Auftakt mit vielen Misstönen
Streit über diskriminierende Äußerungen im Nürnberger Integrationsrat

Zur ersten Sitzung ist ein Streit über diskriminierende Äußerungen entbrannt

23.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:53 Uhr

Nach der ersten Sitzung hat sich der Vorstand des Integrationsrates mit Adriano Flavio Gambato, Saada Moumin Guireh, Betül Özen, Dmytro-Daniel Feldmann (v.l.n.r.) gegen „jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ gestellt. Foto: Iannicelli,Stadt Nürnberg

Eigentlich hat der Nürnberger Integrationsrat die Aufgabe, zur Völkerverständigung in der Stadt beizutragen. Nachdem einzelne Mitglieder sich kürzlich diskriminierend im Internet geäußert haben, tobt inzwischen ein Streit rund um das kommunale Gremium.



Im Kern steht offensichtlich die Frage, wie die Debatte im Multi-Kulti-Rat konkret auszusehen hat. Selbst nach einer Entschuldigung scheint das Thema noch nicht erfolgreich aus der Welt geschafft worden zu sein. Besonders die Linke zeigt sich unnachgiebig und fordert kein Pardon. Fast die Hälfte der Nürnberger haben einen Migrationshintergrund. Um die Interessen der Zuwanderer und ein friedliches Zusammenleben zwischen den über 160 Nationen in Nürnberg zu fördern, gibt es den Integrationsrat.

Das 31-köpfige Gremium hat für Rat und Verwaltung beratende Funktion. Kann aber auch selber aktiv werden und eigene Vorschläge auf den Weg bringen. Zuletzt hatten über 250.000 Nürnberger mit Migrationshintergrund die Möglichkeit, an der Wahl des neuen Integrationsrates teilzunehmen. Von der Liste der CSU-nahen Internationalen Union Nürnberg haben allein sieben Kandidaten den Sprung in den Integrationsrat geschafft. Darunter auch die 1991 in Moldawien geborene Apothekerin, Galina Condrea, und die 1977 in Rumänien geborene Juristin, Ionela van Rees-Zota.

Stadtrat Schüller: „klar rassistisch und menschenverachtend“



Kurz vor der konstituierenden Sitzung des neuen Integrationsrates hatte Stadtrat Titus Schüller (Linke) publik gemacht, dass sich Condrea und Rees-Zota in sozialen Netzwerken im Internet „klar rassistisch und menschenverachtend“ geäußert hätten. Die Juristin mit den rumänischen Wurzeln hätte auf Facebook geschrieben, dass man besser von „Zigeunerin“ als von „Arbeitslosen der Roma-Ethnie mit Vorstrafen“ sprechen sollte. Condrea hätte im Internet einen Beitrag geteilt, in dem „Zigeuner“ ebenfalls in einem denkbar schlechten Licht erschienen seien.

„Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich der Letzte bin, der jedes Wort auf die Goldwaage legt. Aber das hier ist völlig inakzeptabel“, sagte Schüller und forderte Oberbürgermeister Marcus König (CSU) in einem Schreiben dazu auf, seine CSU-Parteifreundinnen zur Räson zu rufen. Daraufhin veröffentlichten die beiden Integrationsrätinnen ein Entschuldigungsschreiben. „Die Menschen, die wir damit verletzt und beleidigt haben, bitten wir um Verzeihung.“ Außerdem distanziert sich beide im Nachhinein „ausdrücklich“ von den Inhalten.

König: „Wir sind alle Nürnberg“



Zur allerersten Sitzung des Integrationsrates hat König die Mitglieder an ihre Aufgabe erinnert. „Bauen Sie Brücken, in Ihre eigene Community, in den Stadtrat und die Verwaltung. Spielen Sie im Team.“ Schließlich seien nicht die Politik im ursprünglichen Heimatland, sondern das friedliche Zusammenleben und der gesellschaftliche Zusammenhalt in Nürnberg das oberste Ziele. „Wir sind alle Nürnberg“, betonte König und gratulierte der türkischstämmigen Betül Özen von der CSU-Liste zur Wahl als neue Vorsitzende des Integrationsrates.

Condrea und Rees-Zota hatten den Sprung in den geschäftsführenden Vorstand nicht geschafft, der künftig von Adriano Flavio Gambato (Bezugsland Italien) als erster stellvertretender Vorsitzender, Dmytro-Daniel Feldmann (Bezugsland Ukraine) als zweiter stellvertretender Vorsitzender und Saada Moumin Guireh (Bezugsland Dschibuti) als dritte stellvertretende Vorsitzende angeführt wird. In den erweiterten Vorstand wurden Horst Göbbel (Bezugsgruppe Aussiedlerinnen und Aussiedler), Diana Lutz (Bezugsland Lettland), Sorush Mawlahi (Bezugsland Afghanistan), Dorina Motzig (Bezugsland Rumänien) und Theocharis Sakellariou (Bezugsland Griechenland) gewählt.

Erneut „Konsequenzen“ gefordert



Trotzdem scheint der Wirbel rund um den Integrationsrat nicht stoppen zu wollen. Selbst ein Treffen des neuen Vorstandes mit Vertretern des bayerischen Landesvorstands des Verbandes Deutscher Sinti und Roma hat offensichtlich nicht zum Ende des Streits geführt. Bei dem Treffen brachte Vorsitzender Betül Özen nochmals ihr tiefes Bedauern über die Vorfälle zum Ausdruck. Man habe deshalb seitens des geschäftsführenden Vorstands auch eine vorbehaltlose, eindeutige Entschuldigung von den betroffenen Integrationsratsmitgliedern gefordert, welche die beiden Rätinnen mittlerweile auch in schriftlicher Form abgegeben hätten. Özen kündigte bei der Gelegenheit außerdem an, dass der Integrationsrat demnächst eine Anti-Diskriminierungs-Schulung für seine Mitglieder durchführen werde.

Dennoch hat Schüller jetzt erneut „Konsequenzen“ gefordert und will dafür Oberbürgermeister König persönlich in die Pflicht nehmen. König müsse das Thema zur „Chefsache“ erklären und Condrea und Rees-Zota endlich aus dem Integrationsrat abberufen. Diesen „Gefallen“ will König der Linken offensichtlich nicht tun. Den Gesprächsfaden abzuschneiden löst laut König nicht die Probleme.