Paukenschlag in Bayern
Parteiaustritt: Nürnberger Freie Wähler kehren Aiwanger den Rücken

Freie Wähler werden künftig wohl ohne den Stadtverband auskommen müssen

05.01.2022 | Stand 23.09.2023, 15:22 Uhr

Hat genug von Hubert Aiwanger und seiner Regierungsmannschaft: Jürgen Dörfler. Foto: Pelke

Von Nikolas Pelke

Paukenschlag bei den Freien Wählern in Bayern: Der Nürnberger Ortsverband hat am Dienstag seinen Austritt aus der aktuellen Regierungspartei von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger verkündet. „Das Fass ist einfach übergelaufen.

Besonders die Unterwürfigkeit gegenüber Markus Söder und der Zickzackkurs rund um die Corona-Impfungen haben zu unserem Entschluss geführt“, begründet Ortschef Jürgen Dörfler die Abkehr von der Landespartei, die noch vor dem Wochenende pünktlich zum Dreikönigstreffen offiziell bekannt gegeben werden soll.

Bereits vor Weihnachten habe der Ortsverband eine Befragung der knapp 50 Mitglieder durchgeführt. Mit niederschmetterndem Ergebnis: „81 Prozent unserer Mitglieder in Nürnberg haben für einen Austritt vom Landesverband der Freien Wähler gestimmt“, fasst Dörfler, der als Stadtratsmitglied seit vielen Jahren den Ortsverband führt, die Abstimmung zusammen, an der sich über 90 Prozent der Mitglieder beteiligt hätten.

Nach dem Jahreswechsel sei die Entscheidung der Parteiführung per Einschreiben zugestellt worden. Eine Reaktion der Parteispitze habe Dörfler bislang noch nicht erhalten. An diesem Donnerstag sind die Freien Wähler zu einem digitalen Dreikönigstreffen virtuell verabredet. Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte Parteisprecher Christoph Hollender am Dienstag, von dem Parteiaustritt des bedeutenden Stadtverbandes bis dato noch nichts gehört zu haben.

Jürgen Dörfler macht derweil keine Hehl aus seiner Enttäuschung über die Politik von Parteichef und Staatsminister Hubert Aiwanger. Besonders die gescheiterten Ambitionen auf Bundesebene und die seiner Meinung nach zur Schau gestellte Impf-Skepsis hätten viele Mitglieder in Nürnberg zuletzt verärgert.

Inhaltlich hätten Aiwanger und seine Kollegen wie Umweltminister Thorsten Glauber und Bildungsminister Michael Piazolo ebenfalls keine Akzente in der Söder-Regierung setzen können, so Dörfler. Anstatt beispielsweise in der Corona-Pandemie mit Sachvorschlägen zu punkten, habe sich Aiwanger in einem durchschaubaren Manöver mit seiner Corona-Skepsis rund um den Termin zur Bundestagswahl im letzten Herbst dem Querdenker-Milieu regelrecht angedient. Generell hätte das schlechte Abschneiden der Partei bei der Bundestagswahl viele Mitglieder peinlich berührt. Dörfler spricht in diesem Zusammenhang von „Ämterhäufung“ und wirft Aiwanger als Landes- und Bundesvorsitzenden vor, damit dem positiven Grundgedanken der freien Wählergemeinschaft persönlich zuwider zu handeln.

Thematisch sind die Freien Wähler laut Dörfler trotz Regierungsbeteiligung obendrein immer noch nicht gewillt, zumindest in Ansätzen eine „Großstadt-Partei“ werden zu wollen. Stattdessen setze Aiwanger monothematisch weiterhin auf Themenfelder rund um die Landwirtschaft. In der Heimatstadt von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe Aiwanger damit nur im Rahmen der Rettung von zwei „Karstadt“-Standorten politisch punkten können.

Für einen Wirtschaftsminister sei dies eindeutig zu wenig, so Dörfler. Zumal Nürnberg aufgrund der Pandemie gerade in ökonomischen Fragen auf Unterstützung durch den Freistaat mehr denn je angewiesen sei. Überhaupt habe Dörfler den Eindruck, dass die drei Minister der Freien Wähler zwar „fleißig Termine absolvieren, aber keine politischen Akzente“ setzen. Offensichtlich sei die Parteiführung lediglich wild entschlossen, das schwarz-orange Regierungsbündnis bis zum Ende der Wahlperiode irgendwie am Leben zu erhalten und nicht vorzeitig platzen zu lassen, findet Dörfler, der rund 15 Jahre den Freie-Wähler-Stadtverband in Nürnberg geführt hat.

Künftig wollen Dörfler und seine Mitstreiter sich nach eigenen Worten darauf konzentrieren, Politik für die urbanen Bürger vor Ort zu machen. Von der Mutterpartei habe der Ortsverband sowieso kaum Geld und nur viel Arbeit erhalten, findet Jürgen Dörfler, der unter dem Namen „Freie Wählergemeinschaft Nürnberg“ in der fränkischen Kommunalpolitik aktiv bleiben will.

HK