Selbstständig bis ins hohe Alter
Wie der Pflegestützpunkt Roth den Pflegebedürftigen bei einem Badumbau hilft

26.11.2022 | Stand 26.11.2022, 12:39 Uhr

Bei seinen Hausbesuchen wie hier in Heideck greift Gerhard Kunz vom Rother Pflegestützpunkt auch mal selbst zum Meterstab, um Stolperfallen für Menschen mit Handicap selbst auszumessen. In ausführlichen Beratungsgesprächen gibt er zahlreiche Tipps für den barrierefreien Umbau der eigenen vier Wände. Foto: Meyer

Von Monika Meyer

Wer möchte das nicht, selbstbestimmt leben bis ins hohe Alter? Und das am liebsten in den eigenen vier Wänden. Zu diesen Menschen gehört Selina Winter (Name auf Wunsch von der Redaktion geändert) aus Heideck. Für Menschen wie sie gibt es Hilfe.



Ihr Geist spielt mit, mit fast 85 Jahren ist die Heideckerin mehr als flink im Kopf. Unter anderem gehört Kartenspielen mit der Freundin zu ihren Leidenschaften. Aber ihre Beine: Die wollen nicht mehr so, wie sie sollen. „Ich kann kaum mehr laufen“, erzählt die ältere Frau. „Manchmal macht es knacks und dann versagen mir die Knie.“ Der Rollator hilft ihr dabei, sich in der Wohnung noch frei zu bewegen.

Zum Stolperstein im wahrsten Sinne des Wortes allerdings hat sich ihre Duschwanne entwickelt. Das Badezimmer stammt noch original aus den 1960er-Jahren, als Selina Winter ihr Wohnhaus mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann gebaut hat. Der Einstieg in die Nasszelle ist 28 Zentimeter hoch, die Kabine mehr als eng. Und die Badewanne ist angesichts ihrer körperlichen Einschränkungen auch keine echte Alternative. Deshalb kamen die Ratschläge von Gerhard Kunz vom Pflegestützpunkt in Roth gerade recht. Ein Badumbau muss her. In Anbetracht hoher Materialpreise und Handwerkerlöhne muss die Heideckerin zwar viel Geld hinlegen. Aber es gibt auch sehr hohe Zuschüsse, wie Gerhard Kunz wissen lässt.

Er verrät auch, dass Selina Winter typisch für viele Menschen ihrer Generation ist. Sie wollten anderen nicht zur Last fallen und zögerten deshalb bauliche Änderungen im gewohnten Umfeld so lange wie möglich hinaus – gemäß dem Motto: „Das geht schon irgendwie.“ Die Heideckerin musste aber einsehen, dass es nicht mehr anders ging. Deshalb hörte sie auf den Rat von Gerhard Kunz und ließ zunächst alle Türschwellen im Haus beseitigen, besorgte sich einen Triangelgriff für das Bett und ließ am Hauseingang ein stabiles Edelstahlgeländer installieren. Auf eine rollstuhlgerechte Rampe verzichtete sie. „Ich brauche doch keine Einflugschneise“, erzählt sie lachend.

Auch der Badumbau bedurfte noch einiger Überredungskunst. Aber letzten Endes führt nach Ansicht von Gerhard Kunz kein Weg daran vorbei, wenn Selina Winter einigermaßen selbstständig bleiben will. „Es ist auch eine große Erleichterung für pflegende Angehörige“, zeigt sich Kunz überzeugt. „Es hilft dabei, langfristig eine häusliche Pflege zu gewährleisten und eine stationäre Unterbringung zu vermeiden.“ Damit stieß er bei Selina Winter auf offene Ohren: „Ich will auf alle Fälle so lange wie möglich hier bleiben“, sagt sie bestimmt. Und abgesehen davon: „Jeder will sich doch selber duschen“, fügt Gerhard Kunz hinzu. Selina Winters Schwiegertochter, die regelmäßig zu Besuch kommt und ihr unter die Arme greift, gibt ihm Recht: „Du wirst froh sein, wenn das Bad umgebaut ist.“

Allerdings war es ein langer Weg bis dahin. Schon 2019 war Gerhard Kunz zum ersten Mal zu Besuch bei Selina Winter. Es ging zunächst um die Einstufung in einen Pflegegrad, um überhaupt Leistungen und Zuschüsse in Anspruch nehmen zu können – so praktische Sachen wie einen Nachtstuhl oder einen elektrischen Einlegerahmen für das Bett. Für sogenannte wohnumfeldverbessernde Maßnahmen gibt es laut Gerhard Kunz ab Pflegegrad 1 pro Maßnahme 4000 Euro als Zuschuss von der Pflegekasse. Zudem fördere die Landesbodenkreditanstalt barrierefreies Wohnen und gewähre eine Beihilfe bis zu einer Höhe von 10000 Euro für einen Badumbau, sofern bestimmte Einkommensgrenzen eingehalten würden. Das mache in diesem Fall einen großen Teil der Gesamtinvestition von über 30000 Euro aus, erklärte Kunz. „Billiger kriegen Sie kein Bad mehr.“

„Ich konnte mir ja nicht mehr richtig helfen“, erinnert sich Winter dankbar an den Besuch vor drei Jahren. Nur dank der Unterstützung der Familie kann sie in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Der eine Sohn samt Frau kümmert sich um das Essen und das Saubermachen der Wohnung, der andere Sohn kauft ein und regelt Bankgeschäfte und Bürokram. „Sie können froh sein um Ihre familiären Strukturen“, unterstreicht Gerhard Kunz. Denn aktuell seien Pflegeplätze und ambulante Hilfen Mangelware.

Eine große Hilfestellung für alle, die sich noch unsicher sind, kann nicht nur eine Beratung durch den Pflegestützpunkt, sondern auch ein Besuch in der Musterwohnung Tabea sein. Diese hat der Landkreis an der Gartenstraße in Roth als eine Art Showroom eingerichtet. Wie im Möbelhaus sieht man Beispiele, wie man die eigenen vier Wände einrichten kann. Allerdings mit einem gravierenden Unterschied: Alles ist alters- und pflegegerecht. Ob Haltegriff am Waschbecken, rutschfeste Fliesen oder ebenerdiger Duscheinstieg: Die Möglichkeiten sind vielfältig und – wenn sie gut gemacht sind – auch noch recht schick.

Das Angebot richtet sich nicht nur an kranke und alte Menschen oder Menschen mit Handicap, sondern auch an junge Familien, die neu bauen wollen. Die können sich bereits Gedanken darüber machen, welche Bausünden sie bereits im Vorfeld vermeiden könnten. Die Musterwohnung in der Gartenstraße 30a ist jeden Donnerstag von 9 bis 13 Uhr und nach vorheriger Terminvereinbarung zugänglich.

Bei Selina Winter steht nun der Badezimmerumbau an – bis Weihnachten soll alles fertig sein. Sie fürchtet sich zwar vor dem Staub und Dreck, Gerhard Kunz kann sie aber beruhigen. „Da wird eine aufblasbare Staubfangtüre eingebaut und Sie werden fast nichts merken.“ Der Umbau hat noch weitere Vorteile für die Heideckerin. Der Türrahmen wird so verbreitert, dass sie ihn auch mit einem Rollstuhl passieren könnte. Und außerdem findet die Waschmaschine ihren Platz im neuen Bad. Die steht nämlich noch im Keller und ist nur über eine steile Treppe zu erreichen.

HK