Zu Besuch bei der „Rothseejugend“
Nur wer anpackt, darf auch mitfahren

15.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:02 Uhr

Auf die Arbeit folgt das Vergnügen: Die „Rothseejugend“ mit ihrem aufwendigen Faschingswagen vor dem ersten Auftritt in Schwanstetten. Die Pyramide ist ganz auf den Allersberger Torturm ausgerichtet.

Rund 1000 Stunden Arbeit, viel Kreativität und Teamgeist stecken in dem Faschingswagen der „Rothseejugend“, der am Sonntag beim Zug in Schwanstetten seine Premiere gefeiert hat. Zwei weitere Züge wird er noch bewältigen – oder vielleicht sogar drei?

„Früher sind wir sogar vier Züge gefahren, jetzt eigentlich nur noch drei. Schwand, Thalmässing und Allersberg“, erzählt Philipp Mederer, der schon einige Jahre beim alljährlichen Wagenbau mit dabei ist. „Naja, frei hätte ich am Dienstag noch“, wirft einer von Mederers Mitstreitern ein. „Ihr doch auch, oder?“ Die anderen nicken. „Da könnten wir ja eigentlich noch nach Spalt.“

Nach der vielen Arbeit soll schließlich das Vergnügen so groß wie möglich werden. Bis kurz vor dem Faschingszug in Schwanstetten wurde noch kräftig geflext und geschraubt, um dem Narrenschiff den letzten Schliff zu geben. Ägypten ist heuer das Motto – so hat es die „Rothseejugend“ festgelegt, als sich die rund 45 jungen Erwachsenen Anfang Dezember aus den Orten rund um den Rothsee zur Planung trafen.

Jeder kann dabei Vorschläge für das neue Motto einbringen, dann wird demokratisch abgestimmt. Um den Wagenbau zu finanzieren, sucht sich die Truppe dann Sponsoren. Die Farben hat in diesem Jahr die Malerfirma Pfaller aus Hilpoltstein gespendet, von der Allersberger Firma Vinopal kamen die Schrauben, die Dorfgemeinschaft Eichelburg hat 500 Euro dazugegeben, die Firma Dienstleistungen Heßlein stellt den Traktor und der Reiterhof Zwiefelhof die Halle. Jeder Mitfahrer wirft aber selbst auch Geld in den Hut. Rund 100 Euro sind von jedem Teilnehmer fällig – und natürlich die Arbeitsdienste am Wagen.

Denn einfach so „einkaufen“ kann sich bei der „Rothseejugend“ niemand. „Bei einigen anderen Faschingswagen ist das ja so, dass man mehr bezahlt, dafür dann aber nicht mitbauen muss, sondern nur mitfahren kann. Das geht bei uns gar nicht“, sagt Johanna Lex. „Da fehlt sonst total das Feeling. Es ist einfach was ganz anderes, wenn man sagen kann, schaut her, das hab ich gemacht!“, sagt sie begeistert.

Vor dem Bau steht aber erst einmal der Entwurf. Philipp Mederer holt die Pläne hervor, richtig professionell sehen diese aus. Am Computer hat eines der Mitglieder jede Seite des Wagens entworfen und wie bei einem Bauplan visualisiert.

Fast neun Meter ist der Wagen lang, an beiden Seiten werden große Mehrschichtplatten angebracht, die von der Brüstung fast bis zum Boden reichen, damit während des Zugs auch niemand unter die Räder geraten kann. Diese Planken sind gelb grundiert, darauf wurden in schwarz die Silhouetten einer Sphinx und von Pyramiden gemalt. Zweieinhalb Meter ist der Wagen breit, vorne fährt als Galionsfigur eine Mumie im offenen Sarkophag mit, neben ihr wippen zwei Palmen im Takt der Musik.

Für die Besatzung gibt es einen kleinen Unterstand, der mit Schilfmatten überdacht ist. Und am Ende des Wagens gibt es eine begehbare Pyramide aus gelb angemalten Styropor-Kacheln, die auf eine Spanplatte geklebt wurden. Genau 4,50 Meter ist die Pyramide vom Boden aus hoch – sonst passt sie nämlich nicht durch den Allersberger Torturm.

Auch über die lange Pandemie hat die „Rothseejugend“ das Bauen nicht verlernt – kein Wunder: „Bei uns ist fast alles mit dabei, Schreiner, Zimmerer und andere Handwerker“, sagt Philipp Mederer. Am 17. Dezember hat die Gruppe mit der Arbeit angefangen und dann fast acht Wochen an dem Wagen gebaut, an den Wochenenden, aber auch unter der Woche abends.

„Es ist einfach schön zu sehen, wie er von Woche zu Woche größer wird. Das hat schon Spaß gemacht“, sagt Kilian Kunz. Dann geht er wieder nach oben, nimmt die Flex in die Hand und die Funken sprühen. Die Palmen passen noch nicht ganz in ihre Aufnahme, aber das ist nicht schlimm. „Die Palmen dürfen wackeln“, kommentiert Johanna Lex von unten, „echte Palmen schwanken ja auch im Wind.“

Dann folgt die Probe aufs Exempel, das mit Jute umwickelte Rohr, das den Stamm darstellt, passt schon mal. Auch die Krone aus grünen Plastikwedeln lässt sich oben aufsetzen. Perfekt, der letzte Schliff ist fast geschafft. Und dann fällt der Gruppe noch etwas Besonderes auf bei der Frage, seit wann die „Rothseejugend“ eigentlich gemeinsam fährt. Johanna Lex überlegt: „Das muss 2013 gewesen sein. Dann haben wir ja heuer Zehnjähriges!“

HK