Wenn Frauen vor ihren Peinigern fliehen
„Vorweihnacht der guten Herzen“ hilft dem Frauenhaus in Schwabach

29.11.2022 | Stand 19.09.2023, 3:01 Uhr

Ein Zufluchtsort für bis zu zwölf Frauen mit ihren Kindern ist das Schwabacher Frauenhaus. Fotos: Frauenhaus

Gewalt gegen Frauen findet jeden Tag statt. Manchmal offen brutal – mit Tritten, Schlägen oder Vergewaltigung. Das Schwabacher Frauenhaus bietet Frauen Zuflucht. Die Einrichtung wird auch in diesem Jahr von der Spendenaktion „Vorweihnacht der guten Herzen“ unserer Zeitung unterstützt.



Manchmal gehen die Täter subtiler vor: Sie sperren ihre Opfer zu Hause ein, manipulieren sie so massiv, dass sie beginnen, an ihrem Verstand zu zweifeln oder sie halten sie klein und in wirtschaftlicher Abhängigkeit. „Dahinter steht die Absicht zu zeigen: ,Ich bin der Boss und du bist gar nichts‘“, erklärt Sylke Siekmann, stellvertretende Leiterin des Schwabacher Frauenhauses.

Mehr Infos zur „Vorweihnacht der guten Herzen“ finden Sie auf unserer Sonderseite

Die Aufgaben werden nicht zuletzt durch die zunehmende Digitalisierung immer schwieriger. So spielt digitale Gewalt eine immer größere Rolle bei den Klientinnen des Frauenhauses. Das reicht von der heimlichen Überwachung mit Kameras in den eigenen vier Wänden bis zu Drohnachrichten oder der Einrichtung von Überwachungs-Apps, schildert Siekmann. Das mache nicht nur den Opfern das Leben zur Hölle, sondern erschwere auch die Arbeit im Frauenhaus. Denn mittels GPS oder Überwachungssoftware im Handy sei es den Tätern unter Umständen möglich, Frauen aufzuspüren, die in die Schutzeinrichtung geflohen sind, also an einen Ort, der in jedem Fall anonym bleiben sollte.

Die Einrichtung ist fast immer ausgebucht



Darauf hätten sich die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen erst einmal einstellen müssen – neben ihrer täglichen fordernden Arbeit. Denn das Schwabacher Frauenhaus, das zwölf Frauen und ihren Kindern Schutz vor gewalttätigen Partnern bietet, ist das ganze Jahr über so gut wie ausgebucht. Vor einiger Zeit wurde sogar eine externe Wohnung angemietet, die ebenfalls sehr begehrt ist.

Wenn Frauen vor ihren Peinigern fliehen, passiert dies oft überstürzt. Manchmal bleibt nicht mal mehr die Zeit, um einen kleinen Koffer zu packen. „Manche haben gar nichts dabei“, erzählt Siekmann. Deshalb versorgen die Frauenhausmitarbeiterinnen ihre Gäste erst einmal mit dem Nötigsten: Kleidung, Hygieneartikel, Essen und Spielzeug sowie Schultaschen für die Kinder.

Um all das sicherstellen zu können, ist das Frauenhaus auch auf Hilfe von außen angewiesen. „Spenden sind immer gut“, sagt die Sozialpädagogin Mirjam Kutzen. Auch um die Zimmer so zu gestalten, dass man sich wohlfühle. Erst in diesem Jahr sei auch die Spielecke für die Kinder neu gestaltet worden.

Darüber hinaus sei es mitunter sinnvoll, den Frauen ein neues Handy zu besorgen. „Wenn wir zum Beispiel den Verdacht haben, dass eine Spy-App darauf installiert ist, sollte ein Ersatzgerät her“, erklärt Kutzen. Zu groß sei die Gefahr, dass die Täter ihr Opfer über diese Quelle bis ins Frauenhaus verfolgten.

Beim Krisengespräch



Spionage-App entdeckt„Digitale Gewalt wird immer mehr“, hat Mirjam Kutzen festgestellt. „Durch die technische Entwicklung passiert einfach mehr online.“ Da könne die einfache Familien-App, die eigentlich dazu gedacht gewesen sei, im Notfall die Handys der Kinder zu orten, zum Instrument der Überwachung werden. Kutzen hat aber auch schon erlebt, „dass bei einer Frau, die zu uns gekommen ist, eine Spionage-App auf dem Handy programmiert war“. Der Täter konnte also über Kamera und Mikrofon alles mitverfolgen. Der Schreck hat die Mitarbeiterinnen hellhörig gemacht. Sie informieren nun alle Frauen, die zu ihnen kommen, über solche Möglichkeiten und einfache Gegenmaßnahmen. „Beispielsweise kann man einen kleinen Stecker als Mikrofonblocker verwenden“, so Kutzen.

„Digitale Gewalt ist gerade ein großes Thema“, fügt ihre Kollegin Siekmann hinzu. Gut funktioniere hier die Zusammenarbeit mit der Schwabacher Kriminalpolizei, die hilfreich unterstütze.

Die digitale Welt hat natürlich nicht nur Nachteile. Das Frauenhaus nutzt sie nämlich als zusätzlichen Weg bei der Beratung. Zwar könne man unter der Telefonnummer (09122) 982080 rund um die Uhr jemanden im Frauenhaus erreichen und sich zu den Bürozeiten montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr von pädagogischen Mitarbeiterinnen beraten lassen. Aber die relativ neue Onlineberatung fülle eine Lücke. Unter der Internetadresse www.frauenhaus-schwabach.de ist die Beratung zu erreichen.

„Wir beraten Frauen per E-Mail oder im Einzelchat, wenn sie selbst oder ihre Kinder von körperlicher, psychischer oder sexueller Gewalt bedroht sind. So können sie sich auch zeitlich und räumlich unabhängig mit ihren Fragen an uns wenden“, erklärt Siekmann. Gerade nachts oder am Wochenende könnten sich Betroffene in akuten Situationen in einer Mail alles von der Seele schreiben und sich später ausführlich beraten lassen. „Für den Chat bieten wir außerdem Termine an, die online hinterlegt sind“, so Siekmann. „Die Beratung ist kostenlos, anonym und sicher.“

HK