Neuburg
400 Jahre Bildungstradition in Neuburg

1618 entstand das Kolleg der Jesuiten - Maria-Ward-Schule und Descartes-Gymnasium pflegen das Erbe

20.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:32 Uhr
  −Foto: Hammerl

Neuburg (ahl) Es war der 21. April 1618, ein Samstag wie heute, als Erbprinz Philipp Wilhelm vor genau 400 Jahren den Grundstein für das Jesuitenkolleg legte. Er vertrat seinen Vater Wolfgang Wilhelm, der derweil in Belgien Erbansprüche sicherte.

Begleitet hat den kleinen Prinzen seine Mutter, Prinzessin Magdalena von Bayern. Schließlich war er noch nicht einmal zweieinhalb Jahre alt. Seine Eltern hatten Ende 1613 geheiratet und so die Rekatholisierung Neuburgs eingeleitet, denn Magdalena von Bayern war katholisch und Wolfgang Wilhelm ihretwegen - und wohl auch aus politischen Gründen - vom protestantischen zum katholischen Glauben übergetreten.

Sie hatten aus München zwei Jesuiten mit nach Neuburg gebracht, Pater Anton Welser und Jakob Reihing, die zunächst im Haus eines Kammerherrn wohnten. 1615 erhielt dann Wolfgang Wilhelm von Papst Paul V. die Erlaubnis, den Jesuiten aus den Einkünften der früheren Klöster, die während der Reformation eingezogen worden waren, ein Kolleg zu errichten. Das wäre von 1500 Gulden allein nicht möglich gewesen, doch gab es großzügige Wohltäter wie den Kammeratsdirektor Michael Müßigmann, der dem Kolleg 8000 Gulden vermachte, erzählt Stadtführerin Gabriele Kaps. In der Jesuitenchronik ist beschrieben, wie der Landesherr den Jesuiten das Grundstück zwischen der Stadtmauer und der Hofkirche zuwies und das darauf stehende, ehemalige Benediktinerinnenkloster abreißen ließ.

Bis 1617 hatten die Jesuiten eine Niederlassung in Neuburg, dann erhielten sie den Status eines Kollegs , dem elf Mitglieder angehörten - sechs Priester, zwei Lehrer und drei Laien. Die Priester predigten nicht nur in den Neuburger Kirchen, sondern waren auch auf dem Land missionarisch tätig. Bereits 1616 hatten sie mit der Schule begonnen, die im kurfürstlichen Zeughaus untergebracht war.

"Bildung hatte damals keinen Selbstzweck, sondern war eine bildungspolitische Maßnahme von Kirche und Staat", erklärt Kaps, "weil Beamten- und Priesternachwuchs gebraucht wurde. Als Schul- und Bildungsorden waren die Jesuiten dafür prädestiniert und kamen diesem Auftrag bis 1781 in Neuburg nach, nachdem der Orden bereits 1773 von Papst Clemens XIV. aufgelöst worden war. Ersetzt wurden die Jesuiten zunächst durch Benediktiner, dann folgten ab 1791 Augustinerchorherren.

Der Lehrplan war bereits ab 1773 reformiert und verweltlicht worden. "Das Faszinierende am ehemaligen Jesuitengymnasium und heutigen Descartes- Gymnasium ist, dass in Neuburg mehr als 400 Jahre durchgängig ein Gymnasium bestand - eines der ältesten in ganz Bayern", sagt Kaps. Somit habe Neuburg eine kontinuierliche Bildungstradition, wie es sie sonst nur selten gebe. Zwar wechselten Standort und Träger mehrmals, dennoch überlebte die Schule nicht nur den Dreißigjährigen Krieg, den Spanischen Erbfolgekrieg sowie beide Weltkriege, sondern entwickelte sich auch ständig weiter. "Aktuell haben wir mit der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium und durch die Digitalisierung neue Herausforderungen", meint Kaps, die es wichtig findet, "dass Schule immer Herausforderung, nie Stillstand ist."

Während das Jesuitengymnasium nur Knaben offen stand, widmeten sich die Englischen Fräulein ab dem Jahr 1847 der schulischen Erziehung der Mädchen. Und zwar im ehemaligen Jesuitenkolleg; das Gymnasium war bereits 1816 ins Studienseminar im ehemaligen Ursulinenkloster umgezogen. Die Maria-Ward-Realschule ist heute noch eine kirchliche Schule, wenn auch seit 1997 nicht mehr unter Trägerschaft der Schwestern, sondern des Schulwerks Augsburg.

Der Geist der Ordensgründerin Maria Ward, und damit auch der Jesuiten, ist heute noch zu spüren. "Wir schärfen das Bewusstsein der Schülerinnen für unser Haus natürlich vordergründig durch den Bildungs- und Erziehungsauftrag von Maria Ward", sagt Schulleiter Heribert Kaiser. Im Geschichts- und Religionsunterricht fließen jedoch auch die Jesuiten ein, die Vorbild für das Institut der Englischen Fräulein waren. "Da die Jesuiten den Grundstein für unsere Maria-Ward-Schule legten, sind sie stets auch Gegenstand meiner Schulhausführungen", sagt Kaiser, der besonders das berühmte Jacob-Balde-Arbeitszimmer und den Kongregationssaal mit Gemälden berühmter Jesuiten hervorhebt. Nachdem die Klassenzimmer nicht nummeriert, sondern nach historischen Persönlichkeiten benannt werden, sind einige Jesuiten für die Schülerinnen täglich präsent, unter anderem der Ordensgründer Ignatius von Loyola.

"In den altehrwürdigen Räumen arbeitet es sich bestens", schwärmt der Schulleiter. Im Haus sei "eine Seele spürbar", weshalb er knarzende Böden und manche schiefe Wand gerne in Kauf nehme und es einem modernen, anonymen Schulbau vorziehe. Trotz mancher Hindernisse aufgrund des aus Kaisers Sicht "sicherlich berechtigten Denkmalschutz" werde den Schülerinnen ein zeitgemäßer Unterricht geboten. Mit Glasfaser und vernetzten Klassenräumen sei die Schule fit für die Zukunft, halte aber auch an den Wurzeln fest. "Unsere reformpädagogischen Ansätze, die die Achtung des Individuums in seiner Ganzheitlichkeit in den Vordergrund stellen, hätten Ignatius von Loyola sicherlich gefallen", meint Kaiser.

Kaps, die neben ihrer Tätigkeit als Gymnasiallehrerin auch als Evaluatorin an bayerischen Gymnasien tätig ist, bestätigt, dass kirchliche Schulen oft einen anderen Geist atmeten als weltliche. Aber auch an weltlichen Schulen seien Rückbesinnung und Wertedebatte mittlerweile angesagt. Nicht umsonst solle sich jede Schule in Bayern ein Leitbild geben und sich mit ihren Werten auseinandersetzen. Das sei zwingend notwendig für eine Gesellschaft wie die heutige, die sich im Umbruch befinde. "Allerdings muss ein Leitbild dann auch mit Leben erfüllt werden", findet Kaps.