Allersberg
Stundenlange Diskussion über Stellungnahme zum ICE-Werk

Allersberger Marktrat positioniert sich zu Raumordnungsverfahren für das geplante ICE-Werk – Bürgerinitiative „schockiert“

28.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:47 Uhr

Plakativer Protest (von links): Ina Teltschik, Kati Amrhein, Matthias Wiesner, Karin Speidel und Angela Wallner von der Bürgerinitiative in Harrlach, die sich gegen den Bau eines ICE-Instandhaltungswerks wendet, sind in selbst bemalten T-Shirts zur Marktratssitzung im Allersberger Gilardihaus gekommen. Foto: Meyer

Von Monika Meyer

Allersberg – Dieses Großprojekt der Deutschen Bahn AG schlägt weiter hohe Wellen geschlagen. Die Pläne für ein ICE-Instandhaltungswerk in der Metropolregion Nürnberg stoßen vor allem bei den Anwohnern, aber auch bei vielen politischen Vertretern auf Missfallen: zu groß seien die Einschnitte für Mensch und Natur.

Die Regierung von Mittelfranken hat für die drei verbliebenen möglichen Standorte – Muna Feucht, den Bereich südlich davon sowie bei Harrlach – das Raumordnungsverfahren eingeleitet. Dazu hat sich nun auch der Markt Allersberg positioniert. Die Meinungen, wie diese Stellungnahme ausfallen sollte, gingen allerdings auseinander. Stundenlang wurde in der Sitzung am Montagabend über die einzelnen Passagen diskutiert.

Wie die Bahn auf ihrer Homepage erläutert, enthält das Dokument zu den drei Standorten auf mehr als 2000 Seiten umfangreiche Untersuchungsergebnisse, beispielsweise zu Natur, Artenschutz oder Schall. Zudem wird laut Bahn die Historie der Standortsuche von anfangs rund 70 bis zu den drei eingereichten Standorten ausführlich erläutert und begründet.

In einer 14-seitigen Stellungnahme geht nun der Markt Allersberg darauf ein: Zum den Entwurf der Verwaltung hatten die Markträte Tanja Josche und Georg Decker (Grüne) sowie Markus Fiegl (SPD) Änderungswünsche eingebracht. Diese zielten vor allem darauf ab, sich politisch stärker gegen das ICE-Ausbesserungswerk zu stellen, so wie es der Kreisausschuss Roth getan hat.

In einer Sitzung im Oktober 2021 hatte Landrat Herbert Eckstein (SPD) sogar davon gesprochen, von der Bahn bei der Standortauswahl „bewusst in die Irre geführt“ worden zu sein. Dem könne man nur mit einer entsprechenden Resolution entgegnen mit dem Ziel, die Planung „wieder auf Null“ zu stellen. Die übrigen Ausschussmitglieder hatten quer durch alle Parteien diese Bedenken geteilt. Und auch andere Politiker wie die Bundestagsabgeordneten Ralph Edelhäußer (CSU), Jan Plobner (SPD) und Kristine Lütke (FDP) schlossen sich Protesten der Harrlacher Bürgerinitiative an.

Bürgermeister Daniel Horndasch (parteilos) indessen betonte, dass es bei der Stellungnahme des Marktes Allersberg darum gehe, die Raumverträglichkeit von drei Standorten zu ermitteln, der Markt Allersberg mitnichten etwas zu entscheiden habe. „Unsere Zustimmung ist nicht notwendig, wir geben nur Hinweise.“

„Da hat man sich an die Regeln zu halten“

Diese Hinweise, so wünschte sich Georg Decker, sollten entsprechend deutlich gegen die Pläne für das ICE-Werk ausfallen. „Bei Ihrem Entwurf“, sagte er zu Horndasch, „hat man den Eindruck, dass Sie regelrecht darum werben, dass das ICE-Werk an den Standort B kommt.“ Also an den Standort in der Nähe von Harrlach. Horndasch hingegen argumentierte: „Wir entscheiden als Marktrat und nicht als Bürgerinitiative, das ist ein Verwaltungsverfahren und da hat man sich an Regeln zu halten.“ Die Verwaltung sei nicht „dafür oder dagegen“.

Die drei Markträte Decker, Josche und Fiegl hingegen wollten unter anderem eine Passage in der Stellungnahme streichen, wonach der Markt Allersberg der Bewertung der einzelnen Kriterien im Rahmen des Raumordnungsverfahrens durch die Regierung von Mittelfranken nicht vorgreifen könne, hierfür nicht zuständig sei und deshalb keine abschließende Stellungnahme abgebe, ob dieser Standort verträglich sei.

Dies kommentierte das Trio mit den Worten: „Selbstverständlich ist die Gemeinde für die Wahrung der Interessen ihrer Bürger und somit für die Wahrung der einzelnen Kriterien zuständig.“ Mehrheitlich sprach sich der Marktrat aber dafür aus, den ursprünglichen Passus genau so zu belassen.

