Zwei Künstler von außergewöhnlichem Renommee in einem außergewöhnlichen Ambiente: Die Schauspieler John Malkovich und Veronica Ferres haben sich am vergangenen Freitagabend zu einer Lesung getroffen – in der Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. An diesem singulären Ort der Erinnerungskultur konfrontierten Malkovich und Ferres mit „Stahltier“ von Albert Ostermaier das Publikum mit Verbrechen der Nationalsozialisten im Kontext von Kunst und Kultur.
„Dass sich Künstler vom Rang eines John Malkovich und einer Veronica Ferres auf den psychologisch komplexen Stoff und die ausdifferenzierte Figurenzeichnung von Albert Ostermaiers ‚Stahltier‘ sowie die großen Herausforderungen der Kongresshalle als Spielstätte einlassen, unterstreicht die große, über Nürnberg hinausweisende Bedeutung des heutigen Spielorts, an dem künftig die Künste eine noch nachdrücklichere Position einnehmen werden“, sagte Bürgermeisterin Julia Lehner im – natürlich ausverkauften – großen Saal.
Konkurrent und Unterlegener
Der Schriftsteller Albert Ostermaier, ein gebürtiger Münchener und mit zahlreichen Auszeichnungen wie dem Ernst-Toller-Preis, dem Kleist-Preis und dem Bertolt-Brecht-Preis dekoriert, führte selbst in die Lesung ein. Diese fand übrigens in englischer Sprache statt. Veronica Ferres schlüpfte dabei in die Rolle der Filmemacherin Leni Riefenstahl, John Malkovich gab Propagandaminister Joseph Goebbels sowie Willy Zielke, ebenfalls ein deutscher Regisseur – Schöpfer des Filmes „Das Stahltier“ – und zunächst Konkurrent von Riefenstahl. Diese soll verantwortlich dafür gewesen sein, dass er zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen und sogar zwangssterilisiert worden ist.
Diese Geschichte griff Autor Ostermaier auf: 1935 trafen sich Leni Riefenstahl und Joseph Goebbels im privaten Kino des Propagandaministeriums. Riefenstahl gab vor, sich für Willy Zielkes Industriefilm „Das Stahltier“ einzusetzen, der nach einer ersten Vorführung verboten worden war. Doch das vorgetäuschte Engagement für den angeblichen Freund war ein beispielloser Akt der Heimtücke. Riefenstahl wollte nicht nur den Film verboten wissen, sondern sich auch des großen künstlerischen Potenzials seines Schöpfers bemächtigen. Zielke wird zum Opfer im Würgegriff der Täter.
Ab 2028 Platz für Staatstheater und freie Szene
Im Aufführungsort Segment#1 in der Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände führt der Geschäftsbereich Kultur der Stadt Nürnberg seit zwei Jahren eine Reihe unterschiedlichster Veranstaltungen unter Einbezug aller künstlerischen Sparten durch. Ab dem Jahr 2028 sollen in der Kongresshalle im Sinne einer erweiterten kulturellen Nutzung das Staatstheater Nürnberg eine Spielstätte beziehen sowie im Rahmen sogenannter Ermöglichungsräume die freien Szenen der Künste und Kulturen Platz für Produktion und Präsentation einnehmen.
HK
Zu den Kommentaren