Lieder am See
„Space Truckin‘ am Brombachsee

Deep Purple lassen ein wenig Luft nach oben – schön war das Wiedersehen trotzdem

17.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:09 Uhr

Würdiger Vertreter: Auch wenn es viele bedauern, dass Saitenzauberer Steve Morse zu Hause blieb, Simon McBride macht seine Sache ganz großartig. Foto: Hertlein

Von Rainer Messingschlager

Enderndorf – Nun hat es ja doch noch geklappt. Das Hard-Rock-Flaggschiff Deep Purple legt auf seinem vermutlich letzten Tørn am Brombachsee an – bei perfekten Bedingungen. Ein Sommerabend wie gemalt und die Mannen um Ian Gillan stellen unter Beweis, dass sie trotz des Fehlens von Gitarrenikone Steve Morse noch wissen, wie es auf der Bühne geht.

Eigentlich alles in bester Ordnung und trotzdem ist es nicht ganz so, wie man sich es gewünscht hätte. Dabei legen Purple los, als wären seit „Made in Japan“ keine 50, sondern nur ein paar Jährchen vergangen. Der klassische Einstieg mit „Highway Star“, druckvoll, präzise und fein tariert hart. Schnell zeigt sich, dass Ian Gillan mit seiner Einschätzung, dass „Simon McBride einer der besten Gitarristen der Welt“ sei, nicht falsch liegt. Der gebürtige Nordire und Dozent an der Dubliner Schule des Brighton Institute of Modern Music ist ein würdiger Vertreter von Steve Morse.

Überhaupt der Anfang: Drei Songs ohne Ansagen und Schnickschnack, das lässt die Erwartung steigen. Zumal Sänger Ian Gillan immer noch gut bei Stimme ist. Klar schafft er die Höhen nicht mehr, aber in den normalen Stimmlagen klingt er wie eh und je. Dass er dazu Pausen braucht, ist durchaus verständlich und eine Spezialität von Deep Purple sind auch schon früher manchmal ausufernde Soli gewesen. Aber: Simon McBride kriegt das noch gut hin, während sich bei Don Aireys Keyboardausflügen ein wenig der Unmut breitmacht. „Spielt mal was Gescheit‘s“ schreit eine Zuschauerin ihre Kritik raus.

Als wenn sie es gehört hätten, folgt auf „Muss i denn zum Städtele hinaus“ und Co. eine donnernd gute Version von „Perfect Strangers“. Das Publikum dankt es euphorisch. Dem Song muss man ebenso wie „When A Blind Man Cries“ attestieren, dass er in Würde gealtert ist und bis heute von seiner Wucht nichts verloren hat. Was man mit ein paar kleinen Abstrichen auch für „Lazy“ und „Space Truckin‘“ sagen kann.

Nun, so könnte es in der lauschigen Seeatmosphäre durchaus noch ein Stündchen weitergehen, tut es aber nicht. Denn nach dem Laune machenden „Space Truckin‘“ folgt im regulären Set nur noch eine Nummer, der Deep-Purple-Song schlechthin: „Smoke On The Water“. Wer vorab die Setlisten studiert hat, weiß das, dem Rest wird es erst bewusst, als man nach nicht einmal einer Stunde und zehn Minuten sich artig verabschiedet.

Auch wenn es schon spät in der Nacht ist und schöne Zugaben – unter anderem mit „Hush“ und „Black Night“ – folgen, ist das schon arg kurz. So bleibt es dann doch nicht der „Seniorenabend ohne Beschwerden“, wie zuvor angemerkt. Auf dem Nachhausweg ist vielen eine leichte Enttäuschung anzumerken. Ein paar Songs mehr, ein bisschen weniger Geschwurbel und es wäre wirklich perfekt geworden.

Schön war‘s trotzdem, zumal die Endlichkeit dieser Art von Veranstaltungen bei „Lieder am See“ überdeutlich zu Tage trat: Sowohl die Protagonisten auf der Bühne, als auch das Publikum sind arg in die Jahre gekommen, Nachwuchs ist nur spärlich in Sicht. Vielleicht darf man deshalb auch nicht überkritisch sein und muss die Feste so feiern, wie sie fallen.

HK