. Juni zustimmend zur Kenntnis genommen habe. Gestern folgte dann erwartungsgemäß die Kehrtwende.

Das Grundstück, das die Verwaltung erwerben konnte, liegt an der Donauwörther Straße auf dem Eon-Gelände. Zwei Häuser hätten dort in zweigeschossiger Bauweise entstehen sollen. Es hätte einen Singlebereich mit 27 Einheiten zu je 11,7 Quadratmetern und im Familienbereich neun Einheiten a' 15 Quadratmeter zuzüglich Gemeinschaftsraum und Küche geben sollen. Der Bau wäre nach Pfaffenhofener Muster gewesen. Die Stadt wäre damit ihrer Pflichtaufgabe nachgekommen, Obdachlose unterzubringen. Die bisherige Unterkunft soll geräumt werden, nachdem auf dem Areal der ehemaligen Lassignykaserne ein Hochschulcampus errichtet wird.

Den Reigen der Wortmeldungen eröffnete CSU-Fraktionschef Alfred Hornung. "Man kann das nicht auf die Schnelle machen", sagte er zu dem Neubau-Projekt. Man müsse es auf eine längere Schiene setzen. "Das Thema bewegt alle Menschen in der Stadt. Die in der Nähe sind besonders sensibel. " Andererseits müsse man in Not geratenen Bürgern helfen. Von ihnen gehe keine Gefahr aus. Man müsse aber auch die Sorgen der Bürger ernst nehmen. Hornung beantragte schließlich, "heute keine Entscheidung zu treffen". Die Fraktionen, die Verwaltung und Grundstückseigentümer sollten sich geeignete Standorte überlegen, schlug er vor. Danach müsse intensiv abgewogen werden.

Bettina Häring (FDP) fand, der Protest sei doch vorprogrammiert gewesen. Man sei mit einem sensiblen Thema sehr unsensibel umgegangen. "Was mich aber erschreckt hat, war, wie man über in Not geratene Menschen geurteilt hat. Eine Gesellschaft muss es ertragen, wenn ein Obdachloser an einem Kindergarten vorbei geht. "

Häring sprach dann ein böses Schreiben an, das offensichtlich in Umlauf ist und in dem Obdachlose schlimm beschimpft werden. "Ich verstehe gewisse Ängste, aber man darf in Not geratene Menschen nicht als Kinderschänder bezeichnen. "

Bestürzt zeigte sich auch Christiane Heyne (FW) über diese Wortwahl. Sie bat um eine sachliche Diskussion. "Wir sind bereit, uns mit sachlichen Argumenten auseinander zu setzen. " Es brauche aber "eine menschliche Diskussionskultur".

Von wem besagter handschriftlicher Brief stammt, ist nicht bekannt. Die Gegner des Neubaus mit Sprecher Nicolaus Weigl reagierten nach der Sitzung prompt. "Die Aktionsgemmeinschaft hat mit diesem Schreiben und mit dem Verfasser nichts zu tun. Es stammt nicht von Bürgern, die bei uns unterzeichnet haben. Wir distanzieren uns ausdrücklich und nachhaltig von Inhalt, Wortwahl und dem dahinter stehenden Gedankengut", teilte er der Redaktion unserer Zeitung schriftlich mit.

Die SPD mit Fraktionschef Ralph Bartoschek verurteilte besagten Brief ebenfalls. Eine Verbindung von Obdachlosigkeit und Gefahr für die Allgemeinheit, "das geht gar nicht", sagte Bartoschek.

Später gab es noch eine Information am Rande. Fehlbeleger, also Asylbewerber, die nach ihrer Anerkennung die Gemeinschaftsunterkunft verlassen müssen, fielen nach einem Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Mai, nicht in die Zuständigkeit der Kommunen, seien also keine Obdachlosen, für die Raum vorgehalten werden müsse. "Dafür sind die Bundesrepublik und der Freistaat zuständig", versicherte Oberbürgermeister Bernhard Gmehling. Das Urteil sei wegweisend und bestätige die Rechtsauffassung der kommunalen Spitzenverbände.