Schönesberg
Arnulf Rating analysiert die Tageszeitungen

Der Polit-Kaberettist überzeugt sein Publikum beim "Grünen Dorfkreis" in Schönesberg

21.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:25 Uhr
Arnulf Rating liest Zeitung und sammelt Schlagzeilen - auch aus dem Donaukurier. −Foto: H. Budke

Schönesberg (hbu) Da hat der Grüne Dorfkreis Ehekirchen wieder einmal bewiesen, dass sich der Verein mit Kabarett auskennt - zumal diese Einladung in zweierlei Hinsicht schon ein kleines Wagnis war: Der Berliner Polit-Kabarettist Arnulf Rating ist zum einen eben Nicht-Bayer, zum anderen hochpolitisch.

Trotzdem und gerade darum begeisterte Rating mit seinem Programm "Tornadao" in Schönesberg sein Publikum total.

Nicht ganz ausverkauft war der kleine Saal beim Gasthaus Daferner mit etwa 120 Karten, aber "das schaffen wir fast nie", stellte Paul Utz vom Grünen Dorfkreis Ehekirchen fest und fügte hinzu "Den Rating kennt hier fast niemand, der kommt ja nicht aus Bayern. " Das störte das Publikum aber offensichtlich nicht, denn von der ersten Minute an hat Arnulf Rating die Leute im Griff. Er ist ein Vollprofi mit jahrzehntelanger Bühnenerfahrung und so überzeugend, dass mancher sich bei der Eingangsszene fragt, ob der bedauernswerte Kabarettist wirklich den ganzen Tag keine Zeit zum Essen hatte und nun deshalb auf der Bühne ein halbes Hähnchen verspeist. Scheinbar ausgehungert, schlingt er den Gockel herunter und ist währenddessen mitten in seinen ersten Themen: "Ich mag die eigentlich gar nicht, diese Massentierhaltung" stellt er fest und fragt ins Publikum: "Sind sie militante Tierschützer? " Rating beruhigt: "Das ist ja gar kein Fleisch, das sind nur Wachstumshormone und Antibiotika. " Außerdem sei er ja selbst Vegetarier, fügt er kauend hinzu.

Nachdem er die Hähnchenreste im Mülleimer versenkt hat - natürlich mit Anmerkungen zur Wertstofftrennung und Lebensmittelverschwendung - bricht er ein Tabu: "Kommen wir gleich zu Ihnen - was haben Sie denn gewählt? " Nach einem kurzen Stocken lachen die Leute überrascht. Jetzt wird Ratings Programm politisch, denn er analysiert die Wahlergebnisse im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen anhand von Grafiken.

"Manipulation" ist das Schlagwort, das ihn beschäftigt und wie ein Tornado stürmt er durch die Schlagzeilen der Presse, um zu zeigen, wie der Leser manipuliert wird. Während Rating es bei FAZ, Zeit und auch dem Donaukurier noch langsam angehen lässt, ist der bei den Titeln der Bild nicht mehr zu bremsen: Über Willkommenskultur kommt er zur Silvesternacht und zum Domspatzen-Skandal. Die AfD taucht immer wieder auf, auch die neuen Bundesländer werden berücksichtigt: "Meck-Pomm ist doch völlig unterfremdet - da sollte man anstatt Burka-Verbot ein Verbot für Leggings fordern. " Die SPD, im speziellen Andrea Nahles werden ausführlich betrachtet, an Dieselaffäre und Verfassungsschutz geht natürlich auch kein Weg vorbei. Nicht selten bleibt manchem das Lachen im Hals stecken angesichts der Schwärze des Humors. Oder Rating erwischt die Zuhörer auf ganz naiver Basis: "Der Sommer war doch super, oder? ! " Als alle noch ganz in Sonnenstimmung zustimmend nicken und bejahen, meint Rating: "Ja, dafür sind wir ja auch alle lang genug Auto gefahren. "

Nach der Pause wird Arnulf Rating zuerst langsamer, ruhiger. Er holt weit aus und referiert über Edward Bernays, den Erfinder der Public Relations und macht anhand der Zigarettenwerbung klar, wie leicht sich Menschen manipulieren lassen und dabei in dem Glauben sind, selbst etwas auf den Weg gebracht, etwas verändert zu haben. Ein ernstes Thema, bei dem es kaum etwas zum Lachen gibt - auch nicht im Kabarett-Programm von Rating; an dieser Stelle ist es verhältnismäßig ruhig im Saal.

Doch dann zieht sein Tempo wieder an. Über Eltern als Terrorexperten, den Kübelwagen als ersten SUV und der Sicherheitskonferenz, die Rating als "Waffenhändler-Tagung" bezeichnet, kommt er auf Angela Merkel. Er zeigt alte Bilder von ihr aus früheren Zeiten, die alles andere als vorteilhaft aufgenommen sind und zeigt sie dann als "Mutti mit gemischter Raubtiergruppe": Kanzlerin Merkel im roten Blazer, hinter ihr die Teilnehmer des G20-Gipfels, alle in blau - "Das muss man erstmal schaffen, das so zu organisieren", stellte Rating fest. Er zückt nochmal einen neuen Stapel Bild-Zeitungen.

Im Tornado-Tempo wirbelt er durch die Schlagzeilen. Da braucht es nicht viel außer geschickt gewählter Reihenfolge und treffenden, knackig-kurzen Kommentaren. Wer aber denkt, es geht Arnulf Rating darum, die Bild als PR-Maschinerie zu entlarven, der irrt. "Glauben Sie nicht, dass Sie bei ZDF und ARD nur informiert werden! " Rating bringt die "Atlantik-Brücke" ins Spiel, einen Verein, in dem zahlreiche namhafte Persönlichkeiten aus den Branchen Bank, Automobil, Politik und vielen anderen - nicht zuletzt auch aus dem Journalismus - Mitglied sind. "Die Wahrheit ist eine Ware" schlussfolgert Arnulf Rating. In der unendlichen Flut an Wortspielen, die fast den ganzen Abend in rasender Tornado-Geschwindigkeit auf das Publikum einprasseln, versteckt Arnulf Rating seine Botschaft. tellt der Kabarettist im Kostüm einer Krankenschwester klar: "Glauben Sie nicht, was der Rating gesagt, denn ich hab einfach heute früh vergessen, ihm seine Tabletten zu geben. Und außerdem liest er sowie die falschen Zeitungen. "