Fast schon abgesagt
Zwischen fetter Beute und leeren Körben: Pilzsaison überrascht Sammler

27.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:14 Uhr

Dieser glückliche Pilzsammler ist rund um Hilpoltstein fündig geworden – solch schöne Exemplare habe er in 65 Sammlerjahren sehr selten gefunden. Foto: V. De Geare

Abgesagte leben länger: Es ist erst wenige Wochen her, da hatten Experten die Pilzsaison wegen des äußerst trockenen Sommers schon fast für abgesagt erklärt. Doch der viele Regen seitdem macht jetzt so manchen Sammler glücklich.



Am Montagnachmittag war es, da schepperte die Eingangstür zu unserer Redaktion und ein glücklicher Mann kam zur Tür herein. Strahlend und voller Stolz, aber anonym möchte er schon bleiben – auch wenn man ihn in Hilpoltstein freilich nur zu gut kennt. Seinen Fund möchten wir aber nicht verschweigen: Drei wunderschöne, massive Steinpilze hatte er dabei, Exemplare, fast wie gemalt.

„Ich bin ein bisschen durch den Wald geschlendert und schauen sie mal, was ich gefunden hab‘. Solche Pilze habe ich noch nie gefunden! Nicht wurmig und schön frisch, sogar der Stiel ist noch fest. Fühlen Sie mal“, sagte der Mann. Der Drucktest gab ihm recht, ein solider, knackiger Steinpilz – beste Ware für ein Steinpilzragout. Zwar nicht ganz der größte Steinpilz, den er je gefunden hat, wohl aber der höchste sei es, berichtete der stolze Finder. „Und ich gehe schon 65 Jahre in die Pilze“, sagte der 77-Jährige.

Auch ein Touristenpärchen, das gerade des Weges kam, als der Finder vor dem Döderleinsturm seine Schätze in die Kamera hielt, lugte neugierig in den Korb und staunte. Denn dort waren noch ein paar besondere Delikatessen, etwa ein roter Reizker, ein junger Sandpilz und eine Krause Glucke. Besonderes Aufsehen erregten aber natürlich die Steinpilze – „Wenn sie die machen, mit einer Sahnesoße. Das ist was ganz Feines“, machte der Mann den Touristen den Mund wässrig, führte die Finger zu den Lippen und ließ ein schmatzendes Geräusch ertönen.

Wo genau er unterwegs war, will unser glücklicher Finder natürlich nicht sagen – aber „rund um Hilpoltstein“ könne man schon schreiben. Sein Erfolgsrezept aber verrät er, das ist nämlich denkbar einfach. „Sie dürfen nicht einfach durch den Wald rennen und hoffen, dass vor ihnen einer auftaucht“, sagt er. „Man muss sich ruhig in den Wald stellen und dann einfach schauen. Den Blick etwas schweifen lassen und schlendern, ganz langsam, dann entdeckt man die Pilze. Das hat meine Mutter auch schon immer gesagt.“

Erinnerungen an die Suche in den kargen 1950er-Jahren

Als Kind, damals in den 1950er-Jahren, habe er das Pilzesuchen gelernt. „Damals hatte man ja nicht so viel zu essen, da hat man dann auch Pilze gesucht. Wir Kinder sind in den Wald gegangen und mit den Pilzen wieder heim. Da haben wir uns ein Ei drüber geschlagen und bis die Mutter heimgekommen ist, haben wir schon gegessen gehabt“, berichtete er. Zum Glück landete damals kein falscher Pilz im Kinder-Körbchen.

Der Pilzberater des Landkreises Roth, Rudolf Roßmeißl, hat in seiner Karriere als Pilz-Koryphäe schon so manchen giftigen oder ungenießbaren Pilz aus den stolz präsentierten Körben gezogen – bei Pilzen kann ihm eigentlich niemand etwas vormachen. Deshalb hatte er auch wegen des trockenen Sommers eigentlich auch mit einem ruhigen Herbst gerechnet.

Denn Pilze leben in Symbiose mit Bäumen. Das eigentliche Pilzgeflecht, Myzel genannt, erstreckt sich unterirdisch im Waldboden. Es versorgt die Wurzeln des Baumes mit Wasser und Nährstoffen und bekommt vom Baum Zuckerlösung zurück. Wenn es dem Baum gut geht, geht es auch den Pilzen gut und sie treiben Fruchtkörper – also das, was wir gemeinhin als Pilze bezeichnen.

Wegen der Trockenheit hatte Roßmeißl die Befürchtung gehegt, dass diese unterirdischen Pilzgeflechte komplett ausgetrocknet und abgestorben seien. Aber nun kommen die Pilzsucher in Scharen zu ihm. „Vor vier Wochen habe ich gerade mal neun Beratungen insgesamt gehabt, jetzt bin ich schon bei über 90. Allein heute hatte ich schon zehn Beratungen“, sagte er am Montagabend.

Doch nicht überall sprießen die Pilze gleich, die Lage sei regional sehr verschieden, so Roßmeißl. „Ich hatte einige Leute, die aus dem Raum Greding und Neumarkt gekommen sind, aber nur wenige aus Roth und Kammerstein“, berichtete er.

Pilzreicher Heidenberg in diesem Jahr wenig gesegnet

Besonders im unteren Bereich des Heidenbergs, eigentlich ein reicher Jagdgrund für Pilze, sei in diesem Jahr kaum etwas zu finden. Der Regen habe zwar geholfen, aber nicht überall. „Die Frage ist, ob das Myzel noch intakt ist“, erklärte Roßmeißl. Vor einigen Wochen war er am Heidenberg dabei, als jemand mit dem Erdbohrer getestet hatte, wie feucht der Boden noch sei. Bis zu einem Meter in die Tiefe hinab sei alles trocken gewesen, das Myzel liege aber schon bei 25 bis 30 Zentimetern Tiefe.

Aber in manchen Regionen gibt es dennoch reichlich Pilze. Wie bewiesen auch rund um Hilpoltstein. Rund zwei Kilogramm darf man in Bayern übrigens nur entnehmen.

Allein in Mittelfranken gebe es 3500 verschiedene Pilzarten, 200 davon seien essbar, nur rund 150 giftig, tödlich giftig können aber etwa 15 Arten sein. Pilze, die man nicht sicher bestimmen kann, sollte man daher auch nicht essen. Lieber erstmal Rat holen bei Roßmeißl und seinen Kolleginnen und Kollegen von der Deutschen Mykologischen Gesellschaft.

HK