Ursprünglich hatte die Bahn die Stadt Nürnberg selbst als Standort ins Visier genommen, erst später kam das Umland ins Gespräch. In der Stellungnahme kritisiert die Verwaltung, dass die Umlandgemeinden deshalb ins Verfahren hätten mit einbezogen werden müssen, was bei Allersberg „eindeutig nicht der Fall“ gewesen sei. „Wir wurden nicht gefragt, das ist bedauerlich“, stellte Horndasch fest.

Vertrauen in das Verfahren ist erschüttert

Zudem habe der Eindruck, dass politische beziehungsweise partei- oder verbandspolitische Erwägungen beim Ausschluss von sechs potenziellen Standorten – insbesondere Altenfurt, aber auch dem Hafengelände in Nürnberg eine Rolle gespielt haben könnten. Das Vertrauen in dieses Verfahren sei erschüttert, hieß es in der Vorlage. Josche, Decker und Fiegl wollten deshalb noch erwähnt haben, dass auch der mögliche Standort Ingolstadt neben dem Nürnberger Hafen in das Raumordnungsverfahren aufgenommen werden solle. Damit erklärte sich das Marktratsgremium einverstanden.

Vom Gremium abgelehnt wurden die eindringlichen Hinweise auf eine zu hohe Trinkwasserentnahme in diesem Gebiet sowie die massive Bodenversiegelung, die nach Ansicht von Josche „die Grundwasserneubildung beeinträchtigt“. Horndasch hingegen betonte: „Wir sind keine Geologen, das ist Sache des Wasserwirtschaftsamtes“ und auf dessen Stellungnahme sowie des Wasserzweckverbandes Brunnbachgruppe solle verwiesen werden. Josche hingegen konterte mit dem Hinweis, dass der Markt Allersberg hier sehr wohl zuständig sei. „Trinkwasserversorgung gehört zur kommunalen Daseinsvorsorge und unser Wasser kommt daher.“ Was Horndasch wiederum zur Replik veranlasste, dass das Grundwasser in Harrlach zur Infra Fürth gehöre. „Es ist gut, über Dinge, von denen man keine Ahnung hat, nicht zu reden“, sagte er zu Josche.

Die Verwaltung sprach sich zudem dafür aus, gefällten Bannwald in Harrlach – die Rede ist von bis zu 45 Hektar – den Vorschriften gemäß wieder herzustellen, so dass dieser in seiner Gesamtgröße nicht verringert wird. Dies solle aber nicht im Allersberger Gemeindegebiet geschehen, „denn die Bauern würden noch mehr Flächen verlieren“, befürchtete Horndasch. Das wiederum wünschte sich die Dreiergruppe Josche, Decker und Fiegl, scheiterte aber an der Mehrheit im Marktrat.

Einig waren sich alle, wenn auch nicht im Detail, die anfallenden Emissionen möglichst gering zu halten. Gerade die sogenannten Makrofontests, also das sehr laute Testhupen der Züge mit jeweils 135 Dezibel, sei ein Knackpunkt. Das vorliegende Gutachten gehe auf die Makrofontests und der damit verbundenen Gefahr für die Nachtruhe gar nicht richtig ein. Einhausungen seien wichtig, konstatierte Horndasch, aber die seien wohl eher freiwilliger Natur. Vielmehr gehe die Bahn wohl von Durchschnittswerten beim Lärm aus, aber nur die Einhausungen könnten Geräuschspitzen effektiv abfangen. Eine genaue Untersuchung der Lärmentwicklung aus den Makrofontests müsse deshalb „zwingend vorgenommen werden“.

„Markträte haben keine Sachkenntnis“

Nach der Sitzung zeigte sich Ina Teltschik von der Bürgerinitiative Harrlach, die sich vehement gegen das ICE-Werk wehrt, „schockiert, wie gering die Sachkenntnis der Räte und auch der Verwaltung in Allersberg bezüglich des ICE-Werks ist“, von einigen wenigen abgesehen. Es handle sich wahrlich nicht um ein kleines und harmloses Projekt „und da wäre es sicher von Vorteil, wenn man sich im Vorfeld einer Abstimmung dazu informieren würde“, so Teltschik. „Aber aus den Aussagen, die in diesem Gremium gefallen sind, konnte man deutlich entnehmen, dass die Räte keine Sachkenntnis hatten. Das ist sehr schade.“ Als Beispiel führte sie die genannten Makrofontests an. Die Deutsche Bahn habe mehrfach verlauten lassen, dass es arbeitsschutzrechtlich gar nicht möglich sei, dies in einer Halle durchzuführen, weil es einfach zu laut sei.

HK